> > > von Biber, Heinrich Ignaz Franz : Rosenkranz Sonaten
Dienstag, 26. September 2023

von Biber, Heinrich Ignaz Franz - Rosenkranz Sonaten

Klangsinnliche Meditationsmusik


Label/Verlag: Arts music
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Riccardo Minasi und das Ensemble Bizzarrie Armoniche liefern eine atemberaubend farbige Einspielung von Bibers ‚Rosenkranzsonaten’.

Mittlerweile ist eine ganze Reihe empfehlenswerter Aufnahmen von Heinrich Ignaz Franz Bibers ‚Mysterien’- oder ‚Rosenkranzsonaten’ auf dem Plattenmarkt erhältlich. Dennoch bleiben auch Neueinspielungen dieses vielleicht eigenwilligsten Sonatenzyklus‘ der Barockmusik grundsätzlich spannend, weil die Musik enorm viele unterschiedliche Möglichkeiten der Umsetzung bietet und folglich die Unterschiede zwischen den einzelnen Interpretationen bisweilen sehr groß sind. Das Label Arts Music, das sich in den letzten Jahren vor allem mit sehr guten bis hervorragenden Einspielungen barocker Kammer- und Konzertmusik einen Namen gemacht hat, legt nun eine Produktion von Bibers Sonaten auf zwei SACDs mit dem Geiger Riccardo Minasi und dem von der Cellistin Elena Russo gegründeten Ensemble Bizzarrie Armoniche vor. Die Liste bereits vorhandener Aufnahmen wird dadurch um eine erstaunlich vielfarbige, technische einwandfreie und vor allem musikalisch überzeugende Werkwiedergabe bereichert.

Vielleicht einer der größten Streitpunkte unter den Interpreten ist die Besetzung der Continuo-Gruppe, die – ausgehend von dem Umstand, dass es sich bei Bibers Sonaten um Meditationsmusiken für die Andachten der Salzburger Rosenkranz-Bruderschaft gehandelt hat – von Geigern wie Andrew Manze sehr puristisch aufgefasst wird, während andere Musiker sich eher auf die italienischen Wurzeln dieser frühen, wahrscheinlich in den Siebzigerjahren des 17. Jahrhunderts entstandenen Violinmusik aus dem süddeutsch-österreichischen Raum besinnen möchten und daher für klanglichen Abwechslungsreichtum plädieren. Beide Ansätze haben in historischer Hinsicht ihre Berechtigung, doch wurden die Sonaten bislang nie mit solchem atemberaubenden Klangwirkungen präsentiert wie in der vorliegenden Einspielung.

Klangliches Konzept

Aufgrund der variantenreichen Instrumentenwahl – im Ensemble sind als Harmonieinstrumente Cembalo und Orgel (Davide Pozzi), Regal (Matteo Riboldi), Harfe (Margret Köll) und Theorbe (Gabriele Palomba) sowie als Bassinstrumente Violoncello (Elena Russo), Viola da gamba und Lirone (Rodney Prada), Halbbass (Ludovico Minasi) und in einem Fall auch Posaune (David Yacus) besetzt – erhält jede einzelne der 15 begleiteten Sonaten ein individuelles Erscheinungsbild, das jedoch geschickt in den Kontext eingepasst wird. Daher bleibt die Gruppierung in dreimal fünf Sonaten (zu den freudenreichen, den schmerzensreichen und den glorreichen Mysterien des Rosenkranzes) von der Basis-Instrumentation her erkennbar, während zugleich durch Hinzunahme bestimmter Klangfarben eine gewisse Dramaturgie innerhalb der Gruppen erkennbar wird. Am deutlichsten tritt dies in den Sonaten der schmerzreichen Mysterien zu Tage, wo der Hörer in der Abfolge eine deutliche Entwicklung nachvollziehen kann, die von Christi Klage am Ölberg (Sonata VI) bis zur Kreuzigung (Sonata X) führt.

