
Strawinsky, Igor - Le Sacre du printemps
Herrschaft des Elementaren
Label/Verlag: Tudor
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine Frühlingsfeier, an der man sich berauschen kann: Die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott inszenieren mit Strawinskys Le Sacre du Printemps effektvoll die Herrschaft des Elementaren.
Als Beobachter wäre wohl jeder Strawinsky-Fan am 23. Mai 1913 gerne dabei gewesen, als es bei der Uraufführung von Le Sacre du Printemps unter Piere Monteux im Pariser Théâtre des Champs-Élysées zur oft zitierten skandalösen Publikumsschlägerei kam. Ob den Impuls dazu alleine die Ballettmusik oder nur die Choreographie von Vaslav Nijinsky gab, bleibt wohl für immer im Unklaren, wahrscheinlich aber wird es beides zusammen gewesen sein. Heutzutage findet man das Sacre leider nur noch sehr selten getanzt auf der Bühne, dafür umso öfter im Konzertsaal. Vielleicht liegt es an der ungewöhnlich umfangreichen Besetzung, die in einen Orchestergraben nur schwer hineinpassen möchte, und mit jeweils 18 Holz– sowie Blechbläsern plus reichlich Schlagwerk die normale Größe eines Sinfonieorchesters übersteigt. Vermutlich jedoch eher, weil die tänzerische Umsetzung extreme Schwierigkeiten bereitet, auch wenn beim Hören des Sacre selbst vermeintlich unmusikalische Zeitgenossen ihre Extremitäten nicht vor einem Zucken bewahren können.
´Bilder aus dem heidnischen Russland´
Unter ihrem englischen Chefdirigenten Jonathan Nott haben die Bamberger Symphoniker (seit 2003 zugleich die bayerische Staatsphilharmonie) bei Tudor bislang relativ viele Einspielungen vorgelegt, darunter den kompletten Zyklus der Sinfonien Franz Schuberts. Nun liegt mit Nott, der als Experte für neue Musik gilt, auch Strawinskys Le Sacre du Printemps als SACD in wunderbarer Klanqualität vor. Zwar brechen die Blechbläser im Fortissimo der Tutti zuweilen ins Grelle aus, doch ansonsten hört man dem traditionsreichen Klangkörper keinerlei Ausrutscher an. Nott gelingt jenseits rhythmischer Ungenauigkeiten eine packende Inszenierung des mit hochartifiziellen Mitteln erzeugten Barbarischen. Gleich in der Introduktion des ersten Teils ´Die Anbetung der Erde´ wissen die ausdrucksvoll geblasenen Holzbläser die scheinbar chaotische Überlagerung von Ostinatomotiven punktgenau und in schnatternder Erregung zu präsentieren. Und im sich anschließenden ´Tanz der jungen Mädchen´ schrammen die tiefen Streicher mit aller gebotenen Schroffheit über die Saiten, während Nott in der ´Prozession des Weisen´ die sprichwörtliche Ursuppe aus Vierklangschichtungen brodeln lässt. Ebenso erklingen aber auch ruhigere Momente, wie die fast schon kammermusikalisch gehaltene Dissonanzen-Idyllik in der Einleitung des zweiten Teils, akribisch musiziert auf hohem Niveau.
Geistreiche Spielereien
Weniger spektakulär, dafür immer noch unter der Dominanz des Rhythmus stehend gibt sich hingegen die 1946 uraufgeführte, 23 Minuten kurze Sinfonie in drei Sätzen. Für das New York Philharmonik Orchestra komponiert, hat man es hier allerdings weniger mit einem Werk von majestätischer Schwere zu tun, als vielmehr mit einem neoklassizistischen Reigen vorbeihuschender Episoden. Das humorvolle Andante mit Harfensolo ist herrlich daneben und wirkt mitunter wie eine Art beduseltes Menuett von Haydn oder Mozart.
Schade nur, dass die Einspielung mit gerade mal 57 Minuten Dauer recht knapp ausfällt, über etwas mehr Strawinsky hätte man sich gefreut, zumal die Interpretationen kaum Wünsche offen lassen und auch der Booklet-Text recht lesenswert geraten ist.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strawinsky, Igor: Le Sacre du printemps |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Tudor 1 17.09.2007 |
Medium:
EAN: |
SACD
7619911071455 |
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