
Haydn, Joseph - Cellokonzerte Nr. 1 & 2
In erster Linie Grossartiges
Label/Verlag: Berlin Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Jens Peter Maintz hat mit seiner neuen CD nicht nur die Weltersteinspielung einer Cellosonate von Anton Kraft vorgelegt, sondern auch eine begeisterte und begeisternde Interpretation der beiden Cellokonzerte Joseph Haydns.
Die neue CD des hochdekorierten Cellisten Jens Peter Maintz wartet mit einer Weltersteinspielung auf: Die Cellosonate G-Dur von Anton Kraft (1749-1820), deren Continuo-Part hier mit einem zweiten Cello (Dávid Adorján) besetzt ist. Aber nicht diese Weltersteinspielung macht die CD zu einem Ereignis von Rang, sondern die Weltklasse, die Weltspitzeneinspielung, die hier zu hören. Denn die Weltspitzenersteinspielung der Kraft-Sonate wird flankiert von den beiden berühmten Cellokonzerten Haydns in D- und C-Dur. Der Hörer darf sich hier auf Interpretationen freuen, die alle Komposita mit ‘Welt’ sofort rechtfertigt, und die noch das wunderbare Umsichselbstkreisen des Klassikmarktes mit seinem Kanon höchst löblich erscheinen lässt. Denn wenn die Haydn-Konzerte nicht so berühmt und in alle Ohren beheimatet wären, würde es nicht so deutlich in den Gehörgang springen, was Maintz für ein wunderbarer Musiker ist.
Das geschieht aber auch bei der un- bis wenig bekannten Sonate Krafts. Anton Kraft, erster Cellist in der von Haydn geleiteten Hofkapelle des Fürsten Esterházy, auch einer der ersten Cellisten seiner Zeit, dabei Kompositionsschüler Haydns und auch dessen Kompositionsberater in Celloangelegenheiten, komponierte einen Trias von Cellosonaten als sein op. 2, dessen zweite hier vorliegt. Im Vergleich zu den etwa zeitgleichen Cellosonaten Beethovens steht sie zwar noch stark in barocker Tradition, aber sie verdiente in jedem Falle längst, ans Licht gebracht zu werden. Die reduzierte Sonate wird zum überraschenden Ohrengenuss gesteigert, das gediegene, schlichte Werk lässt dem Ton Raum und dem Zusammenspiel der beiden Cellisten (beide, wenn auch unterschiedlich lang Schüler Heinrich Schiffs) Fläche. Und die jeweilige Entfaltung verbreitet, gerade in den Dur-Partien des langsamen Satzes, einem Adagio in Liedform, eine Ruhe und Wärme, die eher an den Mutterbauch gemahnt als an marktgeschneiderte Entspannungsstimulantien.
In Haydns Cellokonzertes zeigt Maintz nicht nur enorme Sensibilität und Findigkeit, große Gestaltungskraft und wunderbar viel Cello, sondern auch eine hohe Solistenkultur sowohl dem Werk, als auch dem Orchester, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, gegenüber. Das Zusammenspiel von größerem und kleinerem Klangkörper gelingt beweglich und klangschön, wie man es sich nur wünschen kann. Bewegung und Austausch geschehen vollkommen organisch, und auch in den teils heiklen Stellen, etwa im dritten Satz des C-Dur-Konzertes, kommt es niemals zu einem bloßen ‘unisono ma non troppo’.
Im Solopart versteht es Maintz, Phrasen rund und schlüssig zu gestalten und wechselt dabei souverän zwischen schlanker Eleganz, die nicht verflacht, und einem unheimlichen Nachdruck, der dennoch schlank bleibt. Die Kadenzen in beiden Konzerten werden dabei ihrer Aufgabe als konzentriertem Schauplatz des Soloinstruments vollkommen gerecht. Maintz wählt seine Kadenzen, wie er im übrigens ausgezeichneten Booklet erläutert, als Referenzen an Lehrer und Vorbilder und spielt so u.a. Kadenzen von Feuermann und Geringas, aber auch eigene. Seine Kadenz zum ersten Satz des D-Dur-Konzertes etwa ist zwar kurz, aber dafür ein geballtes, tumultös blitzendes Kernland cellistischer Grandezza. Und nirgends wird Haydn vergessen.