Eine Besonderheit ist die Verwendung der Posaune als Bassinstrument in Sonata XI (‚Die Auferstehung’), was der Anbindung an die sakrale Sphäre – kompositorisch ist sie durch Einbeziehung des Chorals ‚Surrexit Christus hodie’ realisiert – mehr Nachdruck verleiht und sich auch in klanglicher Hinsicht als überzeugende Lösung erweist. Etwas kritischer muss man vielleicht den zweimaligen Einsatz der Viola d’amore als Soloinstrument anstelle der Violine in den Sonaten XII (‚Christi Himmelfahrt’) und XIV (‚Mariae Himmelfahrt’) betrachten: Minasi greift in den beiden Himmelfahrts-Sonaten zu dem mit Resonanzsaiten versehenen Streichinstrument und verstärkt dadurch die Wirkungen der von Biber vorgesehenen, von der Norm abweichenden Saitenstimmung (Scordatur). Auch wenn dies weit über die Angaben im Manuskript des Komponisten hinausgeht, macht es im klanglichen Gesamtkonzept der Einspielung durchaus Sinn und bringt insbesondere die Fanfarenklänge von Sonata XII verstärkt zur Geltung.

Musikalische Umsetzung

Minasis Zugang zu dem schwierigen Violinpart der ‚Rosenkranz-Sonaten’ ist souverän und überzeugend: Er richtet zwar seine Aufmerksamkeit auf die technischen Details und Besonderheiten, in denen für die damalige Zeit wahrhaft unerhörte Aufgabenstellungen formuliert sind und lässt diese mitunter sehr deutlich hervortreten; zugleich schafft er es jedoch, sie als violinistisches Stilmittel der musikalischen Bedeutung und dem vorherrschenden Affekt unterzuordnen, so dass die Virtuosität nicht zum illustrativen Selbstzweck wird, wie dies etwa in der bisweilen arg manieristischen Interpretation von Reinhardt Goebel (Archiv Produktion, 1991) der Fall ist. Darüber hinaus sind entsprechende Passagen – so etwa in der extrem virtuosen Sonata XIII (‚Die Aussendung des Heiligen Geistes’) – immer in das klangliche Konzept des jeweiligen Stückes eingebunden und funktionieren immer in Wechselwirkung mit der Continuo-Gruppe.

Wie überlegt dies alles tatsächlich ist, wird dann deutlich, wenn man das Wechselspiel von Violine und begleitendem Ensemble betrachtet: Da treten etwa in Sonata XIV ganz überraschend die tänzerischen Elemente hervor und verleihen den Freuden über Mariae Himmelfahrt eine sehr sinnliche Komponente. Und die als Imitation von Trompetenfanfaren konzipierte Solostimme von Sonata XII wird durch geschlagene Basssaiten angereichert – ein Element, das Biber selbst in seiner 1673 komponierten ‚Battalia’ vorgeschrieben hat – und erhält durch die resultierende Trommelwirkung einen verstärkt feierlichen Duktus.

Insbesondere aber bei der Darstellung der zahlreichen Ostinato-Variationssätze laufen die Musiker zur Höchstform auf. Die als ‚Ciacona’ konzipierte Sonata V (‚Der zwölfjährige Jesus im Tempel’) mit ihrem diminuierenden Ende ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie facettenreich dies wirken kann, doch auch an anderen Stellen zeichnen die Musiker die Spannungsverläufe genau nach und kosten dabei die dynamischen Grenzbereiche aus. So ist die expressive Ausdeutung von Christi Klage in Sonata VI besonders gelungen, weil sie von der illustrativen Manier eines nach außen gerichteten Lamentos in eine nach innen gerichteten Meditation über den Tod umschlägt, was sich durch Übergang des farbigen Klangs von Violine und Ensemble in einen fast verlöschenden Dialog, der nur von Violine und Theorbe gestaltet wird, äußert.

