
Piazzolla, Astor - Tangos für Bandoneonquartett
Nichts Neues unter der Sonne
Label/Verlag: aeon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
An Piazzolla-Platten herrscht kein Mangel. Der Qualität dieser Aufnahmen tut das nicht Abbruch.
Weltmusik ist en vogue. Nicht jeder mag das begrüßen. Allzu oft sucht eine ratlose Musikindustrie ihr Heil in Cross-over-Projekten. So grassiert ein doppelter Dilettantismus: ‚Klassik’-Stars, den Leichtes schwerfällig gerät. Tango-, Ethno-, Jazz-Koryphäen, die hilflos im ‚klassischen’ Repertoire vagabundieren.
Für dieses Mal dürfen wir Entwarnung geben: Aeon hat fünf Musiker versammelt, die wissen, was sie tun. Débora Russ – Diseuse aus Argentinien, doch wohnhaft in Paris – hat den Tango, man hört es, mit der Muttermilch eingesogen. Ihre Begleiter vom Quatuor Caliente: Guillaume Hodeau (Bandoneon), Cédric Lorel (Klavier), Michel Berrer (Geige) und Nicolas Marty am Kontrabass sind der ‚Klassik’ verpflichtet – und niemand wird Franzosen eine Wahlverwandschaft mit dem Tango unterstellen. Doch dieser Livemitschnitt des Jahres 2006 kommt durchaus idiomatisch daher. (Es sei denn, manche Geste schiene allzu diskret, allzu französisch distinguiert: Der Schmutz der Hafenkneipen fehlte.)
Débora Russ und Quatuor Caliente haben ein ‚Best-of-Piazzolla’ zusammengestellt, darunter: Balada para un loco, A Don Nicanor Paredes, Los Párajos perdidos, Balada para mi muerte, Buenos Aire Hora Cero und Che… Tango Che! Originell ist dies nicht, doch an der Qualität der Kompositionen ist kaum zu rütteln. Ein Gleiches gilt für Débora Russ’ Leistung: Ihr Ausdrucksspektrum ist bemerkenswert weit. Nichts Menschliches scheint ihr fremd (soweit es dem Tango zugänglich ist). So zieht sie alle Register: Zwischen derben und vornehmen Klängen, Hinterhof und Avenida, zwischen Zote und Emphase weiß sie geschmeidig zu wechseln. Ihr natürlicher stimmlicher Reichtum kommt bestens zur Geltung: Débora Russ’ Mezzo ist präzis fokussiert, demgemäß tragend, dennoch mit Rundung und einem aparten, wiedererkennbaren Timbre versehen: leicht brustig, doch niemals vulgär. Auch technisch ist ihr nicht am Zeug zu flicken: Geschmeidig gleitet sie durch alle dynamischen Grade und Tonlagen. Das piano ist kernig und tragend, der Aufstieg ins forte gelingt ohne Brüche. Kurzum: Débora Russ’ Stimme ist makellos durchbildet und geschult. Ein besseres Organ für den Tango lässt sich nicht denken.
Alles in allem: Nichts Neues unter der Sonne. ‚Notwendig’ ist diese Platte nicht. Trotzdem kann sie für sich bestehen. Jeder Plattensammlung gereicht sie zur Zierde.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Piazzolla, Astor: Tangos für Bandoneonquartett |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
aeon 1 01.03.2009 |
Medium:
EAN: |
CD
3760058367490 |
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aeon Äon bedeutet im Altgriechischen soviel wie Zeitalter bzw. Ewigkeit. Wenngleich letztendlich keine Aufnahme für die Ewigkeit sein kann, so kann sie doch zumindest Gültigkeit für ein Zeitalter oder Menschenalter beanspruchen. Diesem nicht geringen Anspruch versucht man bei AEON mit bereits fast hundert Titeln gerecht zu werden. Für seine Einlösung spricht, dass das Label seit seiner Gründung 2001 schnell zu einer der ersten Adressen aus Frankreich wurde. Den Labelgründern Damien und Kaisa Pousset ist es wichtig, einen Katalog zu schaffen, dessen einzelne Titel jeweils als ultimative Intention der beteiligten Musiker verstanden werden können. Künstler wie Alexandre Tharaud, Andreas Staier, Felicity Lott oder das Quatuor Ysaÿe haben hier Aufnahmen vorgelegt, die woanders so sicherlich nicht möglich gewesen wären. Der Katalog von AEON umfasst im Wesentlichen drei Hauptschwerpunkte: monographische CDs mit Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts, dann das breitere, klassische Repertoire, das durch ausgewählte Künstler und Ensembles bestritten wird, sowie die frühe Musik des Mittelalters. Mehr Info... |
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