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Dienstag, 26. September 2023

Balissat, Jean - Sinfonietta

Diffuse Stimmungen


Label/Verlag: VDE-Gallo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die Werke für Streichorchester der Schweizer Komponisten Jean Balissat und Jean Perrin klingen angenehm modern, dabei jedoch einen Schuss zu harmlos

Sieht man sich die Lebensläufe von Jean Perrin (1929-1989) und Jean Balissat an (1936-2007) an, ergeben sich einige Parallelen: Beide wurden im Lausanne der französischsprachigen Schweiz geboren, studierten am dortigen Konservatorium und waren später u. a dort als Lehrer tätig, der gelernte Hornist, Schlagzeuger und Dirigent Balissat für Analyse, Komposition und Orchestration, der Pianist Perrin unterrichtete Klavier. Beide komponierten daneben für unterschiedliche Gattungen und Besetzungen, und beider Werk hat sich offensichtlich bislang über eine regionale wie nationale Bekanntheit hinaus nicht verbreitet. Grund genug für das schweizerische Label VDE-Gallo, um eine 68 Minuten lange CD mit Werken für Streichorchester von Balissat und Perrin zu veröffentlichen, auf der das Arpeggione Kammerorchester Hohenems unter der Leitung von Jean-Francois Antonioli zu hören ist, der, und hier schließt sich der Kreis, zurzeit eine Professur für Klavier am Konservatorium von Lausanne inne hat.     

Zahme Moderne 

Als hätten sich die ähnlichen Lebensläufe auf die Kompositionsstile selbst ausgewirkt, fällt es schwer, zwischen Balissats und Perrins Werken entscheidende Unterschiede festzustellen. Das mag daran liegen, dass beide eine Art weicher Atonalität bevorzugen, die sich von Verfahren wie der Dodekaphonie oder dem Serialismus fernhält, dabei aber weiterhin traditionelle Kategorien wie Melodie, Kontrapunkt und durchgehende Rhythmen verwenden. Dadurch erhält man vor allem in Balissats Sinfonietta und Perrins Trois pieces, beides aus den Sechzigern, den Eindruck einer abgeschwächten Fremdheit, die sich über Bartok, Schostakowitsch und Schnittke, um nur einige zu nennen, längst in den Konzertsälen etabliert hat, und so eigentlich keine mehr ist. Einerseits wird einem dadurch der Zugang zu den in stimmungsvollen Grauschattierungen klingenden Werken der Lausanner erleichtert, andererseits stellt sich natürlich die Frage nach der Originalität bzw. Individualität der Stücke. Und da fällt das Urteil zwiespältig aus, denn das Arpeggione Kammerorchester Hohenems interpretiert die Stücke zwar einheitlich in ausdrucksstarker, detaillierter Adäquatheit, doch   täuscht dies selbstverständlich nicht über den zu hohen Anteil an Statik, an fehlender Dramatik in den meisten Werke hinweg. Nur ungefähr ein Drittel der Musik wirkt bei aller wunderbar gestalteten Dissonanzenschönheit überhaupt prozessorientiert, zielgerichtet, atmet Spannung und Entspannung.

Allerdings gibt es auch durchaus Hörenswertes zu vermelden. So besticht Perrins fein musizierter Valse durch heiteres vor sich hin Dissonieren, und Balissats von Flageolett-Schweben geprägte Träumerei – der Titel bildet die einzige Schumann-Reminiszens – schraubt sich durch die Register spannungsvoll aufwärts. Am humorvollsten gibt sich dann, ebenfalls von Balissat, die Promenade avec Jean-Jacques Rousseau aus dem Jahr 2000, ein Flickenteppich aus acht Fragmenten, die der einzigen Komposition des Aufklärers entnommen sind, der Oper Le Devin du Village (Der Wahrsager des Dorfes). Barockes Original und barockisierende Bearbeitung gehen hier bruchlos ineinander über, einzig in den Übergängen schleicht sich die Moderne manchmal direkt ein.

Für eine erste Auseinandersetzung mit der Musik des 20. Jahrhunderts stellt diese Aufnahme sicher gutes Hörfutter bereit, darüber hinaus können nur die drei oben angeführten Werke überzeugen. Der Rest tendiert in Richtung Belanglosigkeit. Wer mehr über die Kompositionen erfahren will: Im Booklet gibt es ein interessantes Interview des Dirigenten Antonioli mit Jean Balissat aus dem Jahr 2005.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Balissat, Jean: Sinfonietta

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
VDE-Gallo
1
04.05.2009
Medium:
EAN:

CD
7619918119921


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VDE-Gallo

VDE-GALLO Records is a small Swiss company located in Lausanne which is specialized in the recording, the production and the distribution of compact discs. VDE-GALLO Records offers one of the best WORLD MUSIC Collections.
Several CDs and the ethnographic collection also received many awards like LASER D'OR or CHOC MUSIQUE and the International Prize Charles Cros of Paris.
With more than 42 years activity, VDE-GALLO Records owns more than 1300 interesting productions and a beautiful CLASSICAL Catalogue with many first recordings.


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