
Scarlatti, Domenico - Geistliche Chorwerke
Spirituelle Tiefe
Label/Verlag: Ricercar
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine Aufnahme mit musikalischer und geistlicher Tiefe, die den Hörer mit einer eher unbekannten Seite Scarlattis vertraut macht.
Domenico Scarlatti, 1685 – also im selben Jahr wie Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel – geboren und 1757 in Madrid gestorben, ist heute vor allem für seine (angeblich) 555 Cembalosonaten bekannt. Sein Vokalwerk gilt als konventionell und eher uninteressant. Es gibt zwar einige gute Aufnahmen seiner Chormusik, vor allem seines berühmten Stabat Mater, und auch seine Opern werden langsam wieder entdeckt (so erschienen beispielsweise Scarlattis 'Tetide In Sciro' im Jahr 2006 und ein Jahr später eine von Alan Curtis rekonstruierte Fassung von 'Tolomeo e Alessandro'), aber generell steht das Vokalwerk im Schatten seiner Sonaten – vermutlich auch, weil sich Domenico selbst mit Kompositionen von Vokalmusik immer im Schatten seines Vater Alessandro gefühlt hatte. Nicht von ungefähr verlässt er acht Jahre nach dem Tod seines Vaters Italien und baut seine musikalische Karriere in Spanien auf.
Die vorliegende Aufnahme vermittelt einen Eindruck von den geistlichen Chorwerke Scarlattis. Die Werke zu datieren, ist in vielen Fällen nicht möglich, aber es ist wahrscheinlich, dass die Musik noch in der Zeit komponiert wurde, in der Scarlatti in Italien lebte. Vier Stücke werden von den Vox Luminis interpretiert: Ein kunstvolles 'Te Deum', bei dem zehn Einzelstimmen in immer neuen, kontrastreichen Kombinationen singen, ein 'Salve Regina', ein inniges Duett zwischen Sopran und Countertenor, begleitet von einer Continuogruppe , das berühmte 'Stabat Mater' und ein traditionelles, von Gregorianik durchsetztes 'Miserere'. Allen Stücken ist ein eigener Stil des Komponisten anzumerken. Vieles klingt beim ersten Hören wie kunstvoll-polyphone Renaissancemusik oder frühe Barockmusik der ‚prima prattica‘. Wer bei Barockmusik auch an Brillanz, Koloraturen und überbordende Freude denkt, die sich in den geistlichen Werken Händels oder Vivaldis finden, wird bei den geistlichen Werken ihres Zeitgenossen Scarlatti enttäuscht. In seinen traditionellen, im frühen 18. Jahrhundert Roms noch durchaus beliebten Stil bricht aber immer wieder Expressivität ein, die der Renaissancemusik fremd ist und ihn als Zeitgenossen Händels zeigt.
Die vier eingespielten Stücke (gemeinsam mit zwei Orgelsonaten) werden von den Sängerinnen und Sängern der Vox Luminis eindringlich interpretiert. Ihr Gesang betont den polyphonen Renaissancecharakter der Kompositionen. Die zehn Solisten – vier Sopranstimmen und je zwei Countertenöre, Tenöre und Bässe – sind in der Klangfarbe ihrer Stimmen bestens aufeinander abgestimmt. Ihre Interpretation vereint hohe Intensität und Konzentration mit meditativem, stillem Ausdruck. Eine Aufnahme für alle, die mit einem anderen Aspekt des Werkes Scarlattis und der Musik Roms zu Beginn des 18. Jahrhunderts vertraut werden möchten.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Scarlatti, Domenico: Geistliche Chorwerke |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Ricercar 1 01.01.2008 |
Medium:
EAN: |
CD
5400439002586 |
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Ricercar Von Haus aus Musikwissenschaftler und Gambist (und hier immerhin Schüler von Wieland Kuijken), gründete der Belgier Jérôme Lejeune 1980 sein Label RICERCAR, das schnell zu einem der wichtigsten im Bereich der Alten Musik wurde. Das war nicht nur durch die musikwissenschaftliche Arbeit Lejeunes nahe liegend, sondern auch dem Umstand geschuldet, dass Belgien von je her zu den führenden Nationen im Bereich der historischen Aufführungspraxis gehörte. Die Künstler, die für RICERCAR aufnehmen bzw. aufgenommen haben, lesen sich ohne Übertreibung wie das Who-is-Who der Alten Musik-Szene: Hier machte zum Beispiel Philippe Herreweghe genauso seine allerersten Aufnahmen wie das Ricercar Consort, Jos van Immerseel oder Mark Minkowski (sowohl als Fagottist als auch als Dirigent). Zu den Künstlern und Ensembles, die derzeit dem Label verbunden sind, gehören so prominente Namen wie der Organist Bernard Foccroulle, die Sopranistin Sophie Karthäuser sowie die Ensemble La Fenice und Continens Paradisi. Nach wie vor bietet Lejeune dabei jungen Künstlern und Ensembles eine künstlerische Plattform und er beweist dabei stets ein besonders glückliches Händchen. Viele der nicht weniger als 250 Aufnahmen, die hier veröffentlicht wurden, waren klingende Lektionen in Musikgeschichte, die in mehrteiligen Reihen solche Themen wie Bach und seine Vorgänger, die franko-flämische Polyphonie oder Instrumentenkunde behandelten und so etwas wie zu einem Markenzeichen des Labels wurden. Das erstaunliche dabei war auch, dass nahezu alle Produktionen des Labels von Lejeune sowohl wissenschaftlich als künstlerisch und technisch betreut wurden. Mehr Info... |
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