
Märchen. Tiere - Saint-Saens: Karneval/Ravel: Ma mère l'oye
Märchenstunde mit Onkel Björn
Label/Verlag: Musicaphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Björn Engholm engagiert sich seit seinem Rückzug aus der Politik u.a. in den Bereichen Kirche und Kultur, er organisiert Kunstausstellungen, veranstaltet Jazz-Gottesdienste. Nun hat er sich Saint-Saëns Komposition ‘Karneval der Tiere’ vorgenommen.
Schluckt man Kreide, dann gelangt sie in die Speiseröhre, von da aus in den Magen, wo sie verdaut wird. Der Verzehr von Kreide verändert übrigens nicht den Stimmklang, höchstens das Wohlbefinden. Die Sache mit dem Wolf, wie aus dem Märchen bekannt, funktioniert also nicht. Das Syndrom des Kreideessens kann man dessen ungeachtet zur Problematik der Essstörungen zählen, die unter dem Namen ‘Picasyndrom’ subsumiert werden: Manche Menschen neigen dazu, sich Dinge einzuverleiben, die ihnen nicht gut bekommen. Im übertragenen Sinne kann das auch für Politiker gelten, die in der Abenddämmerung ihrer Popularität selbige durch Rezitieren kultureller Texte aufzupolieren versuchen. Björn Engholm engagiert sich seit seinem Rückzug aus der Politik im Jahre 1993 u. a. in den Bereichen Kirche und Kultur. Er organisiert Kunstausstellungen, veranstaltet Jazz-Gottesdienste usw.
Nun hat er sich Saint-Saëns Komposition ‘Karneval der Tiere’ vorgenommen, deren Texte er bearbeitet hat. In einem Interview gestand er: ‘Das haben vor mir zwar schon Camille Saint-Saëns, Peter Ustinov und Loriot getan - aber ich dachte, was die können, kann ich auch.’ Man sollte sich diesen Satz einmal genau durchlesen! Statt auf Loriots klassisch gewordene feine oder Peter Ustinows raffinierte Textfassung zurückzugreifen oder einmal die Originaltexte zu lesen, liefert Engholm Verse aus der häuslichen Reim-Schmiede. Der Karneval der Tiere wird in Björn Engholms Fassung zum ‘Multi-Kulti’ -Ereignis im ‘gelobten Land’ der Musik. Hier nun kann Engholm und sein ‘kreidiger’ nordischer Humor sich austoben. An wen Björn Engholm wohl dachte, als er dem Löwen unterstellte, dass dieser seine Haare färbte? Man weiß es nicht? Genauso wenig, was ‘Björni’ dazu bewegte das zweite Stück ‘Hennen und Hühner’ mit Hühner-Hiphop zu titulieren oder im Lübecker ‘Buddenbrock-Haus’ Marder zu vermuten und im Günter Grass-Haus Ratten. (Stück 11). Die Pisa-Studie, Justus Frantz und das Musikfestival usw. werden auch verwurstet, aber auch Richard Clayderman (Stück 8), der ‘Knuddelbär’ Knut (Stück 4), André Rieu, der das Herzblut der Schwäne zu Musik verarbeitet (Stück 13), witzig ist das alles nicht, vor allem nicht, wenn es im trockenen nordischen Sing-Sang von Engholms Stimme vorgetragen wird. All das mag gegebenenfalls einen lokalen Reiz haben und interessiert allenfalls Fans von Björn Engholm als anrührendes Dokument einer Auseinandersetzung mit nordischem Kolorit, aber mehr auch nicht. In der Nacht nach dem Anhören der CD hatte ich einen wüsten Alptraum, in dem ich mir eine Aufführung des Werkes in der Bearbeitung von Helmut Kohl anhören musste, natürlich mit dem Bundeskanzler a. D. als Sprecher.
