
Britten, Benjamin - Suiten für Violoncello solo Nr. 1-3
Glänzendes aus Kanada
Label/Verlag: Atma classique
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die junge Cellistin hat eine gelungene und auch ernste Einspielung der Suiten für Cello solo von Benjamin Britten vorgelegt.
In Friedrich Schillers ‘Maria Stuart’ kommt es auf der klassisch betonten Mittelachse des Stückes zu einem Aufeinanderprallen zweier Königinnen, die bei aller Verschiedenheit doch genügend Ähnlichkeiten haben, um fulminant in Streit zu geraten. Die Mächtige trifft hier auf die für diesen Moment weniger Mächtige. Mehr oder minder staatsmännisch werden Ansprüche auf Herrschaft und Freiheit in Stellung gebracht, und schließlich weiblich Reize gegeneinander ausgespielt. Der unterlegenen schönen Seele Maria gebührt am Ende die Sympathie und ihr gilt das schließlich gegen die Tränen gezückte Schnupftuch. Heutzutage ist man höflicher, es wird nicht mehr enthauptet, und es ist insgesamt eine etwas wilde Spekulation, aber es wäre dennoch interessant zu sehen, was geschieht, wenn man Sol Gabetta und Denise Djokic zu jener Konstellation in die ‘Gegend in einem Park’ versetzte.
Die junge kanadische Cellistin Denise Djokic ist, wie könnte es anders sein, aus einer Musikerfamilie heraus, durch Musikzentren der neuen Welt hindurch (Halifax, Cleveland, Boston), und über zahlreiche Preise hinaus gewachsen; und das Weiterwachsen ihrer internationalen Karriere ist, so darf man hoffen, so schnell nicht aufzuhalten. Mit ihrem Kammermusikpartner David Jalbert hat sie bereits zahlreiche Städten und Festivals, aber auch in zahlreichen Dörfern Kanadas gespielt, was im Zeitalter der Museums- und Konzertsaaldidaktik als erfreuliches, rundheraus sinnvolles Unternehmen erscheint.
Djokic, die sich auf ihren CDs bisher auf das moderne Repertoire konzentriert hat (mit Ausnahme von Schumanns 'Stücken im Volkston'), verfolgt diese Linie weiter und schickt mit den drei Solosuiten von Benjamin Britten eine erfreulich ernste CD ins Rennen um das Weihnachtsgeschäft. Und umso erfreulicher ist, dass diese CD durch Qualität überzeugen kann, und ihr bevorzugtes Habitat nicht auf Gabentischen suchen muss (ganz im Unterschied zu Gabettas ‘Cantabile’).
Djokics Interpretation überzeugt augenblicklich, sie versteht es, die Dramaturgie der großen Suiten spannungsreich zu gestalten und die akustische Bühne mit der jederzeit heiklen Besetzung ‘solo’ auszufüllen. Ihr sehr voller, saftiger Ton kommt etwa im ‘Lamento’ der ersten Suite, oder dem variiert wiederkehrenden ‘Canto’, der die Tektonik der Suite zusammenhält, wunderbar zu Geltung und erzeugt emotionale, klangsinnliche Tiefe und Bewegtheit. Die gefasste, aber tiefenscharfe Melancholie der ‘Introduzione’ der dritten Suite zeigt ein großes künstlerisches Talent, und eine junge Meisterschaft, für die es schwerlich Maßstäbe gibt. Zwar reicht sie nicht an den Widmungsträger Rostropowitsch heran, was Leidenschaftlichkeit und im doppelten Sinne spielerische Meisterschaft angeht. Auch wird in diesem Vergleich deutlich, dass sich doch noch etwas mehr Differenzierung aus der Suiten herausholen lässt, und das Relief gleichsam noch tiefer geschnitzt werden könnte. So ist etwa, wiederum in der ersten Suite, die rhythmische Verschachtelung der ‘Serenata’ oder das dynamische Profil des ‘Bordone’ und des ‘Moto perpetuo’ noch nicht reich genug ausgeführt. Aber das wären auch unangebrachte Forderungen, und das würde bedeuten, dass die künstlerischen Wachstumsfugen Djokics bereits geschlossen wären, und das sind sie sicherlich nicht.
Man kann nur hoffe, dass Denise Djokic ihre konzertante Tätigkeit in Zukunft auch verstärkt der alten Welt widmen wird; es würde mit Sicherheit kein geringer Siegeszug werden. Bis dahin werden wir mit CDs wie dieser Vorlieb nehmen müssen; das ist mit Sicherheit kein geringer Trost.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Britten, Benjamin: Suiten für Violoncello solo Nr. 1-3 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Atma classique 1 14.11.2008 |
Medium:
EAN: |
CD
722056252423 |
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Atma classique Das Label ATMA - Seele oder Lebensgeist auf Sanskrit - wurde 1995 gegründet und bietet inzwischen mehr als 200 Aufnahmen von mittelalterlicher bis zu zeitgenössischer Musik mit einem besonderen Schwerpunkt im Barock. Für ihre Aufnahmen umgibt sich Johanne Goyette, Direktorin und zugleich Toningenieurin der Firma, gerne mit wagemutigen Künstlern, um in ihrem Studio Unerhörtes (und Ungehörtes) zu schaffen.
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