
Praetorius, Hieronymus - Motetten
Glanzvolle Polyphonie
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Hieronymus Praetorius erlebt in dieser Neueinspielung von Manfred Cordes und seiner Weser-Renaissance eine würdige Wiederentdeckung.
Lang vergessene Schätze Hamburger Kirchenmusik zu heben und das Publikum mit aufwendigen Neueinspielungen bekannt zu machen, ist die Aufgabe der CD-Reihe Musica Sacra Hamburgensis 1600-1800. Initiiert von der ZEIT-Stiftung soll die reiche Musikkultur der Hansestadt mit ihren herausragenden Musikerpersönlichkeiten wieder mehr ins Interesse der Öffentlichkeit gerückt werden. Durch den Handel reich geworden, konnten sich die Hamburger Bürger nämlich eine prächtige und moderne Sakralmusik leisten, wie es sonst nur an den großen Höfen zu Repräsentationszwecken möglich war. Doch Hamburg hatte den Vorteil, dass die berufenen Musiker keinem Fürsten unterstanden, der seine Geschmacksvorstellungen verwirklicht sehen wollte, sondern dass sie finanziell gut abgesichert für die breite Bürgerschaft zu komponieren hatten. So war es nicht verwunderlich, dass die Posten als Hamburger Kantor für die größten Namen der Zeit erstrebenswert waren und sich die Besetzungslisten wie ein ‘Who is Who’ des norddeutschen Musiklebens liest.
Auch Hieronimus Praetorius (1560-1629) zählte zum exklusiven Kreis der Hamburger Kantoren, auch wenn sein Name heute weitestgehend vergessen ist. Nicht verwandt mit dem großen Michael Praetorius, entstammt er einer großen Hamburger Organistenfamilie. Deshalb war es logisch, dass auch er von seinem Vater an der Orgel ausgebildet wurde.
Sein ‘Opus musicum’ stellt die früheste in Hamburg erschienene Sammlung polyphoner Kirchenmusik dar. In ihr sind 100 lateinische und deutsche fünf- bis zwanzigstimmige Motetten und neun doppelchörige Magnificat-Vertonungen enthalten. Diese gelten als Repräsentanten des starken italienischen Einflusses auf die Norddeutsche Kirchenmusikkultur. Ihr Klangbild erinnert teilweise an die Werke Orlando di Lassos und Leo Hasslers, ist aber stärker als diese von der Harmonik her gedacht. Dabei bevorzugt Praetorius ein abwechslungsreiches Spiel mit kontrastierenden Wirkungen, indem er extreme Höhen mit Tiefen kombiniert, schnelle Wechsel zwischen Dur und Moll vollzieht und die rhythmische Struktur häufig wechselt. Insgesamt wirken die Stücke dadurch sehr dicht und komplex gearbeitet, mit immer neuen reizvollen Wendungen.
Diese Eigenart der Praetoriusschen Kompositionen setzt das Ensemble Weser-Renaissance Bremen um seinen Leiter Manfred Cordes mit viel Liebe zum Detail und großem Engagement um. Sehr
ausgewogen in der Stimmgewichtung kultivieren die zwölf Sänger und Instrumentalisten ein homogenes Klangbild, das reich und farbig wirkt. Die Stimmen der sechs Gesangssolisten sind wunderbar aufeinander abgestimmt und mischen sich zu einem runden Gesamtklang, doch bewahren sie immer ihre Eigenständigkeit. Dadurch ist beispielsweise das ‘Jubilate Deo’ Nr. 62 aus dem Jahr 1607 wunderbar durchhörbar und differenziert ausgesungen. Auch das achtstimmige ‘Nunc dimittis servum tuum’ aus der Sammlung Cantiones sacrae von 1599 wirkt durch die schlanke, filigrane Interpretation von Cordes klar und leicht. Die Stimmen schweben in der dankbaren Akustik der Stiftskirche zu Bassum mit eleganter Schwerelosigkeit, so dass Sänger und Instrumentalisten auf überflüssige Kraftanstrengungen verzichten können. Dabei bleibt die Struktur des Werkes immer deutlich und prägnant herausgearbeitet.
Die abschließende Motette ‘Canate Dominum’ von 1602 ist exemplarisch für den bemerkenswerten Einfallsreichtum von Praetorius: indem er die Chöre in helle und tiefe Stimmen aufteilt, erzeugt er spannungsvolle Wechselgesänge zwischen den Sängergruppen und den Solisten. Dabei fällt besonders die große Virtuosität auf, die er vom hohen Chor fordert. Immer weiter winden sich die beiden beginnenden Sopranstimmen umeinander, bis die anderen Stimmen nach und nach hinzutreten und sich der Satz zu einem prächtigen Tutti auffächert. Die Musiker der Weser-Renaissance lassen mit ihrer glanzvollen Interpretation ihre Praetorius-Einspielung würdig ausklingen und machen gleichzeitig Hoffnung auf weitere so gelungene Aufnahmen zur Hamburger Kirchenmusik.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Praetorius, Hieronymus: Motetten |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.05.2008 |
Medium:
EAN: |
CD
761203724529 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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