Wunderbar und den Hörer kaum im Stuhl sitzen lassend ist der Schlusssatz des C-Dur-Konzertes geraten. Das Allegro molto ist hier wirklich molto, das Tempo ist irrsinnig flink gewählt. Das rasche Schweben des Soloinstruments erzeugt in diesem furiosen Schlusssatz immer wieder ein banges Abwarten – und eine im Staunen sich lösende Erfüllung, wenn alles glückt und glänzt. Der schnelle Puls ist ausgelebt in der freudigsten Erregung, nirgends gehetzt, nirgends meint man hörend: hier wollte jemand besonders schnell spielen um des Schnellspielens Willen. Maintz bringt das Allegro Molto zur Blüte, und zugleich birgt er es meisternd und schützend vor dem Schaukampf der Virtuosität. Denn wer es nun angestachelt noch und noch schneller spielen wollte, würde es in einen manirierten Veitstanz verwandeln, der verglichen mit Maintz’ Interpretation gänzlich ohne Effekt bleiben müsste. Das ganze Konzert ist unheimlich gelungen interpretiert: aber im letzten Satz muss man wirklich nicht nur an manchen, sondern an vielen Stellen vor Freude und Mitgerissensein das Gesicht verziehen. Um nach den knapp sechs Minuten erstaunt zu sitzen, und die CD sofort wieder von vorne abzuspielen.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Haydn, Joseph: Cellokonzerte Nr. 1 & 2 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Berlin Classics 1 25.04.2008 62:40 2008 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
782124163228 0016322BC |
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"Zum bevorstehenden Haydn-Jahr 2009 präsentieren Jens Peter Maintz und Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen die Cellokonzerte des „Vaters der Wiener Klassik“ in Kombination mit einer höchst virtuosen Cellosonate des nahezu vergessenen Cellisten und Haydn- Schülers Anton Kraft. Eine besondere Aufnahme in mehrfacher Hinsicht: Jens Peter Maintz hatte sich zum Ziel gesetzt, Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis konsequent auf „modernen“ Instrumenten umzusetzen - sein Haydn kommt ungemein frisch und spritzig daher und nimmt unmittelbar gefangen. In den Musikern der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen fand er ideale Partner für die Realisierung seiner Klangvorstellung: das Orchester geht mit Vibrato sehr klug und sparsam um, spielt transparent, differenziert und höchst lebendig. Ein früher Hörer dieser Aufnahme bezeichnete ihren Klang als „knusprig wie Kartoffelchips“. Auch bei den Solokadenzen verfolgt Jens Peter Maintz ein ganz eigenes Konzept: einige schrieb er selbst, die anderen stammen von großen Cellisten, die zu seinen wichtigsten Vorbildern zählen: David Geringas, bei dem er studierte, sowie dessen Lehrer Mstislav Rostropowitsch und Emanuel Feuermann. Feuermann war von 1929-1933 Professor an der Hochschule für Musik Berlin und somit Jens Peter Maintz‘ berühmtester Amtsvorgänger. Dazu Maintz im Booklet: „Ich habe ein herrliches Foto von ihm in meiner Celloklasse aufgehängt; es zeigt ihn mit Stradivari-Cello im Arm und Zigarette im Mundwinkel. Er begleitet die Bemühungen von Lehrer und Studenten mit einem halb spöttischen, halb aufmunternden Lächeln .... Grund genug, seine brillante Kadenz einzustudieren!“ Eine bemerkenswerte Ersteinspielung rückt die vorliegende CD zudem ins Blickfeld der Entdecker: die Cellosonate op. 2/2 von Anton Kraft, Solocellist der Esterházysche Hofkapelle und Kompositionsschüler Haydns. Wie das Haydnsche D-Dur Konzert, das für ihn geschrieben wurde, zeigt auch die Sonate, was für ein phantastischer Cellist Anton Kraft gewesen sein muss - darüber hinaus erweist er sich aber auch als Komponist von beachtlichem melodischem Einfallsreichtum. Eine wahre Entdeckung nicht nur für Celloliebhaber!" |
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Berlin Classics Berlin Classics (BC) ist das Klassik-Label der Edel Germany GmbH. Es ist das Forum für zahlreiche bedeutende historische Aufnahmen, wichtige Beiträge der musikalischen Zentren Leipzig, Dresden und Berlin sowie maßgebliche Neuproduktionen mit etablierten und aufstrebenden jungen Klassik-Künstlern. Dazu zählen etablierte Stars, wie z.B. die Klarinettistin Sharon Kam, die Pianisten Ragna Schirmer, Sebastian Knauer, Matthias Kirschnereit, Anna Gourari und Lars Vogt, die Sopranistin Christiane Karg oder auch die Ensembles Concerto Köln, Pera Ensemble, sowie der Dresdner Kreuzchor und das Vocal Concert Dresden. Mehrfach wurden Produktionen mit einem Echo-Preis ausgezeichnet. Im Katalog von Berlin Classics befinden sich Aufnahmen mit Kurt Masur, Herbert Blomstedt, Kurt Sanderling, Franz Konwitschny, Hermann Abendroth, Günther Ramin, Peter Schreier, Ludwig Güttler, Dietrich Fischer-Dieskau, die Staatskapellen Dresden und Berlin, das Gewandhausorchester Leipzig, die Dresdner Philharmonie, die Rundfunkchöre Leipzig und Berlin, der Dresdner Kreuzchor und der Thomanerchor Leipzig. Sukzesssive wird dieses historische Repertoire für den interessierten Hörer auf CD wieder zugänglich gemacht, wobei die künstlerisch hochrangigen Analogaufnamen mit größter Sorgfalt unter Anwendung der Sonic Solutions NoNoise-Technik bearbeitet werden, um sie an digitalen Klangstandard anzugleichen. Mehr Info... |
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