
Romberg, Bernhard - Symphonien
Lobenswerte, glänzende Reanimierung
Label/Verlag: ARS Produktion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Kölner Akademie unter der Leitung von Michael Alexander Willens gelingt mit den Romberg-Sinfonien eine weitere absolut herausragende Aufnahme. Ein wirklich großer Wurf!
In jenen Tagen, als sich die allgemein bekannten Vertreter historisch informierter Aufführungspraxis an eine Erweiterung des Repertoires in Richtung 19. Jahrhundert machten, standen zuerst einmal die üblichen Schlachtrösser auf dem Programm – zum einen durch die Kaufgepflogenheiten der Konsumenten bedingt, lieber noch einen Mendelssohn- oder Schumann-Zyklus nach Hause zu tragen als Sinfonien von Rietz, Raff, Volkmann, Bruch oder anderer Komponisten, die gern mit dem abschätzigen Etikett ‘Kleinmeister’ versehen wurden. Zum anderen konnten sich jene Interpreten durch die Konzentration auf bekanntes Repertoire mit ihrem eigenen, individuellen, abweichenden Zugang stärker profilieren als dies mit unbekannten Werken möglich gewesen wäre.
Seit einigen Jahren nun lässt mit positiver Überraschung der Wagemut einiger Labels und (meist in der breiten Wahrnehmung eher unbekannter) Ensembles wahrnehmen, sich den vergessenen Schätzen des (vor allem frühen) 19. Jahrhunderts zu widmen. Das kleine, aber feine Label Ars Produktion Schumacher schürte in diesem Bereich mit den bereits veröffentlichten, durchwegs herausragenden Produktionen seines Projekts ‘Forgotten Treasures’ hohe Erwartungen; nun kann sich der Hörer an einem neuen vergessenen Schatz erfreuen, den drei Sinfonien aus der Feder Bernhard Rombergs.
Überschäumende Spiellaune, fabelhafte Transparenz
Bernhard Romberg, heutzutage höchstens noch einigen Cellisten als Komponist von Übungsstücken bekannt, wurde in seinen mittleren Jahren nicht nur als Cello-Virtuose gefeiert, sondern auch als formidabler Komponist. Davon legt diese reizende SACD ein klingendes Zeugnis ab. Das Ensemble Kölner Akademie (mit dem Beinahmen ‘Orchester Damals und Heute’) widmet sich, bestückt mit historischen Instrumenten und nach altem Vorbild angeordnet, unter der Leitung seines Chefs Michael Alexander Willens mit überschäumender Spiellaune den drei Sinfonien Rombergs
Eingeleitet wird die klanglich exzellent geratene Produktion mit der ‘Trauer-Symphonie auf den Tod der Königin Luise von Preußen’ c-Moll op. 23. Durch trockene Paukenschläge angestoßen, entfaltet sich zuerst ein Trauermarsch eher mit den Mitteln des späten 18. Jahrhunderts als mit der emotionalen Überwältigung eines Beethoven-Zeitgenossen. Dynamische Kontraste werden hart nebeneinander gestellt, eine fließendere Melodik erhält Einzug, worauf nach einer Wiederaufnahme des Marsch das Hauptthema Einzug erhält. Willens modelliert Gestus sowie Farbe des Eingangsteils mit einer überwältigend subtilen Delikatesse. Die einzelnen Instrumente der Kölner Akademie sind bestens austariert, so dass jede einzelne Instrumentalfärbung sich effektvoll mitteilen kann ohne dass der Ensembleklang zerfällt. Schon hier zahlt sich die Anordnung des Orchesters nach historischem Vorbild mit antiphonaler Anordnung der Geigen und Positionierung der Kontrabässen zu beiden Seiten positiv aus: Die Bass-Grundierung über die ganze Breite des Klangbilds gibt der Musik das nötige Fundament, der enge Dialog der Geigen kommt hier wie so oft durch diese Positionierung erst richtig zum Tragen.
Ausgezeichnetes Ensemble
Michael Alexander Willens präsentiert sich hier von Anfang bis Ende als optimaler Vermittler dieser kontrastreichen Musik. Er lässt sowohl Streicher wie auch die lebhaft und gefühlvoll agierenden Bläser sprechend, klar und geschmeidig artikulieren. Damit gewinnt diese Musik deutlich an Präsenz. Durch die gekonnte Abstimmung der Ensemblegruppen gewährleistet er nicht nur höchste Transparenz des Klangs (was der Kontrapunktik in Rombergs Sinfonien zugute kommt), sondern auch eine Staffelung der Klangfärbungen: je nach Ausdrucksmoment dürfen auch schon mal die köstlich kernigen Blechbläser klanglich in den Vordergrund treten, ohne aber das restliche Ensemble zuzudecken. Die Kölner Akademie spielt dabei mit einer ansteckenden Energie, um jedes Detail hörbar und vor allem erlebbar zu machen. Mit lebhaften Akzenten, deutlichen dynamischen Kontrasten, schwungvollen Tempi und viel Gespür für Inhalt und optimale Darstellung dieser Musik gelingt den Musikern eine Interpretation, die in allen Belangen überzeugt.
Auch wenn Rombergs Sinfonik sicherlich nicht so viele ins mittlere 19. Jahrhundert weisende Züge trägt wie etwa die von Ferdinand Ries, kommt hier doch ein Sinfoniker zu seinem Recht, der mehr als ordentliche Musik zu Papier brachte. Dass daraus dann noch viel mehr wird, ist der phantasievollen und klanglich hervorragend geratenen Interpretation durch die Kölner Akademie zu danken. Abgerundet wird diese erstklassige Einspielung durch einen kenntnisreichen Booklettext, der keine Fragen offen lässt. Ein wirklich großer Wurf!Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Romberg, Bernhard: Symphonien |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ARS Produktion 1 01.05.2008 |
Medium:
EAN: |
SACD
4260052380260 |
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Romberg, Bernhard |
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ARS Produktion Das exquisite Klassiklabel ARS Produktion wurde 1987 von Annette Schumacher mit dem Ziel gegründet, jungen, aufstrebenden Künstlern und interessanten Programmen gleichermaßen eine individuelle musikalische Heimat und entsprechende Marktchancen, u.a. durch internationalen Vertrieb und Vermarktung zu geben. Die bei Paul Meisen ausgebildete Konzertflötistin hat sich damit nach langer aktiver Musikerlaufbahn einen geschäftlichen Traum erfüllt.
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