
Jörgen van Rijen spielt - Werke für Posaune von Albrechtsberger, Bertali u.a
Zwei Jahrhunderte Posaune
Label/Verlag: Channel Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Posaunist Jörgen van Rijen begibt sich mit historischem Instrumentarium auf die Reise zur Musik des 17. und 18. Jahrhunderts.
Der Posaunist Jörgen van Rijen, so das Booklet zu dieser bei Channel Classics erschienenen SACD, sei einer der wenigen Musiker, ‚die sowohl ein modernes Instrument als auch ein Barockinstrument auf höchstem Niveau beherrschen’. Ob dies tatsächlich eine Ausnahme in der Szene darstellt, mag einmal dahin gestellt bleiben – und angesichts des tatsächlich umwerfenden Ergebnisses ist es auch schlichtweg Nebensache. Denn diese Produktion macht enorm viel Spaß und führt auf überzeugende Weise in das Spiel mit den historischen Vorgängern der heutigen Posaune ein, wozu sie konzertante Kompositionen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit jener Sonatenkunst italienischer Provenienz aus dem 17. Jahrhundert verquickt, in der die Posaune nur eines von mehreren Instrumenten ist. Gerade diese Gegenüberstellung, die etwas vom Gang der historischen Entwicklung spüren lässt, macht den Reiz der Platte aus. Jörgen van Rijen lässt sich auf zwei modernen Kopien historischer Instrumente hören, als Kammermusikpartner oder begleitendes Orchester stehen ihm dabei die Musiker des Combattimento Consort Amsterdam unter Leitung ihres Konzertmeisters Jan Willem de Vriend gegenüber.
Die drei eingespielten Konzerte sind mit sehr abwechslungsreichem der Vortrag realisiert: Unterstützt vom federnden und klar artikulierten Spiel des Ensembles deckt van Rijen im B-Dur-Konzert von Johann Georg Albrechtsberger die Möglichkeiten der Posaune auf und zeigt eine große Bandbreite zwischen melodischer Gestaltungskraft und (vor allem im Allegro moderato-Finale) wendigem Passagenwerk. In Leopold Mozarts Konzert D-Dur – eigentlich eine Folge von drei mit solistischer Posaune besetzten Werkteilen aus einer ‚Serenata’ – ist van Rijens Vortrag federleicht und gerät darüber hinaus im Adagio, unterlegt von den subtil herausgearbeiteten Begleitfiguren gedämpfter Violinen, zu einem betörend schönen Gesang. Ein besonderer Höhepunkt ist dann allerdings Johann Christian Wagenseils zweisätziges E-Dur-Konzert, dessen langsamer erster Satz, vom Solisten mit vokal anmutenden Atembögen vorgetragen, dynamisch besonders gut differenziert wird. Der rasche zweite Satz indes ist eine wahre Perle, weil der teils butterweich geblasene Posaunenpart hier immer wieder mit den beteiligten Orchesterhörnern verschränkt ist, was zu großartigen klanglichen Wirkungen führt.
Faszinierend ist aber auch die Wiedergabe der zwischen den drei Konzerten platzierten ‚Sonate à 2’, ‚à 3’ und ‚à 4’ aus Sammlungen von Antonio Bertali, Dario Castello, Biagio Marino und Johann Heinrich Schmelzer geraten, denn die Mitwirkung der Posaune erweist sich hier als Entdeckung und klangliche Bereicherung. Bislang wird diese frühe Kammermusik, falls sie überhaupt auf Tonträgern erhältlich ist, zumeist als Domäne einheitlicher Besetzungen (etwa aus Streichern oder Blockflöten) behandelt. Was jedoch hier erklingt, ist is seiner Art ganz anders und lässt unwillkürlich aufhorchen, da man dem Zuginstrument Posaune eine solche Virtuosität kaum zutraut. Die gleichberechtigte Partnerschaft mit den Violinen, der Vortrag von Passagen in musikalischer Wechselrede, die spielerische Ausführung von Verzierungen, die musikalische Wendigkeit in der Darstellung der häufig wechselnden Metrik und die farbige Ausstaffierung mit unterschiedlichen Besetzungen des Basso continuo-Parts (so etwa auch mit Fagott in Schmelzers ‚Sonata à 3’) machen die kurzen Werke zu einem wahren Hör-Abenteuer.
Das alles und van Rijens geschmeidige Handhabung des Instruments bringt einem zum Staunen. Wenn dann am Ende Bertalis ‚Sonata à 3’ mit tänzerisch umgesetzter Virtuosität in punktgenau realisiertem Zusammenspiel erklingt, merkt man, dass man bisher vielleicht wirklich etwas verpasst hat und möchte eigentlich gern, dass die Platte länger ist. Schade ist es in der Tat, dass es sich hier ‚nur’ um eine knappe Stunde Musik handelt. Aber dennoch kann man an dieser Veröffentlichung sehr viel Freude haben, weil sie so manches überraschende Detail bereithält.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Jörgen van Rijen spielt: Werke für Posaune von Albrechtsberger, Bertali u.a |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Channel Classics 1 08.04.2008 |
Medium:
EAN: |
SACD
723385267089 |
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Channel Classics Channel Classics Records is a quality record label based in Holland. Director, producer and recording engineer is C. Jared Sacks. Having grown up in Boston Massachusetts, schooled at Oberlin Conservatory and the Amsterdam Conservatory of music with 15 years experience playing French Horn, Jared decided to make his hobby of recording a profession in 1987. The label started in 1990 with the name Channel Classics coming from the street he lived on in Amsterdam. (Kanaalstraat).
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