
Wagner, Richard - Opernszenen aus ´Tannhäuser´, ´Der fliegende Holländer´ u.a.
Homogene Interpretationen
Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Vor allem die Auszüge aus den ‘Meistersingern von Nürnberg’ zeigen die besonderen Meriten Karl Böhms als Wagner-Dirigent und sind vielen neueren Aufführungen deutlich.
Obwohl der Komponist in Leipzig geboren wurde, gewann Dresden eine besondere Bedeutung für das Werk Richard Wagners – hier feierte er mit der Uraufführung des ‘Rienzi’ einen seiner größten Erfolge, hier wurden in Folge der ‘Fliegende Holländer’ und ‘Tannhäuser’ uraufgeführt und hier konzipierte der Komponist einen großen Teil seines Gesamtwerkes. Bis heute hat die Staatskapelle Dresden einen besonderen Ruf als Wagner-Orchester. Und die Dirigenten, die diesem Orchester seitdem vorstehen, müssen sich an dem Werk des späteren Bayreuther Meisters messen lassen. Bis heute. Leider nicht immer mit Erfolg.
Zwischen 1934 und 1942 leitete Karl Böhm die Staatskapelle Dresden, der auf seine Weise die an der Semperoper zuvor begründete Wagner-Tradition fortsetzte und bis zu seinem Tod Anfang der achtziger Jahre als ein ausgewiesener Experte in Sachen Wagner galt. Von Böhms Qualitäten als Wagner-Dirigent zeugen nicht zuletzt die jetzt in der Edition Günter Hänssler als Folge 22 der ‘Edition Staatskapelle Dresden’ vorgelegten Opernszenen aus den Musikdramen ‘Tannhäuser’, ‘Der fliegenden Holländer’, ‘Lohengrin’ und ‘Die Meistersinger von Nürnberg’, die allesamt zwischen 1938 und 1940 im Studio aufgezeichnet wurden. Vor allem die hier eingespielten Orchesterstücke dokumentieren den ausgesprochenen Sinn des Dirigenten für die Strukturen und den Klang der wagnerschen Musik.
Warmer Wagner-Klang
Die Ouvertüre zum ‘Tannhäuser’ kann als Dokument für die außergewöhnliche Klangqualität der Staatskapelle Dresden gelten: Im sauberen Piano intonieren die Hörner das die Ouvertüre eröffnende Motiv des späteren Pilgerzugs mit rundem Klang. Sorgfältig steigert Böhm die Dynamik des Motivs bis zu seinem Höhepunkt, um anschließend ins Piano zurückzufallen. Überhaupt erweist sich Karl Böhm als ein Meister der Übergänge: Fast unmerklich variiert er die Tempi innerhalb der Ouvertüre, bereitet auf diese Weise geschickt die einzelnen Höhepunkte vor, die er – wie etwa das Preislied Tannhäusers auf Venus – breit ausmusizieren lässt, ohne dabei die Gesamtproportionen des Werkes aus den Augen zu verlieren, so dass in Tempo und Dynamik eine homogen wirkende Interpretation gelingt.
Ähnliche Qualität beweist Böhm bei seiner Auslegung der Ouvertüre zum ‘Fliegenden Holländer’, während die auf diesem Sampler enthaltenen Auszüge aus dem ‘Lohengrin’ deutlich schwächer gelingen, wenn auch die Holzbläser im Vorspiel zum dritten Akt leicht und federnd daherkommen, die Strukturen beim Zug der Frauen zum Münster aus dem zweiten Akt der Oper dagegen aber zu verwischen drohen.
Überraschende ‘Meistersinger’
Die Überraschung der auf dieser CD versammelten Aufnahmen sind sicherlich die Ausschnitte aus den ‘Meistersingern von Nürnberg’. Das Vorspiel zum ersten Akt lässt mehr als nur aufhorchen. Durchhörbar bis in die Nebenstimmen dieser polyphonen Partitur gelingt eine Interpretation mit klaren Akzenten und deutlichen Steigerungen, ohne den Fluss des gesamten Vorspiels auch nur an einer Stelle auszubremsen. Ähnlich wie bei der ‘Tannhäuser’-Ouvertüre gelingt so eine organisch wirkende Interpretation ohne Schnörkel.
Auch der von Josef Herrmann liedhaft interpretierte ‘Fliedermonolog’ des Hans Sachs aus dem zweiten Aufzug der Oper vermittelt ein klares Bild des Interpreten und des sensibel begleitenden Dirigenten der gesamten Szene: Herrmann beginnt den Monolog, von Böhm in äußerst langsamen Tempo begleitet, fast resignativ, den späteren Wahnmonolog vorwegnehmend. Erst im Verlauf der Szene, mit den zunehmenden Versuchen des Sachs, sich über die Qualitäten des in der Singschule im ersten Akt gehörten Liedes des Walther von Stolzing bewusst zu werden, wird auch das Tempo unmerklich drängender, bis es am Ende, bei scheinbarer Klärung der Gedanken, wieder in das Ausgangstempo zurückfällt. Nun aber nicht mehr resignierend, sondern bestimmt und klar. - Szenischer lässt sich Musik kaum lesen.
Das Vorspiel zum dritten Akt, fast kammermusikalisch gestaltet, sowie die Schlussansprache des Hans Sachs, von Hans Herrmann Nissen trotz des Aufnahmejahrs 1938 erstaunlich schlicht und unpathetisch gesungen, runden die Auszüge aus den ‘Meistersingern’ ab. Angesichts der Qualität dieser Interpretationen ist es umso erstaunlicher, dass bisher nur eine Gesamteinspielung der ‘Meistersinger’ unter Karl Böhm (Preiser Records PR90234), der dieses Werk in den siebziger Jahren auch bei den Bayreuther Festspielen dirigiert hat, vorliegt. Schließlich würde man das Werk auf dem Niveau der hier vorliegenden Auszüge gerne auch heute noch in Aufführungen hören – nicht nur in Dresden.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Wagner, Richard: Opernszenen aus ´Tannhäuser´, ´Der fliegende Holländer´ u.a. |
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Label: Anzahl Medien: |
Profil - Edition Günter Hänssler 1 |
Medium:
EAN: |
CD
881488705850 |
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