
Strauss, Richard - Salome
Geschmackloser Anachronismus
Label/Verlag: Opus Arte
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mit dieser Inszenierung kommt der sonst so subtile Regiekünstler David McVicar nicht gegen die Brüche des eigenen Regiekonzepts an.
'Salome' oder 'Die 120 Tage von Sodom'? 2008 inszenierte David McVicar die Oper von Richard Strauss in Anlehnung an Pier Paolo Pasolinis umstrittenen Skandalfilm. In dem 1975 gedrehten Streifen schildert der italienische Regisseur frei nach einer Erzählung von de Sade und mit Bezügen zu Dantes Göttlicher Komödie drei schreckliche Tage in der Republik von Salò, in der sich Mussolini ab 1943 von Nazideutschland protegiert, verschanzte. Auf einem Anwesen haben vier Vertreter des untergehenden Regimes junge Männer und Frauen entführt, um sie auf sadistischste Weise sexuell zu missbrauchen und zu ermorden.
Die italienische Sozialrepublik als Folie
Angeregt von dieser filmischen Vorlage, verlegte McVicar 2008 an der Londoner Royal Opera die Handlung von Oscar Wilde in eine Art Kellertoilette, in der Soldaten nackte Frauen brutal malträtieren, während im ersten Stock die ‚feine Gesellschaft’ des Herodes feiert, als hätte man gerade hohen Besuch aus der Reichshauptstadt Berlin: Die italienische Sozialrepublik als Folie politischer Gewaltherrschaft und moralischer Dekadenz.
Fleischgewordene Darstellung
Vor diesem Hintergrund findet David McVicar starke Bilder, wenn er den Schleiertanz der Salome als eine Zeitreise deutet, in der der jahrelange Missbrauch der Salome durch Herodes nachgezeichnet wird. Wenn sich Salome an den blutüberströmten nackten Hünen wirft, der ihr den Kopf des Jochanaan reicht, ist das die fleischgewordene Darstellung ihrer sexuellen Fixierung – eine Szene, die nicht umsonst das Cover der von Opus Arte herausgegebenen DVD ziert.
Für solche isolierten Bilder nimmt der Regisseur allerdings den reichlich geschmacklosen historischen Anachronismus in Kauf, dass in seinem faschistischen Italien Juden mit ihren Mördern zu Tische sitzen, als hätte es Deportation und Holocaust nie gegeben. McVicar, der sich schon so oft als subtiler Regiekünstler und genialer Geschichtenerzähler erwiesen hat, kommt in dieser Produktion nicht gegen die bildgewaltigen Brüche des eigenen Regiekonzepts an.
Es fehlt an Delikatesse
Weder das beachtliche Ensemble mit Michaela Schuster (Herodias), Thomas Moser (Herodes), Michael Volle (Jochanaan) und Joseph Kaiser (Narraboth) noch die farbenreiche Expressivität von Philippe Jordan am Pult machen diese Schwächen wett. Auch die ausgearbeitete Darstellung von Nadia Michael (Salome) kann vor diesem Hintergrund nicht restlos befriedigen, zumal die Sopranistin in ihrem intellektuellen Rollenportrait stimmlich einiges schuldig bleibt. Immer wieder fehlt es ihr an jener Delikatesse, die zu einer Salome genau so gehört wie vokale Hysterie. Da bleibe ich doch lieber weiterhin bei Götz Friedrichs Salome-Film von 1974 mit der genialen Teresa Stratas als Salome und dem Strauss-Kenner Karl Böhm als Dirigent.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strauss, Richard: Salome |
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Label: Anzahl Medien: |
Opus Arte 2 |
Medium:
EAN: |
DVD
809478009962 |
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