
Bruckner, Anton - Sinfonie Nr. 9 d-Moll
Wand & Bruckner
Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Und wieder Günter Wand und Anton Bruckner: Ein interpretatorisch absolut geglückter Mitschnitt eines Konzerts mit den Münchner Philharmonikern aus dem Jahr 1998.
Günter Wand (1912-2002) war bis kurz vor seinem Tod als einer der prägenden Bruckner-Dirigenten künstlerisch aktiv, bereicherte das Repertoire mit verschiedenen angesehenen Orchestern und war in seiner interpretatorischen Konsequenz gleichzeitig eine unbeirrbare Richtgröße. Ergänzend zu Wands inzwischen gut dokumentierten Konzert- und Aufnahmeaktivitäten mit dem NDR-Sinfonie-Orchester und den Berliner Philharmonikern erscheint derzeit bei der ‚Profil-Edition Günter Hänssler’ eine Reihe mit den Bruckner-Konzerten, die Wand Ende der 1990er Jahre mit den Münchner Philharmonikern aufnahm.
Mit der 9. Symphonie Anton Bruckners kommt ein Werk zu Gehör, das in seiner erratischen, schroffen Größe auch im Reigen der anderen symphonischen Werke des österreichischen Komponisten einen besonderen Status beanspruchen darf. Wand dirigierte, darin seinem musikalischen Lehrer Siegmund von Hausegger folgend, Bruckners Symphonien nur in den von den Eingriffen der Adepten und Schüler des Komponisten nicht entstellten Fassungen, die Robert Haas, Leopold Nowak und Alfred Orel vor allem in den 1930er Jahren herausgaben.
Bruckners Symphonien reizen vermutlich jeden Dirigenten – bieten sie doch größte Möglichkeiten in dynamischer Hinsicht, eröffnen sie auch dem Dirigenten persönlich deutliche Entfaltungsmöglichkeiten. Nicht selten erschöpfen sich Aufführungen dieser symphonischen Schwergewichte jedoch im bloßen Zurschaustellen der klanglichen Möglichkeiten eines Orchesters, in der Konzentration auf die vermeintlichen Höhepunkte der Komposition. Aber all das verkennt vor allem die strukturelle Komponente, den architektonischen Großbau der Sätze, ja den über die einzelnen Sätze hinausweisenden Kontext des gesamten Werkes.
Günter Wand hat in seiner Karriere einen langen und beschwerlichen Weg zu ‚seinem’ Bruckner eingeschlagen, hat sich die Symphonien allmählich erarbeitet, sie dem Notentext abgerungen und ist vergleichsweise spät zu seinen – dann allerdings unmittelbar richtungsweisenden – Interpretationen gelangt, die seine sensationelle Alterskarriere begründeten. Wand ist ein Meister der Proportionen, er disponiert klug und mit Weitsicht, gestaltet eine klare Ordnung der Tempi und ein dynamisches Tableau, das den Zusammenhang der gesamten Symphonie berücksichtigt. Und so unterscheidet sich diese 9. von manch anderer: Wand sucht nie den primären Effekt, bezieht die verschiedenen musikalischen Ebenen aufeinander und versteht es auf diese Weise, auch enorm ausgreifende Sätze wie das einleitende ‚Feierlich. Misterioso’ zwingend zu einer Einheit zu formen. Seit dem bahnbrechenden, noch heute hörenswerten Bruckner-Zyklus, den Wand mit dem WDR-Sinfonie-Orchester Ende der 1970er Jahre aufnahm hat dieser kluge Musiker eine eigenständige Auffassung der Musik Bruckners entwickelt und diese mit seinem Alterswerk immer wieder auf hohem Niveau dokumentiert.
Starke Partner
Mit den Münchner Philharmonikern dirigierte er dabei ein Orchester, das etliche Erfahrungen mit Bruckners Musik hat. Und so kommen alle notwendigen Qualitäten zum Tragen – ein weicher, verschmelzungsfähiger Klang, geschlossene Register, weiche dynamische Abstufungen, rhythmische Prägnanz in der charakteristischen Thematik Bruckners und vieles mehr. Interessant in diesem Zusammenhang auch: Die Celibidache-Prägung des Orchesters ist in der vorliegenden Aufnahme nicht hörbar – der im Vergleich nüchterne, reflektierte Ansatz Wands wird mühelos umgesetzt. Vielleicht liegt das auch an den deutlich strafferen Tempi, die Wand im Vergleich zu Celibidaches sinnlicheren Interpretationen wählt.
Kleinere Einschränkungen sind der Live-Situation der Aufnahme geschuldet: Es gibt einige Wackler in den Holzbläsern, auch intonatorisch agieren sie in manch kompositorisch durchbrochener Unisono-Passage nicht ganz überzeugend.
Dennoch: Mit dieser Neunten ist ein wichtiges Dokument der späten Schaffensphase Günter Wands verfügbar, das wiederum unterstreicht, wie sehr der auf Grund seiner Öffentlichkeitsscheu vielfach unterschätzte Dirigent das Nachdenken über die Interpretation der Symphonien Bruckners vorangebracht und geprägt hat.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bruckner, Anton: Sinfonie Nr. 9 d-Moll |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: |
Profil - Edition Günter Hänssler 1 64:11 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
881488604559 PH06045 |
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