
Korngold, Erich Wolfgang - Streichsextett D-Dur op. 10
Schönste Wiener Kammermusik
Label/Verlag: Pan Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Schwungvoll wienerische Kammermusik, gespielt von einem herausragenden Ensemble mit Wiener Wurzeln.
Es ist eine Schande, ein Stück fürs Repertoire so verkommen zu lassen. Und warum? Weil sein Komponist sich mit Piraten eingelassen hat. Erich Wolfgang Korngold ist als Schöpfer großartiger Filmmusik, nicht zuletzt zu Piratenfilmen wie ‘The See Hawk’, berühmt geworden. Und da leider nicht eintrat, was Korngold prophezeite, dass nämlich Komponisten den Film als ein Oper oder dem Ballett gleichwertiges Genre anerkannten, leidet sein gesamtes Werk am Ruf der Filmmusikalität. Auch diejenigen Stücke, die lange vor den Triumphen Korngolds in Hollywood entstanden. Dazu zählt auch das wunderbare Streichsextett, das der Komponist mit kaum 20 Jahren in Wien schuf. Ein Frühwerk ist es dennoch nicht, denn das Wunderkind begeisterte das Publikum schon mit 12 Jahren, brachte mit 17 zwei Einakter an der Bayerischen Hofoper heraus und war längst in aller Ohren. Durch seinen Vater, den gefürchteten Musikkritiker Julius Korngold protegiert, geriet Korngold an Alexander Zemlinsky, der ihn seit seinem zehnten Lebensjahr unterrichtete. Mahler nannte ihn ein Genie.
Damit genug der Lobhudelei, viel geholfen hat sie Korngolds Nachruhm eben nicht. Es wundert auch, dass die vorliegende Aufnahme seines Sextetts mit dem 2004 aufgelösten Wiener Streichsextett seit über sieben Jahren unveröffentlicht blieb. Dabei liegen die Qualitäten dieser Interpretation vom ersten Ton an so deutlich offen, dass man dem Produzenten dankt, der sie spät aber doch immerhin zur Veröffentlichung brachte.
Walzertraurigkeit
Es ist ein bestimmter Wiener Ton und ein bestimmtes Melos, die man auf Johann Strauss zurückführen kann, die die Werke Korngolds prägen. Im positiven Sinne strotzt Korngolds Musik vor ‘schönen Stellen’. Wer mehr von Korngold kennt, wird im Sextett sofort den Ton des Komponisten heraushören, den die Zeitgenossen für genauso unverwechselbar erachteten wie die Klänge eines Richard Strauss. Vor allem der dritte Satz versucht erst gar nicht, seine Wien-Laune zu verbergen. Es ist eine Walzerminiatur, aber noch weitaus brüchiger formuliert als die Rosenkavalier-Walzer von Richard Strauss. Einige für sich stehende Linien zu Beginn des Satzes lassen vielmehr an die kargen Melodien eines Arnold Schönberg denken. Die Derbheit mancher Mahlerscher Scherzi ist freilich fern. Das Wiener Streichsextett weiß um die Doppelbödigkeit dieser Walzeranklänge. Nie lässt es Seligkeit aufkommen, es verstolpert sich absichtsvoll im Dreiviertel-Takt. Keck und verwegen stürmen die Musiker in den Schlusssatz, der durch überbordende Energie und durch einen großen Reichtum an ‘schönen Stellen’ berauscht.
Spannende Entdeckungen
Sinnvollerweise sind dem Sextett Werke von Alexander Zemlinsky beigestellt. Leider gingen zwei Sätze seines Streichquintetts verloren. Es blieben die Ecksätze, denen in ihrer Koppelung ein ruhiger Gegenpol fehlt. Dennoch offenbart das Werk, das 20 Jahre vor demjenigen Korngolds entstand, mehr als nur ‘Talent’ wie ein interessierter Johannes Brahms bemerkte. Das Stück gehört zu Zemlinskys schönsten Kompositionen. Es ist eindeutig brahmsisch in seiner Klangwelt und schon aus diesem Grund eine Entdeckung.
Die CD ist nicht nur für Entdecker, sondern für alle Freunde inspirierter Kammermusik geeignet. Das Wiener Streichsextett ist ein herausragendes Ensemble mit fantastischer Klangkultur, dessen Auflösung vor 3 Jahren man wirklich nur bedauern kann.Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Korngold, Erich Wolfgang: Streichsextett D-Dur op. 10 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Pan Classics 1 01.06.2007 |
Medium:
EAN: |
CD
7619990101203 |
![]() Cover vergössern |
Pan Classics Gegründet 1992 vom Musikhaus Pan in Zürich, wurde das Label 1997 von den Tonmeistern Clement Spiess und Koichiro Hattori übernommen. 2011 entschloss man sich zu einem radikalen Neuanfang: Der umfangreiche Katalog wurde gelichtet und die verbliebenen Aufnahmen erhielten ein neues, attraktives Erscheinungsbild. Den CDs wird so ein unverwechselbares Äußeres mit einem hohen Wiedererkennungswert verliehen. Geblieben sind dagegen die Vorliebe für außergewöhnliches Repertoire und der Anspruch, mit renommierten Musikern und Ensembles einen künstlerisch hochwertigen Katalog zu schaffen. Zu diesen Künstlern zählen Namen wie die Hammerklavier-Spezialisten Edoardo Torbianelli und Arthur Schoonderwoerd, der Tenor Jan Kobow u.v.a. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Pan Classics:
-
Hommage an einen vergessenen Tenor: Marco Angioloni erkundet das Repertoire Annibale Fabbris. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Goldene Lied-Ära: Daniel Behle und Jan Schultsz legen eine epochale Beethoven-Lieder-CD vor. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Virtuose Stille: Eine Formulierung, die paradox und widersprüchlich wirkt, beschreibt doch ziemlich genau das, was hier geschieht: Es ist der Stylus phantasticus, der sich in maximaler Freiheit entfaltet, in verhaltenem Glanz und oft mürber Klanglichkeit. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Thomas Vitzthum:
-
Nicht aus der Mode gekommen: So empfiehlt sich diese Aufnahme für Entdecker im Violinrepertoire, aber auch für Freunde knapper, inspirierter Neoklassik. Weiter...
(Dr. Thomas Vitzthum, )
-
Undramatisch bekehrt : Frieder Bernius hat eine farbige, aber sehr undramatische Aufnahme des Paulus vorgelegt. Nichtsänger werden sie dennoch mögen. Weiter...
(Dr. Thomas Vitzthum, )
-
Brendels eigene Wahl: Alfred Brendel hat eine persönliche Auswahl getroffen. Beethoven zeigt er als Humoristen und als Schwerblüter in späten Kompositionen. Erstaunlich ist Brendels Chopin. Weiter...
(Dr. Thomas Vitzthum, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Halbfinale: Ein Projekt auf der Zielgeraden: Gregor Meyer steuert mit dem siebten Teil des geistlichen Gesamtwerks von Johann Kuhnau auf das Finale zu. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Abschiedsgabe: Wolfgang Carl Briegel ist sicher einer jener Komponisten, die zu unterschätzen aus heutiger, auf wenige Größen verengter Perspektive, mancher Gefahr laufen könnte. Das Ensemble Polyharmonique setzt dem ein entschiedenes Plädoyer entgegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Um den jüngsten Sohn: Varvara Manukyan ringt mit historischen Ästhetiken in aufnahmetechnisch problematischer Umgebung. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich