
Keiser, Reinhard - Suite aus ´Hercules und Hebe´
Hamburger Pfeffersäcke und quietschfidele Müslimusiker
Label/Verlag: Raumklang
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Elbipolis Barockorchester legt mit der ‘Musik der Hamburger Pfeffersäcke’ eine exzellente Aufnahme vor, die vollauf überzeugen kann: Elektrisierende Musik, musiziert mit einer ansteckenden Spielfreude.
Welch gelungenes Gesamtpaket! Oder soll man diese Produktion aus dem Hause Raumklang in aller Emphase gar als Gesamtkunstwerk bezeichnen? Verdient hätte sie es, fügen sich doch alle Teile in ihrer partikularen Erstklassigkeit zu einem runden, überaus gelungenen Ganzen ohne jegliche Schwächen. Das fängt an bei einer edlen, geschmackvollen Verpackung über einen pfiffigen Einführungstext über eine exzellente klangliche Umsetzung bis zu einer ebenso hochklassigen künstlerischen Darstellung.
Für das vorliegende Gesamtpaket, das man ganz modern auch mit dem Terminus Konzeptalbum umschreiben könnte, wilderte das Elbipolis Barockorchester Hamburg in lokalen musikalischen Gefilden und zauberte nach ihrem Debüt mit Don-Quichotte-Musiken aus Hamburg weitere barocke Werke aus der Heimat der ‘Pfeffersäcke’ (womit jene hanseatischen Kulturmäzene apostrophiert werden) aus dem Hut. Wobei das Zaubern sich nicht primär auf die Erkundung unbekannter Stücke bezieht, sondern auf eine musikalische Umsetzung, die nichts zu wünschen übrig lässt. Unter dem Titel ‘Musik der Hamburger Pfeffersäcke’ sind Werke von Georg Philipp Telemann, Reinhard Keiser und Georg Friedrich Händel zusammen gefasst, die sämtlich hamburgische Wurzeln aufweisen, und ganz nebenbei auch noch ein buntes hinreißend kurzweiliges Programm bilden, das einen die CD von vorn bis hinten in einem Zug genießen lässt.
Hamburger Sturmflut
Das Elbipolis Barockorchester wird gebildet aus jenen jüngeren Musikern der historisch informierten Zunft, die die Essenz Historischer Aufführungspraxis nicht in einer vermeintlich historischen Korrektheit sehen, sondern in einer Belebung und Anreicherung des stilistischen und interpretatorischen Ausdrucksspektrums durch historische Orientierung. So unterscheidet sich der lebhafte, im besten Sinne musikantische Zugang aufs Deutlichste von dem der als ‘Müslimusiker’ verschrienen Apostel historischer Authentizität der ersten (und zweiten) Stunde. Nein, hier wird mit Lust und Laune Musik gemacht, die eine breite Ausdruckspalette vorführt und gleichzeitig über Nuancierungen verfügt, die nicht selten in diesen gut sechzig Minuten Spielzeit staunen machen.
Einen denkbar effektvollen Einstieg bietet Telemanns ‘Ouvertüre L’Omphale’ e-Moll (ca. 1723), dessen Tanzsätze mit einer ansteckenden Spielfreude zum Klingen gebracht werden. Da rauscht nicht nur die gravitätische Einleitung, reich ausstaffiert mit Cembalo-Grundierung und Farbenpracht der Bläser, sondern auch der alternierende geschwinde Teil. Den Musikerinnen und Musikern des klein besetzten Elbipolis Barockorchesters gelingen nicht metrische Wechsel aufs Vortrefflichste, auch die dramaturgische Anlage von Sätzen könnte kaum effektsicherer ausfallen (etwa ‘Les Magaciens’ aus ‘L’Omphale’). Bei aller mitreißenden Spiellaune präsentiert sich das Ensemble als ein hervorragend balancierter Klangkörper, der etwa in Händels ‘Concerto’ für Violine und Streicher B-Dur das optimale Verhältnis zwischen konzertierendem Solo und kaum weniger präsentem klanglich fein strukturiertem Fundament findet. Mit einem untrüglichen Gespür für die jeweils richtige Gangart kitzelt das Elbipolis Barockorchester mit durchgehend eher flotten Tempi den Charakter jedes einzelnen Satzes auf sehr wirkungsvolle Weise heraus.
Nicht weniger überzeugend agiert auch die junge Sopranistin Yeree Suh, die den Arien Telemanns und Keisers mit ihrer glockenhellen, klar fokussierten und leuchtenden Stimme unbedingt gewachsen ist. Die Wortverständlichkeit ist stets sehr gut, die Balance zum Instrumentalkörper ebenso gelungen austariert, vor allem aber ihre subtile Gestaltung etwa in ‘Ich sagte gern ich wäre frey’ lässt diese ungekünstelte Musik in ihrer schönsten Blüte erstrahlen.
Entscheidenden Anteil an der elektrisierenden Wirkung dieser vom Elbipolis Barockorchester los getretenen Hamburger Sturmflur gut gelaunten Musizierens hat aber auch die Tontechnik, die das kleine Ensemble in seiner ganzen Farbenpracht zum Tragen bringt. Mit seiner überaus klaren Zeichnung des Ensembleklangs wird diese Platte auch audiophilen Ansprüchen mehr als gerecht. Zusammen mit dem vom Cembalisten Jörg Jacobi sehr pfiffig und sehr fachkundig im barocken Idiom verfassten Reisebericht eines Hamburg-Besuchers aus dem Jahr 1708 und der edlen Verpackung eine Aufnahme, die man nur dringend empfehlen kann. Mal sehen, was uns die Elbe als nächsten von Elbipolis bringt. Man darf sich aber auf alle Fälle schon darauf freuen.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Keiser, Reinhard: Suite aus ´Hercules und Hebe´ |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Raumklang 1 09.05.2008 |
Medium:
EAN: |
CD
4018767027037 |
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Raumklang Das Label RAUMKLANG wurde 1993 von Sebastian Pank in Leipzig gegründet. Nach wie vor steht der Name Raumklang für ein authentisches Klangerlebnis. Die Aufnahmen entstehen überwiegend mit nur einem Stereo-Kugelflächen-Mikrophon (One-Point-Recording).
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