> > > Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 4 G-Dur
Samstag, 3. Juni 2023

Mahler, Gustav - Sinfonie Nr. 4 G-Dur

Der goldene Mittelweg


Label/Verlag: Tudor
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Jonathan Nott und die Bamberger Sinfoniker haben sich mit Mahlers Vierter selbst übertroffen. Gemeinsam mit der betörenden Sopranistin Mojca Erdmann entführen sie den Zuhörer in himmlische Höhen.

Gustav Mahlers vierte Sinfonie gilt als die am leichtesten zugängliche unter seinen Sinfonien –  und steckt doch voller Rätsel. Immer wieder führt Mahler den Zuhörer an der Nase herum, immer wieder unterwandert er den liebenswürdig-naiven Grundton mit unerwartet heftigen fortissimo-Akzenten. Ist dies eine sinfonische Humoreske? Eine Märchenvision? Ein gewalttätiger Ritt ins Himmelreich?

Die Bamberger Symphoniker unter ihrem englischen Chefdirigenten Jonathan Nott haben nun den goldenen Mittelweg gefunden (Tudor, 2008). Weder verharmlosend noch überzeichnend interpretieren sie Mahlers ‚Himmlische’, bleiben in allem bemerkenswert vielschichtig und vieldeutig. Bereits in den ersten Takten des ersten Satzes (‚Gemächlich’) wird klar, wie präzise und natürlich Jonathan Nott die Charakter- und Tempoangaben Mahlers umzusetzen vermag. Seine Bamberger überzeugen durch Transparenz und Wärme. Weiche Überblenden und harte Schnitte erinnern an die Technik des Mediums Film.

Simon Rattle und das City of Birmingham Symphony Orchestra haben das Scherzo des zweiten Satzes einst in einen bedrohlich schauerlichen Totentanz verwandelt und sogar noch Leichengeruch in das Adagio hinüberwehen lassen (EMI, 1998). Jonathan Nott hingegen begreift die fahlen Fidel-Anklänge des Todes als natürlichen Bestandteil des chaotischen irdischen Treibens. Nach dem ersten Schrecken entpuppt sich ‚Freund Hein’ als eher skurrile Gestalt, halb tanzend, halb hinkend.

Im dritten Satz betören die Streicher durch seidiges Legatissimo. Und im vierten Satz, da prasseln die ‚Narrenschellen’ des Sinfoniebeginns wie Rutenschläge auf den Zuhörer ein. Mojca Erdmanns schlanker, kristalliner Sopran ist wie geschaffen für die Vertonung des Wunderhorn-Gedichts „Vom himmlischen Leben“. Kein opernhaftes Gebaren, kein intellektuelles Overacting lenkt vom Kern der Musik ab. Ganz im Gegenteil: Mojca Erdmann ruht in sich, wiegt sich in kindlich-heiterer Unschuld. Ihr einzigartiges Timbre mit der glockenreinen Höhe weckt am ehesten noch Erinnerungen an die famose Frederica von Stade. Am Ende erwacht der Zuhörer wie aus einer Trance.

Organisch und weiträumig fächert sich das Klangbild auf. Ein profunder, inspirierender Booklettext von Ellen Kohlhaas trägt zum hervorragenden Gesamteindruck der Produktion bei. Wenn ich mich für eine einzige Einspielung von Mahlers Vierten entscheiden müsste –  ich würde Jonathan Nott nehmen.   

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Kritik von Felix Stephan,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 4 G-Dur

Label:
Anzahl Medien:
Tudor
1
Medium:
EAN:

SACD
7619911071516


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Mahler, Gustav
 - Sinfonie Nr. 4 G-Dur - Bedächtig. Nicht eilen
 - Sinfonie Nr. 4 G-Dur - In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast
 - Sinfonie Nr. 4 G-Dur - Ruhevoll
 - Sinfonie Nr. 4 G-Dur - Sehr behaglich. Sopran-Solo - ´Wir genießen die himmlischen Freuden´


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Dirigent(en):Nott, Jonathan
Orchester/Ensemble:Bamberger Sinfoniker
Interpret(en):Erdmann, Mojca


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Tudor

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