
Musik am spanischen Hof zu Neapel - Werke von Villanella, Trabaci u.a
Pop um 1600
Label/Verlag: Raumklang
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Insgesamt liegt hier also eine durchaus interessante Einspielung höchst vergnüglich zu hörender Musik vor, die nicht nur durch die im Großen und Ganzen gute Ausführung besticht, sondern auch durch den abwechslungs- und gegensatzreichen Programmaufbau.
Musik vom spanischen Hof in Neapel ist diese neue CD des Ensemble Oni Wytars überschrieben, und darauf finden sich Beispiele der Formen und Genres, wie sie im 16. und frühen 17. Jahrhundert im spanischen Königreich Neapel beliebt und gebräuchlich waren. Angesichts der internationalen Melange die sich aus der spanischen Herrschaft in Italien und der prinzipiellen musikalischen Vorherrschaft der flämischen Komponisten und Kapellmeister in dieser Zeit ergab, verwundert es kaum, dass sich dabei eine große Vielfalt an Formen und Autoren vor dem geneigten Hörer auftut: Die italienischen Tarantelle, Canzone und Villanelle etwa eines Giulio Cortese ebenso, wie die Villancicos und Recercadas von Diego Ortiz oder Luys de Narvaez, und kontrapunktische Orgelkompositionen flämischer Meister, etwa des Giovanni de Macque, der als Kapellmeister am neapolitanischen Hofe wirkte.
Dieser programmatischen Vielfalt stellt das Ensemble auch eine instrumentale gegenüber, beschränkt sich nämlich nicht nur auf die gebräuchliche Renaissance-Grundausstattung von Fidel, Gambe, Laute und Blockflöte, sondern ergänzt das Klangbild noch mit Harfen, Zink, Dudelsack, Schilfflöten und anderen Instrumenten. Und, da gibt es keinen Zweifel, sie beherrschen diese ausgezeichnet. Sowohl kann man sich hier am technischen Können der Musiker freuen, an ihrer Virtuosität und Differenzierungsfreudigkeit in Dynamik und Klangfarben, als auch an ihrem enormen musikalischen Gestaltungswillen, der Improvisationslust und Kreativität. Und – nicht zu vergessen – ihrer hörbaren Begeisterung für diese Musik.
Gerade die letzteren Parameter bringen allerdings auch mit sich, dass manches auf dieser CD mehr nach einem modernen Popkonzert, denn nach historischer Aufführungspraxis klingt – was aber vielleicht sogar beabsichtigt und sicherlich ein Stück weit Geschmackssache ist. Um zu beginnen liegt hier ein Livemitschnitt vor, in dem man beinahe bei jedem Stück den Applaus mit aufgenommen hat; das erinnert ein wenig an amerikanische Slapstick-Serien aus den 80ern, wo man nach jedem Gag das Lachen des Publikums eingeblendet bekommt, und wirkt auf einer Platte mit doch in gewisser Weise klassischer Musik einfach deplatziert. Und auch notorische Klassikverweigerer werden nicht zu Renaissancefans werden, weil sie sich bei den Klatsch-Einblendungen zu Hause fühlen.
Dazu kommt, dass auch der Gesangsstil relativ weit von dem entfernt ist, was man sich bei spätmittelalterlicher oder Renaissancemusik gemeinhin vorstellt. So singen Belinda Sykes und Peter Rabanser durchaus in der sehr offenen, bisweilen fast scharfen Weise, wie man sie auch nach zeitgenössischen Quellen als authentisch annehmen kann, doch treiben sie es mit der Natürlichkeit vielleicht etwas zu weit, singen in der Art moderner Popsänger zu ungestützt und direkt, so dass hier manches ein wenig zu tief gerät, gerade Töne außerdem selten sind. Gerade Sykes, die mit ihrem arabischen Klangeinschlag kaum einen Ton direkt ansteuert und schon gar keinen aushält, wirkt vor allem für die italienischen Stücke zu ungeführt, während ihr Kollege gelegentlich ins etwas unschöne Schreien gerät. Interessant und oft auch schön dann aber wieder die Verzierungen, die beide Sänger, aber auch die Instrumentalisten einbringen.
Schön auch die eigenwilligen, aber doch immer treffenden Arrangements, die freilich manchmal sehr rhythmus- und percussionbetont sind, was insofern bedauerlich ist, als man die oft sehr hörenswerten Melodien und Improvisationen der anderen Instrumente dann schlechter vernehmen kann.
Neben dem Ensemble Oni Wytars kann man auf dieser Aufnahme auch noch die Organistin Pascale Van Coppenolle mit diversen Recercadas erleben, die sie mit guter Artikulation und sehr farbenreich registriert wiedergibt, wenn man sich auch manchmal etwas mehr Klarheit im Puls und mehr Zug nach vorne vorstellen könnte. Das Booklet ist eher bescheiden ausgestattet, gibt keine Informationen zu den Besetzungen der einzelnen Stücke, und auch der Text zu Programm und Komponisten handelt eher auf bescheidenem Niveau. Dafür gibt es die Texte und Übersetzungen zu allen Liedern.
Insgesamt liegt hier also eine durchaus interessante Einspielung höchst vergnüglich zu hörender Musik vor, die nicht nur durch die im Großen und Ganzen gute, wenn auch in Einzelheiten diskutable Ausführung besticht, sondern auch durch den abwechslungs- und gegensatzreichen Programmaufbau.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Musik am spanischen Hof zu Neapel: Werke von Villanella, Trabaci u.a |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Raumklang 1 13.06.2008 |
Medium:
EAN: |
CD
4018767027068 |
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"Eine musikalische Reise ins spanische Königreich Neapel, jenen Schmelztiegel der Ethnien, der stets Schnittstelle zwischen maurischer und europäischer Kultur und Lebensart war. Das WDR Fernsehen hat im Sommer 2007 das Ensemble einen Monat lang auf mehrere Konzerte begleitet. Ausschnitte davon, sowie weitere Programme und Infos finden sie unter www.oniwytars.de " |
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Frankfurter Allgemeine Zeitung: "...betörende Musik, Oni Wytars bewegt sich in musikalischem Grenzland. Die Musiker sind wahre Multistilisten und Multiinstrumentalisten! " Südwestrundfunk (SWR): "Die unglaubliche Ausstrahlung und Perfektion des Ensembles Oni Wytars bot einen besonderen Genuß. Hervorragende Spezialisten..." |
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Raumklang Das Label RAUMKLANG wurde 1993 von Sebastian Pank in Leipzig gegründet. Nach wie vor steht der Name Raumklang für ein authentisches Klangerlebnis. Die Aufnahmen entstehen überwiegend mit nur einem Stereo-Kugelflächen-Mikrophon (One-Point-Recording).
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