Überhaupt passt der stets bedeutsam angespannte Rezitationston Björn Engholms überhaupt nicht zu sensiblen Klängen der Musik. Auf ähnliche Weise wird auch Maurice Ravels wunderschöne Komposition ‘Ma mère l’oye’ exekutiert. Das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck unter der Leitung seines Chefs Roman Brogli-Sacher lieferte solide Orchesterleistung und gute Klangpräsenz.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Märchen. Tiere: Saint-Saens: Karneval/Ravel: Ma mère l'oye |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
Musicaphon 1 02.01.2008 59:42 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
SACD
4012476569024 M56902 |
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"Camille Saint-Saëns komponierte seinen »Karneval der Tiere« 1886 für ein Hauskonzert. Dort fand vorerst auch die einzige Aufführung des Stückes statt, hatte doch der Komponist zu Lebzeiten die Veröffentlichung seines Werkes untersagt. Als Begründung hierfür gab er an, er fürchte, die Suite könne derart populär werden, dass seine anderen, gewichtigeren Werke nicht genug beachtet würden. Tatsächlich ist der „Karneval der Tiere“ heute, 70 Jahre nach seinem Tod, Saint-Saëns‘ bekanntestes Werk. Ursprünglich war „Ma mère l´Oye“ eine Suite für Klavier zu vier Händen, die Maurice Ravel 1908 für die beiden Kindern seines Freundes Cyprian Godebsky schrieb und mit Pavane de la Belle au bois dormant betitelte. Den späteren Titel verdankt sie der in Frankreich bis heute populären Märchensammlung von Charles Perrault (1628-1703), „Meine Mutter, die Gans“ aus dem frühen 17. Jahrhundert. 1911 schrieb der Komponist eine Orchesterfassung, ein Jahr später erweiterte er diese außerdem zu einer siebenteiligen Ballettmusik. Am 29. Januar 1912 wurde das Werk am Theatre des Arts in Paris uraufgeführt. Den fünf kleinen Stücken, die die Klaviersuite bilden, ist in der Orchesterfassung ein Präludium und ein Spinnrad-Tanz vorausgestellt; ferner sind sie durch Zwischenspiele verbunden." |
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Musicaphon Ende der 50er Jahre gründete Karl Merseburger, Inhaber des Tonkunstverlages in Darmstadt, das Label CANTATE. Etwa zur gleichen Zeit rief Karl Vötterle (Bärenreiter-Verlag) in Kassel MUSICAPHON ins Leben. In beiden Fällen sollte vorrangig das jeweilige Verlagsprogramm auf Tonträgern dokumentiert werden. Nachdem Merseburger den Tonkunstverlag 1963 aufgeben mußte, übernahm Bärenreiter das Label CANTATE und führte beide gemeinsam unter dem Dach der 1965 gegründeten Vertriebsfirma "Vereinigte Schallplattenvertriebsgesellschaft Disco-Center" fort. Auf beiden Labels erschienen in den 60er und 70er Jahren bedeutende Aufnahmen. Besondere Schwerpunkte setzte Wilhelm Ehmann, Leiter der Westfälischen Kantorei in Herford, mit seinen historischer Aufführungspraxis verpflichteten Interpretationen der Werke von Heinrich Schütz. Bach-Kantaten wurden von Helmuth Rilling mit der Gächinger Kantorei und dem Figuralchor der Gedächtniskirche Stuttgart eingespielt. MUSICAPHON gewann daneben Profil mit der Veröffentlichung musikethnologischer Aufnahmen, herausgegeben von der UNESCO (Musik des Orients und Musik Afrikas) bzw. vom musikwissenschaftlichen Institut der Universität Basel (Musik Ozeaniens und Musik Südostasiens). 1994 erwarb der Musikwissenschaftler Dr. Rainer Kahleyss (Kassel) die Label, 1996 auch die Vertriebsfirma von Bärenreiter, die jetzt als "Klassik Center Kassel" firmiert. Seitdem werden auf CANTATE geistliche Musik, auf MUSICAPHON weltliche Musik vom Frühbarock bis zur Gegenwart veröffentlicht. Auch für die Rezeptionsgeschichte bedeutsame Aufnahmen der Altkataloge werden sukzessive auf CD umgestellt. Mehr Info... |
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