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Sonntag, 4. Juni 2023

Destouches, André Cardinal - Callirhoé

Wiederentdeckung


Label/Verlag: Glossa
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Hervé Niquet und ‚Le Concert Spirituel’ entdecken eine wunderbare Oper von André Cardinal Destouches neu: Spritzige Interpretation eines unbedingt hörenswerten Werkes.

Längst vergessene Werke fast unbekannter Komponisten schlummern in Archiven oder privaten Sammlungen und harren ihrer Wiederentdeckung. Nicht immer sind die Ergebnisse der ‚Grabungsarbeiten’ in diesem Umfeld musikalisch erwähnenswert und eine Bereicherung für das Repertoire, manchmal kann doch eher der editorische Wert überzeugen. Anders, ganz anders im vorliegenden Fall.

Die ebenso lyrische wie dramatische Oper ‚Callirhoé’ des Franzosen André Cardinal Destouches (getauft 1672-1749) – zunächst langjährig als Soldat im Dienst des Königs, bevor er sich allmählich in die musikalische Praxis und kompositorische Kunst einführen ließ und rasch zum anerkannten Opernkomponisten avancierte – ist ein Paradebeispiel für die Opernkunst zwischen Lully und Rameau. Hierin liegt jedoch bereits eines der ‚Probleme’, die der langfristigen Rezeption der Arbeiten Destouches’ im Wege standen: Gemeinsam mit seinen Zeitgenossen Desmarest, Campra – der auch der Lehrer von Destouches war – Gervais und Lacoste stand Destouches im Schatten dieser großen Heroen der französischen Musikgeschichtsschreibung. Zwischen Lullys letzter Oper ‚Armide’ aus dem Jahr 1686 und Rameaus erstem musikdramatischen Werk ‚Hippolyte & Aricie’ von 1733 wurde jedoch eine große Zahl musikalisch anspruchsvoller und kompositorisch anspruchsvoller Opern verfasst, wenngleich diese mit dem Verblassen ihrer unmittelbaren Aktualität und den sich rasch ändernden ästhetischen Idealen aus dem Bewusstsein der Hörer verschwanden – und hier sehen wir Destouches’ zweites Problem: Als reiner Musikdramatiker konnte er sein Vergessen nicht durch geistliches oder instrumentales Werk kompensieren. Und so ist die Wiederentdeckung von ‚Callirhoé’ durch Hervé Niquet eine Leistung von größter Bedeutung.

Eleganz & Reichtum

 

Das Libretto von Pierre-Charles Roy ist nach einer vom antiken griechischen Autor Pausanias gestalteten Vorlage gestaltet und im Milieu von Prinzessinnen, Prinzen und den Priestern mächtiger Götter angesiedelt – ebenso zeitlos wie dramatisch in der Grundanlage, mit dem Freitod des gegenüber der unglücklichen Prinzessin Callirhoé allzu fordernden Priesters Corésus endend.

Destouches’ Musik kann in vielerlei Hinsicht überzeugen: Satztechnisch avanciert, von großer innerer dramatischer Spannung offenbart sich das Talent des Komponisten vor allem in den delikaten und eleganten Passagen. Hinzu treten eine innovative Melodiebildung und mit den ausgedehnten dramatischen Rezitativen, die fließend in ariose Abschnitte übergehen, wirklich charakteristische Merkmale seines Personalstils – große Teile der fünfaktigen Oper werden von diesem parlierenden Konversationsstils dominiert. Daneben etabliert Destouches die Chöre als wirklich eigenständige Komponente, die sich über bloß kolorierende Funktion erhebt.

Lebendig & dramatisch

 

Hervé Niquet, dem das Verdienst der Hebung dieses musikalischen Schatzes zukommt, beweist in der vorliegenden Aufnahme ein großes Gespür für dramatische Bögen und arbeitet das ‚Große & Ganze’ ebenso überzeugend heraus wie er sich den feinen Details widmet. Klangsinn und farbige Registrierung zeichnen den gelungenen Auftritt des bestens disponierten ‚Le Concert Spirituel’ aus. Hinzu treten potente Solisten, unter denen Stéphanie d’Oustrac in der Titelrolle mit dunkel glänzendem Mezzosopran und João Fernandes als nobler, herrischer Corésus mit kernigem Bariton herausragen.

Niquet und seine Mitstreiter lassen die Wiederbelebung der ‚Callirhoé’ von André Cardinal Destouches notwendig erscheinen – die verdiente Würdigung eines potenten Opernkomponisten.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Destouches, André Cardinal: Callirhoé

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Glossa
2
01.05.2007
Medium:
EAN:

CD
8424562016125


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Glossa

Spaniens renommiertestes Klassiklabel wurde 1992 von Carlos Céster und den Brüdern José Miguel und Emilio Moreno gegründet. Sein "Hauptquartier" hat es in San Lorenzo del Escorial in den Bergen nahe Madrid. Zahlreiche herausragende Künstler und Ensembles aus dem Bereich der Alten Musik (z.B. Frans Brüggen und das Orchestra of the 18th Century, La Venexiana, Paolo Pandolfo, Hervé Niquet und sein Concert Spirituel u.v.a.) finden sich im Katalog des Labels. Doch machte GLOSSA von Anfang an auch wegen der innovativen Gestaltung und Produktionsverfahren von sich reden. Zu nennen wären hier die Einführung des Digipacks auf dem Klassikmarkt und dessen konsequente Verwendung, der Einsatz von Multimedia Tracks oder die Platinum-Serie mit ihrem avantgardistischen Design. Innerhalb der vergangenen knapp zwei Jahrzehnte konnte GLOSSA so zu einem der interessantesten Klassiklabels auf dem Markt avancieren. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt auch dem Spiritus rector und Gesicht des Labels, Carlos Céster.


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