
Schubert, Franz - Die schöne Müllerin op. 25 D 795
In sich gefangen
Label/Verlag: Challenge Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Christoph Prégardiens ebenso intensive wie distanzierte zweite Müllerinnen-Einspielung
Schon einmal, 1992, hat Christoph Prégardien Schuberts ersten Liederzyklus ‚Die schöne Müllerin‘ eingespielt - mit außerordentlich großem Erfolg. ‘This is nothing short of superb’ lobte Gramophone, und seitdem ist Prégardiens Müllerin eine Referenzaufnahme dieser oft eingespielten Lieder geworden. Jetzt, gut fünfzehn Jahre später, hat Prégardien den Zyklus noch einmal aufgenommen, und beinahe möchte man meinen, diese Aufnahme sei noch intensiver, aber gleichzeitig auch distanzierter geworden. Prégardiens Müller ist kein getriebener, gehetzter, überhitzter junger Mann, der von einem emotionalen Zustand in den nächsten fällt. Im Gegenteil: Prégardien singt ihn rational, unterkühlt, beinahe möchte man sagen: perfekt und rückt ihn dadurch in die Ferne. Prégariens Müller ist unnahbar, und auch sein Innenleben bleibt über weite Strecken ein Rätzel. Die Kühle erschrickt und zieht einen in Bann. Diejenigen Stellen, die Prégardien besonders hervorhebt, wirken weniger emotional-bewegend als vielmehr beunruhigend. So beispielsweise im sechsten Lied ‚Ungeduld‘. Der gestalterische Höhepunkt ist nicht, wie bei unzählig anderen Interpreten, das ‘Dein’ in der Wiederholung der Phrase ‘Dein ist mein Herz’, sondern das ‘ewig’, wenn der Müller singt, ‘und soll es ewig, ewig bleiben’. Prégardien singt das Wort geradezu pathetisch - ganz im Unterschied zu seinem sonstigen, völlig klaren und unpathetischen Gesangsstil. Wer diesen Müller hört, fühlt sich unversehens in der Rolle der Müllerin versetzt, der ganz unheimlich zu Mute wird, wenn ihr von einem jungen Mann beteuert wird, er wolle vor allem eines: Dass die Liebe ewig, ewig hält. Das ist nichts anderes als eine Drohung, und so wird es auch von Prégardien gesungen.
Wenn eine Emotion ausgedrückt wird, dann ist es in vielen Fällen Autoaggression. Konsequent dazu sind die letzten Lieder des Zyklus stark und energiereich gesungen. Die Klavierbegleitung von Michael Gees ist klar und eher hart (vor allem der Schluss einiger Lieder). Die Bachmotive haben nichts anheimelndes, sondern bleiben durchsichtig und transparent, wie ein kalter Gebirgsbach. Das fördert den Eindruck der Kühle, die von dieser Interpretation des Zyklus ausgeht.
Zu dieser Interpretation passt es nun, dass sich Prégardien auf eine Tradition besonnen hat, die heutzutage vergessen ist: Dass die Sänger zu Schuberts Zeiten die Melodien seiner Lieder stellenweise verziert gesungen haben. Und so setzt Prégardien denn auch sparsam, aber doch deutlich Durchgangsnoten, Triller, Doppelschläge usw. ein, nicht nur, aber vor allem bei den Strophenliedern. Die Klavierbegleitung folgt ihm darin. Diese Verzierungen wirken für jemanden, der den Liederzyklus kennt, beim ersten Hören überraschend und vielleicht sogar unnötig, aber sie passen zu dem Portrait des Müllers, das Prégardien zeichnen möchte. Die Verzierungen fördern den Eindruck, dass hier ein introvertierter Wahnsinniger gezeichnet wird, der in seiner inneren Welt gefangen ist.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Schubert, Franz: Die schöne Müllerin op. 25 D 795 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Challenge Classics 1 01.03.2008 61:39 2007 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
SACD
608917229226 CC 72292 |
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Schubert, Franz |
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"Christoph Prégardiens zweite „Schöne Müllerin“ in verzierter Fassung 20 Jahre nach seiner Aufnahme mit Andreas Staier, schenkt uns Christoph Prégardien eine zweite Einspielung der “Schönen Müllerin” voller Klarheit und Wärme, die die improvisierten Ornamente natürlich einbindet. Mit dem Pianisten Michael Gees verbindet ihn eine lange Partnerschaft, die hier auf wunderbare Weise zum Tragen kommt. " |
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