
Franck, Melchior - Bußpsalmen Nürnberg 1615
Glücksfall
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Glücksfall für das Repertoire: Manfred Cordes und sein Ensemble ‚Weser-Renaissance’ spielen die gewichtigen Bußpsalmen von Melchior Franck ein.
Die Suche nach neuen Impulsen für das Repertoire beschäftigt eine große Zahl produktiver Musiker und bringt immer wieder erstaunliche Ergebnisse hervor. Manfred Cordes gehört zu jener Kategorie von Musikern, deren musikwissenschaftlicher Hintergrund es ihnen erlaubt, nach solchen Schätzen zu suchen, die durch ihre reiche musikalische Erfahrung und intensive interpretatorische Arbeit aber auch jederzeit in der Lage sind, solche bisher unbekannten Kompositionen auf einem hohen Niveau einzuspielen. Solch ein Beispiel sind die Bußpsalmen von Melchior Franck und die Interpretation auf der vorliegenden Platte.
Franck, 1579/80 in Zittau geboren, erfuhr ab 1601 entscheidende Prägungen durch Hans Leo Hassler, ging aber schon 1603 nach Coburg, wo er Kapellmeister am Hof des Herzogs von Sachsen-Coburg wurde. Hier entfaltete er eine reiche musikalische Produktivität, schuf eine große Zahl geistlicher und weltlicher Werke. Nach schweren Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges und dem Tod seines Herzogs starb Franck 1639 in größter Armut. Etliche seiner Werke sind bekannt, umso höher ist die Entdeckung Cordes’ einzuschätzen: Franck veröffentlichte 1615 eine Sammlung von zwanzig, fast durchgängig sechsstimmigen Motetten, die er über die Texte der sieben Bußpsalmen schrieb. Unter den teils bekannten überlieferten Vertonungen der Bußpsalmen – die Komposition Orlando di Lassos sei erwähnt – kann die Arbeit Francks einen durchaus prominenten Platz beanspruchen. Denn es sind vielgestaltige Sätze, die auf einer soliden kontrapunktischen Basis aufbauen. Doch auch textgebundene Expressivität hat ihren Platz, etwa in stark rhythmisierten, homophon-deklamatorischen Passagen. Es ist kompositorisch sehr gewichtige Musik, die in ihrem engen Verhältnis von Text und Musik deutlich in einer Reihe mit wichtigen Sammlungen anderer Zeitgenossen steht: Etwa mit dem ‚Israelsbrünnlein’ von 1623 aus der Feder Johann Hermann Scheins oder der großen, kompositorisch bewusst retrospektiv gestalteten ‚Geistlichen Chormusik’, die Heinrich Schütz im Jahr 1648 veröffentlichte. Francks Potential braucht den Vergleich der nur wenig jüngeren, in der heutigen Wahrnehmung deutlich präsenteren Kollegen nicht zu scheuen. Nur das gezeigt zu haben wäre bereits ein großes Verdienst Manfred Cordes’.
Gekonnt
Doch er liefert eine mustergültige Ersteinspielung gleich mit. Die erfahrenen Vokalisten agieren mit einer geschlossenen, gemeinsamen Klangvorstellung, intonieren im Ensemble glänzend. Aber die variable Konzeption der Besetzung ermöglicht es den Sängerinnen und Sängern auch, ihr solistisches Potential gut dosiert einzubringen. Hier bewährt sich Cordes’ Umgang mit den einzelnen Sätzen: Er besetzt sie variabel, verändert den vokalen und instrumentalen Anteil farbig und abwechslungsreich. Das lässt in der Abfolge des Zyklus’ ein dynamisches musikalisches Tableau entstehen und strukturiert die Folge der Motetten sehr gelungen.
Die Instrumente treten dezent hinzu, agieren nicht vordergründig, beteiligen sich gleichberechtigt am musikalischen Geschehen. Die sehr gemeinsame Phrasierung überzeugt ebenso wie die aktive, jedoch nicht dominante Artikulation.
In der Summe nicht weniger als eine maßstabsetzende Interpretation einer sehr wichtigen Bereicherung des Repertoires: Gut, dass eine so gewichtige Sammlung in so kompetente Hände geraten ist.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Franck, Melchior: Bußpsalmen Nürnberg 1615 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.01.2008 |
Medium:
EAN: |
CD
761203718122 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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