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Donnerstag, 30. November 2023

My country

Kunst des Masses


Label/Verlag: Supraphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Ein historisches und musikalisches Dokument gleichermaßen.

Karel Ancerl ist die dominierende tschechische Dirigentenpersönlichkeit der fünfziger und sechziger Jahre. Heute ist er beinahe vergessen, weit eher als Rafael Kubelík, vielleicht selbst Vacláv Talich. Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass Ancerl, Parteimitglied schon vor dem Staatsstreich 1948, wenig Distanz zum kommunistischen Regime zu wahren schien. Bigottes Moralisieren aber ist unangemessen: Als Jude war er von deutschen Besatzern wie tschechischen Kollaborateuren verfolgt. Die Wendung nach links ist vor diesem Hintergrund durchaus verständlich. Vor allem aber: Nach der sowjetischen Invasion des August 1968 lebt Anèerl im kanadischen Exil.

'Dem' tschechischen Label, Supraphon, ist zu verdanken, dass zahlreiche Aufnahmen Ancerls neu aufgelegt wurden. Die ‘Karel Ancerl-Gold-Edition’ wird abgerundet mit einer DVD unter dm Titel ‘My Country’. Sie bietet Filmaufnahmen des Mai 1968 aus Prag. Mit der Tschechischen Philharmonie bringt Ancerl Smetanas Zyklus ‘Má Vlast’ (‘Mein Vaterland’, ‘My Country’) und Beethovens Violinkonzert (mit dem gleichfalls unterschätzten Henryk Szeryng) zu Gehör – in maßstäblichen Interpretationen. Zu Ancerls Vorzügen zählen klangliche Balance und Durchhörbarkeit, präzise Phrasierung (perfekt zwischen Singen und Sprechen platziert), Wärme und Ausdruckskraft (doch ohne Sentiment) und, dies vor allem, ein Sinn für das richtige Tempo. Ancerl zählt zu den wenigen Musikern, deren Tempoentscheidungen immer unspektakulär richtig erscheinen. Tempo wird weniger als eigenständige Größe behandelt, vielmehr als Mittel zum Zwecke der Deutlichkeit. Das schließt den Verzicht auf sensationsheischende Largo- wie Presto-Effekte mit ein. Dies ist 'erwachsenes' Musizieren ohne Gefühlsstau, in romantischem Repertoire wie in der Klassik. (Als Wahlverwandter wäre Erich Kleiber zu nennen, in seiner 'klassizistisch' gebändigten Ausdruckskraft und Eleganz des Schlages.) Ein bloßer 'Spezialist' fürs tschechische Repertoire, Provinzler im Geiste, ist Anèerl niemals gewesen – weit eher Europäer und Kosmopolit.

Den Konzertmitschnitten ist ein halbstündiger Dokumentarfilm des tschechischen Staatsfernsehens aus dem Jahr 1968 vorangestellt: ‘Who is Karel Ancerl?’. Die Zeitläufte werden sorgsam beschwiegen: Kein Wort zur politischen Situation im Vorfeld des sowjetischen Überfalls. Stattdessen: Ancerl erzählt aus seinem Leben, in durchaus diskreter, uneitler Weise, und legt ein glaubhaftes Bekenntnis zur Partiturtreue ab. Ein Ethos des Dienstes tritt hervor: Kapellmeistertum im nobelsten Sinne.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:
Features:
Regie:







Daniel Krause Kritik von Daniel Krause,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    My country:

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Supraphon
1
23.05.2008
Medium:
EAN:

DVD
099925701598


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Supraphon

Supraphon Music ist das bedeutendste tschechische Musiklabel und besitzt bereits eine lange Geschichte. Der Name "Supraphon" (der ursprünglich ein elektrisches Grammophon bezeichnete, das zu seiner Zeit als Wunderwerk der Technik galt) wurde erstmals 1932 als Warenzeichen registriert. In den Nachkriegsjahren erschien bei diesem Label ein Großteil der für den Export bestimmten Aufnahmen, und Supraphon machte sich in den dreißiger und vierziger Jahren besonders um die Verbreitung von Schallplatten mit tschechischer klassischer Musik verdient. Die künstlerische Leitung des Labels baute allmählich einen umfangreichen Titelkatalog auf, der das Werk von BedYich Smetana, Antonín Dvorák und Leos Janácek in breiter Dimension erfasst, aber auch andere große Meister der tschechischen und der internationalen Musikszene nicht vernachlässigt. An der Entstehung dieses bemerkenswerten Katalogs, auf den Supraphon heute stolz zurückblickt, waren bedeutende in- und ausländische Solisten, Kammermusikensembles, Orchester und Dirigenten beteiligt.


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