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Samstag, 3. Juni 2023

Smetana, Bedrich - Die beiden Witwen

Von lustigen Witwen


Label/Verlag: Supraphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Diese ‚Zwei Witwen’ lösen vermutlich nicht ein glorreiches Revival mit triumphalem Siegeszug über die internationalen Bühnen aus, aber für Entdeckungsfreudige bieten sie den Kontakt mit einer unterhaltsamen und vielleicht auch verkannten komischen Oper.

Von Smetanas acht vollendeten Opern ist eigentlich nur noch die ‘Verkaufte Braut’ auf den internationalen Spielplänen zu finden, und selbst auf tschechischen Bühnen geraten seine Werke immer mehr in Vergessenheit. Mit dieser Gesamteinspielung von Smetanas fünfter Oper ‚Die zwei Witwen’ aus dem Jahr 1956 ruft das Label Supraphon eine spritzige Musikkomödie wieder ins Gedächtnis. Angeblich gehörte diese tschechische Salonoper zu den Lieblingswerken von Richard Strauss, der zur Zeit seiner Arbeit am ‚Rosenkavalier’ in Prag weilte. Die Geschichte um zwei verwitwete Cousinen und ihre amourösen Verwicklungen entspricht den Schemata einer französischen Boulevard-Komödie der Zeit und garantiert zumindest einen hohen Unterhaltungswert. Den moralischen Tiefgang und die Bedingungslosigkeit einer ‚Verkauften Braut’ sucht man hier allerdings vergebens.

Dennoch ist Smetanas musikalischer Einfallsreichtum nicht zu bremsen. Mit einer wilden, schmissigen, aber stets äußerst vornehmen Ouvertüre eröffnet die Oper und macht unmissverständlich deutlich, dass sich der Hörer in einem volkstümlich angehauchten Schwank befindet. Da sorgen brodelnde Streicherläufe und deftige Tuttischläge für feuriges Kolorit, und nur mühsam ist diesem buffonesken Geplapper eine lyrische Melodielinie abzuringen. Die Wirkung ist bezwingend: Der musikalische Gestus entwickelt einen Sog, der als einzige Konsequenz den Beginn der Bühnenhandlung haben kann. Daran ist natürlich das vorbildliche Smetana-Dirigat von Jaroslav Krombholc nicht ganz unschuldig. Mit einem untrüglichen Gespür für musikdramatische Zusammenhänge führt er das Orchester des Prager Nationaltheaters und seine Solisten durch die Partitur, ohne je den roten Faden zu verlieren.

Die Solistenriege besteht ausnahmslos aus dem damaligen Ensemble des Prager Nationaltheaters, und dieser Umstand kommt der Einspielung enorm zugute. Niemand tanzt vokal aus der Reihe, alle ordnen sich mit vollem Einsatz dem Ensemblegedanken unter. Auf diese Weise bleibt die Aufnahme verkaufstechnisch auf den ersten Blick relativ uninteressant, weil kein großer Name den Käufer unmittelbar anspricht, aber die Qualität ist höher als bei mancher Star-Besetzung. Alle Solisten dieser Einspielung haben in ihren jeweiligen Partien bereits Bühnenerfahrung und bringen diese ganz selbstverständlich in ihre vokale Gestaltung mit ein: Gut platzierte Quietscher, Lacher und andere Nebengeräusche garantieren eine lebendige Interpretation. Dabei wird auf höchstem Niveau musiziert. Maria Tauberová ist eine hinreißend quirlige Witwe Karolina, deren kupplerische Raffinesse sich in blitzsauberen Koloraturen und einer glasklaren Diktion niederschlägt. Den lyrischen Part der Witwe Anezka übernimmt Drahomíra Tikalová, die vor allen Dingen als Marie in der ‚Verkauften Braut’ große Erfolge feierte. Auch die beiden männlichen Hauptpartien sind beeindruckend besetzt: Ivo Zídek verströmt als junger Liebhaber Ladislav tenoralen Glanz und Eduard Haken beweist als Förster Mumlal bedingungslose Identifikation. Dieser Mumlal brummelt, nuschelt, plappert, proletet und ergießt sich in wohltönenden Bass-Kantilenen, dass es eine Wonne ist. Herrlich das Duett der beiden Herren im ersten Akt, auch wenn es in seiner Struktur und seinem Gestus stark an das Duett Kezal-Hans aus der ‚Verkauften Braut’ erinnert.

Diese ‚Zwei Witwen’ lösen vermutlich nicht ein glorreiches Revival mit triumphalem Siegeszug über die internationalen Bühnen aus, aber für Entdeckungsfreudige bieten sie den Kontakt mit einer unterhaltsamen und vielleicht auch verkannten komischen Oper.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Smetana, Bedrich: Die beiden Witwen

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Supraphon
2
25.05.2007
Medium:
EAN:

CD
099925392628


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Supraphon

Supraphon Music ist das bedeutendste tschechische Musiklabel und besitzt bereits eine lange Geschichte. Der Name "Supraphon" (der ursprünglich ein elektrisches Grammophon bezeichnete, das zu seiner Zeit als Wunderwerk der Technik galt) wurde erstmals 1932 als Warenzeichen registriert. In den Nachkriegsjahren erschien bei diesem Label ein Großteil der für den Export bestimmten Aufnahmen, und Supraphon machte sich in den dreißiger und vierziger Jahren besonders um die Verbreitung von Schallplatten mit tschechischer klassischer Musik verdient. Die künstlerische Leitung des Labels baute allmählich einen umfangreichen Titelkatalog auf, der das Werk von BedYich Smetana, Antonín Dvorák und Leos Janácek in breiter Dimension erfasst, aber auch andere große Meister der tschechischen und der internationalen Musikszene nicht vernachlässigt. An der Entstehung dieses bemerkenswerten Katalogs, auf den Supraphon heute stolz zurückblickt, waren bedeutende in- und ausländische Solisten, Kammermusikensembles, Orchester und Dirigenten beteiligt.


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