
Brahms, Johannes - Vokal-Quartette
Brillanten mit Katzengold
Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Brahmsquartette mit Klavierbegleitung gehören nicht zum Alltagsrepertoire der Konzertsäle. Der Kammerchor Stuttgart bietet eine sehr klangintensive Interpretation, wobei er leicht ins Kitschige zu rutschen droht.
Kaum eine andere Gattung der Musik dürfte der Erfindung von Tonträgern so dankbar sein wie die anspruchsvolle Kammermusik. Für die meisten Konzertsäle nicht effektvoll genug und für die Hausmusik zu schwierig, verbrachten viele Werke hervorragender Komponisten die meiste Zeit in den Archiven. So ähnlich mag das Schicksal es für die Quartette für vier Stimmen mit Klavier von Johannes Brahms vorgesehen haben. Aber auf derart negative Eigenschaften reduziert täte man den Werken des romantischen Tonsetzers Unrecht. Die anspruchsvollen kurzen Stücke in ihrer kleinen Besetzung bieten mehr als nur reizvolle Unterhaltung.
Die zwischen 1864 und 1888 entstandenen vier Quartette basieren auf Texten unterschiedlicher Dichter. In der Wiedergabe orientiert sich das Ensemble um Frieder Bernius vor allem am Stimmungsgehalt der Inhalte. Die äußerst saubere Interpretation des Kammerchores Stuttgart weiß durch einen vollen Klang mit ausbalancierter Dynamik in den Singstimmen zu überzeugen. In verschiedenen Passagen dagegen stellt das Vokalensemble durch kraftvolle Interpretation das Klavier, gespielt von Andreas Rothkopf, zu sehr in den Hintergrund, wodurch manch filigrane Begleitung verloren geht. Die Singstimmen stehen en bloc vor der Begleitung, wodurch schließlich nicht nur die Transparenz des gesamten Ensembles verloren geht. Oft kann der Hörer nicht einmal mehr feststellen, ob es sich um eine solistische oder eine chorische Besetzung handelt. Mit fast schon impressionistischer Flächenwirkung beschwören die Schwaben den Rausch der Romantik, als gelte es, das Schöne noch schöner zu machen. Dass diese Aufnahme dennoch nicht langweilig wird, liegt nicht nur an der Präzision der Intonation. Die im Charakter recht unterschiedlichen Stücke sind zwischen zwei und sechs Minuten lang und werden als kleine Einheiten für sich präsentiert. Wie ein kleiner Spannungsbogen über die einzelnen Quartette, verbunden durch ein geschlossenen Interpretationskonzept, entstehen immer wieder neue Glanzpunkte.
Die verlorenen Details in der musikalischen Interpretation wirken wie ein bewusstes Konzept. Nichts soll von den schwelgenden Stimmungsbildern ablenken. Es finden sich im Booklet recht kurze Einführungen für die Quartettkompositionen, die mehr hinführend als erklärend sind. Vor allem der Wert der Brahmsschen Kammermusik wird deutlich hervorgehoben, allerdings bleibt jede Erklärung aus, warum man vor allem auf die reifen Werke dieser Gattung, op. 112 Nr. 3-6 verzichtete. Ebenso wurde auf den Abdruck der Texte selbst sowie die Angabe der Namen der Sänger verzichtet. Das ist schade, denn durch die klanglich kompakte Interpretation geht textlich einiges verloren, was sicherreizvoll gewesen wäre.
Es ist wohl den begrenzten Aufnahmekapazitäten der Langspielplatte zuzurechnen, dass nicht alle Quartette auf der CD enthalten sind. Immerhin stammt diese Aufnahme aus dem Jahre 1983 und ist daher auf die Spieldauer von gut 41 Minuten begrenzt. Lohnenswert bleibt die Anschaffung für alle, denen die fast schon zu schöne Interpretation zusagt und für die es nicht auf die Vollständigkeit des Repertoires ankommt. So erkennt man die Hingabe der Württemberger Musiker als echte Begeisterung für eine Musik, die sich für die fast schon kitschige Interpretation eignet, einer Entscheidung, die nicht zuletzt den 80er Jahren zuzuschreiben sein dürfte. Wer das berücksichtigt, sieht in dieser Aufnahme vielleicht den besonderen Charme einer Generation, die sich vor allem für den vollen Klang begeistern konnte. Diesen für die Kammermusik einzusetzen lässt sich fast schon als Verdienst bezeichnen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Brahms, Johannes: Vokal-Quartette |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Profil - Edition Günter Hänssler 1 17.09.2007 |
Medium:
EAN: |
CD
881488602128 |
![]() Cover vergössern |
Profil - Edition Günter Hänssler Profil - The fine art of classical music
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei... |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Profil - Edition Günter Hänssler:
-
Russische Romantik mit Viola und Klavier in Szene gesetzt: Diese "Weiße Nächte"-Box von Tatjana Masurenko und Roglit Ishay konzentriert sich auf St. Petersburger Komponisten. Weiter...
(Manuel Stangorra, )
-
Ein gut gemeintes Präsent: Die Wiener Symphoniker gratulieren Franz Lehár mit viel Erwartbarem zum 150. Geburtstag. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
'Keine wie sie' : Martha Mödl beseelt mit ihrer künstlerischen Meisterschaft zwei Akte aus 'Siegfried' und 'Parsifal'. Weiter...
(Karin Coper, )
Weitere CD-Besprechungen von Thomas Richter:
-
Sanfter Rilke: Die Brücke von spätexpressionistischem Hindemith bis postmoderner Wittemeier auf Werke von Rainer Maria Rilke zu schlagen gelingt zwei Solisten gemeinsam mit Fabian Dobler. Weiter...
(Thomas Richter, )
-
Unheil in sanften Klängen: Auf originale Instrumenten ließ das Conservatorio U. Giordano di Foggia ein Hochzeitsserenade von 1797 wieder aufleben, sanft und bestimmt durch die Liebe zum Detail. Weiter...
(Thomas Richter, )
-
Alter Dreispitz aufpoliert: Ansermets Einspielung von de Fallas ‘Le Tricorne’ klingt nicht neu, aber immer wieder schön. So gefällt Ballett auch ohne Bühne. Weiter...
(Thomas Richter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Halbfinale: Ein Projekt auf der Zielgeraden: Gregor Meyer steuert mit dem siebten Teil des geistlichen Gesamtwerks von Johann Kuhnau auf das Finale zu. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Abschiedsgabe: Wolfgang Carl Briegel ist sicher einer jener Komponisten, die zu unterschätzen aus heutiger, auf wenige Größen verengter Perspektive, mancher Gefahr laufen könnte. Das Ensemble Polyharmonique setzt dem ein entschiedenes Plädoyer entgegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Um den jüngsten Sohn: Varvara Manukyan ringt mit historischen Ästhetiken in aufnahmetechnisch problematischer Umgebung. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich