
Martinu, Bohuslav - Cellosonate Nr. 2
Exzellentes Debüt
Label/Verlag: Supraphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die tschechischen Musiker Tomáš Jamník und Ivo Kahánek brillieren mit tschechischen Werken für Violoncello und Orchester.
Diese Debüt-CD des jungen tschechischen Cellisten Tomáš Jamník verdient aus zwei Gründen Beachtung: Zum einen steht sie für einen Schwenk des Labels Supraphon hin zur Förderung aufstrebender Talente, zum anderen überrascht das Repertoire. Keine Bach-Suiten, keine Beethoven- oder Brahms-Sonaten spielen Jamník und sein Begleiter Ivo Kahánek, sondern ausschließlich Werke tschechischer Komponisten: Die zweite Sonate und die Rossini-Variationen von Bohuslav Martinů, Leoš Janáčeks 'Märchen' und Miloslav Kabeláčs Sonate op. 9. Allenfalls Janáčeks Stück ist gelegentlich im Konzertsaal zu hören, die anderen drei Kompositionen dürfen als echte Repertoire-Bereicherungen angesehen werden. Dabei nehmen Jamník und Kahánek viel Verantwortung auf sich, denn eine mäßige Interpretation schadet einem selten gespielten Werk bekanntlich mehr als einem Repertoirestück. Wobei man nach Kenntnisnahme der zweiten Martinů-Sonate ganz unabhängig vom Musizieren die Frage stellen muss: Warum wird diese wunderbare Musik nicht viel häufiger gespielt? Das dreisätzige Werk bietet dem Cellisten gleichermaßen virtuose und kantable Entfaltungsmöglichkeiten, auch der Pianist muss nicht darben, sondern ist meist ein gleichberechtigter Partner des Streichinstrumentes.
Jamník und Kahánek erfüllen die Sonaten in allen Abschnitten mit Leben, wobei aber stets ein tragisch-resignativer Grundton überwiegt; wer will, kann dies auf die Umstände des Entstehungsjahres (1941) zurückführen. Das exakte, fein nuancierte Zusammenspiel der beiden Musiker lässt jedenfalls keine Wünsche offen. Hinzu kommt eine Klangbalance, bei der das Cello nicht – wie es leider bei Aufnahmen von Musik für Cello und Klavier häufig geschieht – vom Klavier zugedeckt wird, sondern sich frei entfalten kann. Kaháneks aufmerksames Spiel gerät auch nie in die Gefahr des anderen Extrems (der Pianist als 'Hausdiener' des Cellisten). So stimmt das klangliche Verhältnis der Instrumente in einer selten gehörten Weise. Dies kommt auch Janáčeks unproblematischem 'Märchen' zu Gute, wenngleich hier das Cello deutlicher im Vordergrund steht. Jamník zeigt sich hier von seiner lyrischen Seite, ohne je den technischen Aspekt zu vernachlässigen. Sein Hauptaugenmerk gilt aber doch dem Spannen langer Melodiebögen, worin er von Kahánek nach Kräften unterstützt wird. Martinůs Rossini-Variationen zeigen den Komponisten von seiner heiteren Seite, die in der zweiten Sonate nicht zu entdecken war. Die knapp neun Minuten werden von Jamník und Kahánek mit größter Aufmerksamkeit gestaltet, die melodische Gestaltungsfähigkeit des Cellisten ist einmal mehr beeindruckend.
Herrschte bisher eitel Sonnenschein, so kann dies vom letzten Werk auf der CD - Miloslav Kabeláčs Sonate – nur bedingt behauptet werden. Zwar geben sich die beiden Musiker hier technisch und musikalisch keine Blöße. Aber das Stück selbst fällt doch deutlich ab, vor allem in den Sätzen drei und vier. Trotz streckenweise höchster cellistischer Anforderungen sind diese beiden Abschnitte viel schwächer als die 'Passacaglia' und 'Fantasia', die noch eine gewisse Originalität für sich beanspruchen können. Anders als bei der Martinů-Sonate erscheint die Vernachlässigung hier verständlich. Bei aller Mühe Jamníks und Kaháneks will der Funke nicht so recht überspringen, es gibt zu viele uninspirierte Abschnitte.
Doch der Gesamteindruck wird dadurch nur minimal geschmälert. Jamník kann mit diesem überaus gelungenen CD-Debüt belegen, dass er zu Recht als Geheimtipp unter den zahlreichen jungen Cellisten gehandelt wird. Kahánek darf als gleichwertiger Partner am Klavier keinesfalls unterschlagen werden, das bemerkenswerte Dialogisieren der Instrumente ist der größte interpretatorische Pluspunkt dieser Veröffentlichung. Die angesprochene hervorragende Klangqualität ist gleichsam das Sahnehäubchen auf einer CD, die viele Freunde finden dürfte. Ob man nun Martinů, Kammermusik für Cello und Klavier oder ganz einfach allgemein gute Musik schätzt: In allen drei Fällen eine höchst empfehlenswerte Platte.Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Martinu, Bohuslav: Cellosonate Nr. 2 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Supraphon 1 20.07.2007 |
Medium:
EAN: |
CD
099925392826 |
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Supraphon Supraphon Music ist das bedeutendste tschechische Musiklabel und besitzt bereits eine lange Geschichte. Der Name "Supraphon" (der ursprünglich ein elektrisches Grammophon bezeichnete, das zu seiner Zeit als Wunderwerk der Technik galt) wurde erstmals 1932 als Warenzeichen registriert. In den Nachkriegsjahren erschien bei diesem Label ein Großteil der für den Export bestimmten Aufnahmen, und Supraphon machte sich in den dreißiger und vierziger Jahren besonders um die Verbreitung von Schallplatten mit tschechischer klassischer Musik verdient. Die künstlerische Leitung des Labels baute allmählich einen umfangreichen Titelkatalog auf, der das Werk von BedYich Smetana, Antonín Dvorák und Leos Janácek in breiter Dimension erfasst, aber auch andere große Meister der tschechischen und der internationalen Musikszene nicht vernachlässigt. An der Entstehung dieses bemerkenswerten Katalogs, auf den Supraphon heute stolz zurückblickt, waren bedeutende in- und ausländische Solisten, Kammermusikensembles, Orchester und Dirigenten beteiligt. Mehr Info... |
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