Editorische Aspekte

Dass dies alles in einem brillanten und räumlich gestaffelten Klangbild eingefangen wurde, ist ein weiterer Pluspunkt für die Veröffentlichung. Darüber hinaus bleibt – neben dem sehr guten Booklet – als positiver Aspekt zu erwähnen, dass man sich bei der Wiedergabe der Sonaten auf zwei Tonträgern an die zusammenhängenden Fünfergruppen gehalten hat. Das scheint zwar eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ist jedoch bei vielen Einspielung von Bibers Zyklus leider nicht realisiert worden, weil die Label dazu neigen, die Musik gleichmäßig zu verteilen, wodurch die Sonaten der schmerzensreichen Mysterien häufig auseinander gerissen werden. Bei der Produktion von Arts Music liegt dagegen die Priorität eindeutig darin, die musikalisch-klangliche Einheit der gruppierten Werke zu verdeutlichen. Und das ist angesichts der überlegten Instrumentation auch gut so.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    von Biber, Heinrich Ignaz Franz : Rosenkranz Sonaten

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
Aufnahmejahr:
Arts music
2
14.03.2008
125:00
2005
Medium:
EAN:
BestellNr.:

SACD
600554773582
47735-8


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"Heinrich Ignaz Franz von Biber gehört zu den größten Geigenvirtuosen des Barock und entwickelte als solcher die Geigentechnik seiner Zeit entscheidend weiter. Er übertraf sowohl hinsichtlich der Fantasie als auch des kompositorischen Niveaus die Werke seine Zeitgenossen um ein Vielfaches. Die Rosenkranz Sonaten, die jetzt bei ARTS Music veröffentlicht werden, zeigen dies ganz besonders. Technisch höchste Anforderungen an die Instrumentalisten stellend, schöpfen sie 14 verschiedene Umstimmungen der Saiten (=Scordaturen) aus. Das Ensemble Bizzarie Armoniche und der Geiger Riccardo Minasi haben sich dieser anspruchsvollen Musik angenommen. Sie hauchen dem heute wohl bekanntesten Werk von Heinrich Ignaz von Biber, das bis zu seiner erstmaligen Veröffentlichung 1905 völlig unbekannt waren, neues Leben ein. Erleben Sie diese fantastische Musik auf 2 Hybrid-SACDs in brillianter 24Bit / 96kHz Technik. "


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Arts music

ARTS wurde 1993 gegründet. Seither haben wir mehr als 6200 Tracks (das sind über 400 Datenträger) mit Klassischer Musik der letzten 5 Jahrhunderte veröffentlicht. Neben Alter Musik und Zeitgenössischem befindet sich in unserem Katalog auch Musik der größten Interpreten der letzten Jahrzehnte sowie Musik sehr erfolgreicher junger Künstler, die Ihren künstlerischen Zenith noch vor sich haben und diesen mit uns verbringen werden. Die Musikrichtungen reichen von Sakral bis Oper, Kammermusik bis Symphonik, Lied bis Operette. Große Werke Mozarts, Beethovens, Schuberts usw. sind ebenso vertreten wie Raritäten von Rossini, Verdi, Händel und vielen mehr.
Die ARTS Produkte heben sich nicht nur durch ihre exquisiten Inhalte und den herausragenden Künstlern und Interpreten hervor, sondern zeichnen sich auch durch die bisher unübertroffenen, kristallklaren 24bit/96kHz Aufnahmetechnik sowie der außerordentlichen Gestaltung der Booklets in vier bis fünf unterschiedlichen Sprachen aus.
Jedes Jahr veröffentlichen wir zwischen 25 und 30 neue Titel auf CD, Hybrid SACD, DVD-Video oder DVD-Audio, die sowohl bei der nationalen als auch der internationalen Presse großen Anklang finden.
Mit unserem starken künstlerischen Hintergrund haben wir die höchsten erstrebenswertesten Ziele erreicht: den Aufbau eines internationalen Vertriebsnetzwerkes sowie die Etablierung und Platzierung der Marke ARTS im internationalen Markt.


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