> > > Strawinsky, Igor: Le Sacre du printemps
Freitag, 2. Juni 2023

Strawinsky, Igor - Le Sacre du printemps

Herrschaft des Elementaren


Label/Verlag: Tudor
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Eine Frühlingsfeier, an der man sich berauschen kann: Die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott inszenieren mit Strawinskys Le Sacre du Printemps effektvoll die Herrschaft des Elementaren.

Als Beobachter wäre wohl jeder Strawinsky-Fan am 23. Mai 1913 gerne dabei gewesen, als es bei der Uraufführung von Le Sacre du Printemps unter Piere Monteux im Pariser Théâtre des Champs-Élysées zur oft zitierten skandalösen Publikumsschlägerei kam. Ob den Impuls dazu alleine die Ballettmusik oder nur die Choreographie von Vaslav Nijinsky gab, bleibt wohl für immer im Unklaren, wahrscheinlich aber wird es beides zusammen gewesen sein. Heutzutage findet man das Sacre leider nur noch sehr selten getanzt auf der Bühne, dafür umso öfter im Konzertsaal. Vielleicht liegt es an der ungewöhnlich umfangreichen Besetzung, die in einen Orchestergraben nur schwer hineinpassen möchte, und mit jeweils 18 Holz– sowie Blechbläsern plus reichlich Schlagwerk die normale Größe eines Sinfonieorchesters übersteigt. Vermutlich jedoch eher, weil die tänzerische Umsetzung extreme Schwierigkeiten bereitet, auch wenn beim Hören des Sacre selbst vermeintlich unmusikalische Zeitgenossen ihre Extremitäten nicht vor einem Zucken bewahren können.    

´Bilder aus dem heidnischen Russland´

Unter ihrem englischen Chefdirigenten Jonathan Nott haben die Bamberger Symphoniker (seit 2003 zugleich die bayerische Staatsphilharmonie) bei Tudor bislang relativ viele Einspielungen vorgelegt, darunter den kompletten Zyklus der Sinfonien Franz Schuberts. Nun liegt mit Nott, der als Experte für neue Musik gilt, auch Strawinskys Le Sacre du Printemps als SACD in wunderbarer Klanqualität vor. Zwar brechen die Blechbläser im Fortissimo der Tutti zuweilen ins Grelle aus, doch ansonsten hört man dem traditionsreichen Klangkörper keinerlei Ausrutscher an. Nott gelingt jenseits rhythmischer Ungenauigkeiten eine packende Inszenierung des mit hochartifiziellen Mitteln erzeugten Barbarischen. Gleich in der Introduktion des ersten Teils ´Die Anbetung der Erde´ wissen die ausdrucksvoll geblasenen Holzbläser die scheinbar chaotische Überlagerung von Ostinatomotiven punktgenau und in schnatternder Erregung zu präsentieren. Und im sich anschließenden ´Tanz der jungen Mädchen´ schrammen die tiefen Streicher mit aller gebotenen Schroffheit über die Saiten, während Nott in der ´Prozession des Weisen´ die sprichwörtliche Ursuppe aus Vierklangschichtungen brodeln lässt. Ebenso erklingen aber auch ruhigere Momente, wie die fast schon kammermusikalisch gehaltene Dissonanzen-Idyllik in der Einleitung des zweiten Teils, akribisch musiziert auf hohem Niveau.

Geistreiche Spielereien

Weniger spektakulär, dafür immer noch unter der Dominanz des Rhythmus stehend gibt sich hingegen die 1946 uraufgeführte, 23 Minuten kurze Sinfonie in drei Sätzen. Für das New York Philharmonik Orchestra komponiert, hat man es hier allerdings weniger mit einem Werk von majestätischer Schwere zu tun, als vielmehr mit einem neoklassizistischen Reigen vorbeihuschender Episoden. Das humorvolle Andante mit Harfensolo ist herrlich daneben und wirkt mitunter wie eine Art beduseltes Menuett von Haydn oder Mozart.

Schade nur, dass die Einspielung mit gerade mal 57 Minuten Dauer recht knapp ausfällt, über etwas mehr Strawinsky hätte man sich gefreut, zumal die Interpretationen kaum Wünsche offen lassen und auch der Booklet-Text recht lesenswert geraten ist.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Strawinsky, Igor: Le Sacre du printemps

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Tudor
1
17.09.2007
Medium:
EAN:

SACD
7619911071455


Cover vergössern

Dirigent(en):Nott, Jonathan


Cover vergössern

Tudor

"Klein, aber fein!"
oder zitiert nach AUDIO
"Der Spezialitäten-Spezialist"


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...

Titel bei JPC kaufen


Von Dr. Aron Sayed zu dieser Rezension empfohlene Kritiken:

  • Zur Kritik... Rhythmus: Trotz allem liegt auch mit dieser DVD der Reihe eine sehr interessante und gut verständliche Darstellung der Musik des 20. Jahrhunderts vor. Weiter...
    (Silke Meier-Künzel, 04.07.2006)
  • Zur Kritik... Rhythmus: Trotz allem liegt auch mit dieser DVD der Reihe eine sehr interessante und gut verständliche Darstellung der Musik des 20. Jahrhunderts vor. Weiter...
    (Silke Meier-Künzel, 04.07.2006)
  • Zur Kritik... Viel Inspirationskraft: Man darf diese Aufnahme ohne jeden Zweifel zu den interessantesten und anregendsten der letzten Zeit betrachten. Weiter...
    (Annette Lamberty, )

Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Tudor:

blättern

Alle Kritiken von Tudor...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Aron Sayed:

  • Zur Kritik... Sanfter Ausklang: Alles kein Drama: Iván Fischer dirigiert die Dritte von Brahms. Weiter...
    (Dr. Aron Sayed, )
  • Zur Kritik... O Leide, weh, o Leide!: Eine vorbildliche Interpretation, die durch das Klangbild getrübt wird: Gielen dirigiert Mahlers 'Das klagende Lied'. Weiter...
    (Dr. Aron Sayed, )
  • Zur Kritik... Am blauen Himmelssee: Viel Klasse, viel Atmosphäre, doch zu wenig Biss. Iván Fischers Mahler-Linie setzt sich auch in 'Das Lied von der Erde' fort. Weiter...
    (Dr. Aron Sayed, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Aron Sayed...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

Class aktuell (1/2023) herunterladen (5900 KByte) NOTE 1 - Mitteilungen (2/2023) herunterladen (5000 KByte)

Anzeige

Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich