
Destouches, André Cardinal - Callirhoé
Wiederentdeckung
Label/Verlag: Glossa
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Hervé Niquet und ‚Le Concert Spirituel’ entdecken eine wunderbare Oper von André Cardinal Destouches neu: Spritzige Interpretation eines unbedingt hörenswerten Werkes.
Längst vergessene Werke fast unbekannter Komponisten schlummern in Archiven oder privaten Sammlungen und harren ihrer Wiederentdeckung. Nicht immer sind die Ergebnisse der ‚Grabungsarbeiten’ in diesem Umfeld musikalisch erwähnenswert und eine Bereicherung für das Repertoire, manchmal kann doch eher der editorische Wert überzeugen. Anders, ganz anders im vorliegenden Fall.
Die ebenso lyrische wie dramatische Oper ‚Callirhoé’ des Franzosen André Cardinal Destouches (getauft 1672-1749) – zunächst langjährig als Soldat im Dienst des Königs, bevor er sich allmählich in die musikalische Praxis und kompositorische Kunst einführen ließ und rasch zum anerkannten Opernkomponisten avancierte – ist ein Paradebeispiel für die Opernkunst zwischen Lully und Rameau. Hierin liegt jedoch bereits eines der ‚Probleme’, die der langfristigen Rezeption der Arbeiten Destouches’ im Wege standen: Gemeinsam mit seinen Zeitgenossen Desmarest, Campra – der auch der Lehrer von Destouches war – Gervais und Lacoste stand Destouches im Schatten dieser großen Heroen der französischen Musikgeschichtsschreibung. Zwischen Lullys letzter Oper ‚Armide’ aus dem Jahr 1686 und Rameaus erstem musikdramatischen Werk ‚Hippolyte & Aricie’ von 1733 wurde jedoch eine große Zahl musikalisch anspruchsvoller und kompositorisch anspruchsvoller Opern verfasst, wenngleich diese mit dem Verblassen ihrer unmittelbaren Aktualität und den sich rasch ändernden ästhetischen Idealen aus dem Bewusstsein der Hörer verschwanden – und hier sehen wir Destouches’ zweites Problem: Als reiner Musikdramatiker konnte er sein Vergessen nicht durch geistliches oder instrumentales Werk kompensieren. Und so ist die Wiederentdeckung von ‚Callirhoé’ durch Hervé Niquet eine Leistung von größter Bedeutung.
Eleganz & Reichtum
Das Libretto von Pierre-Charles Roy ist nach einer vom antiken griechischen Autor Pausanias gestalteten Vorlage gestaltet und im Milieu von Prinzessinnen, Prinzen und den Priestern mächtiger Götter angesiedelt – ebenso zeitlos wie dramatisch in der Grundanlage, mit dem Freitod des gegenüber der unglücklichen Prinzessin Callirhoé allzu fordernden Priesters Corésus endend.
Destouches’ Musik kann in vielerlei Hinsicht überzeugen: Satztechnisch avanciert, von großer innerer dramatischer Spannung offenbart sich das Talent des Komponisten vor allem in den delikaten und eleganten Passagen. Hinzu treten eine innovative Melodiebildung und mit den ausgedehnten dramatischen Rezitativen, die fließend in ariose Abschnitte übergehen, wirklich charakteristische Merkmale seines Personalstils – große Teile der fünfaktigen Oper werden von diesem parlierenden Konversationsstils dominiert. Daneben etabliert Destouches die Chöre als wirklich eigenständige Komponente, die sich über bloß kolorierende Funktion erhebt.
Lebendig & dramatisch
Hervé Niquet, dem das Verdienst der Hebung dieses musikalischen Schatzes zukommt, beweist in der vorliegenden Aufnahme ein großes Gespür für dramatische Bögen und arbeitet das ‚Große & Ganze’ ebenso überzeugend heraus wie er sich den feinen Details widmet. Klangsinn und farbige Registrierung zeichnen den gelungenen Auftritt des bestens disponierten ‚Le Concert Spirituel’ aus. Hinzu treten potente Solisten, unter denen Stéphanie d’Oustrac in der Titelrolle mit dunkel glänzendem Mezzosopran und João Fernandes als nobler, herrischer Corésus mit kernigem Bariton herausragen.
Niquet und seine Mitstreiter lassen die Wiederbelebung der ‚Callirhoé’ von André Cardinal Destouches notwendig erscheinen – die verdiente Würdigung eines potenten Opernkomponisten.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Destouches, André Cardinal: Callirhoé |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Glossa 2 01.05.2007 |
Medium:
EAN: |
CD
8424562016125 |
![]() Cover vergössern |
Glossa Spaniens renommiertestes Klassiklabel wurde 1992 von Carlos Céster und den Brüdern José Miguel und Emilio Moreno gegründet. Sein "Hauptquartier" hat es in San Lorenzo del Escorial in den Bergen nahe Madrid. Zahlreiche herausragende Künstler und Ensembles aus dem Bereich der Alten Musik (z.B. Frans Brüggen und das Orchestra of the 18th Century, La Venexiana, Paolo Pandolfo, Hervé Niquet und sein Concert Spirituel u.v.a.) finden sich im Katalog des Labels. Doch machte GLOSSA von Anfang an auch wegen der innovativen Gestaltung und Produktionsverfahren von sich reden. Zu nennen wären hier die Einführung des Digipacks auf dem Klassikmarkt und dessen konsequente Verwendung, der Einsatz von Multimedia Tracks oder die Platinum-Serie mit ihrem avantgardistischen Design. Innerhalb der vergangenen knapp zwei Jahrzehnte konnte GLOSSA so zu einem der interessantesten Klassiklabels auf dem Markt avancieren. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt auch dem Spiritus rector und Gesicht des Labels, Carlos Céster. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Glossa:
-
Quirlig und grob: Mehr Sorgfalt hätte diesem Live-Mitschnitt einer Rossini-Oper in allen Bereichen gut getan. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Original und Umarbeitung: Das Konzept dieser Avison/Scarlatti-CD bleibt unklar. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Der rasende Countertenor: Ein Konzeptalbum um Ariosts Dichtung 'Orlando furioso', die so viele Barockkomponisten inspiriert hat. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Matthias Lange:
-
Pisendel-Akzent: Ein feines Pisendel-Porträt von Concerto Köln und der Geigerin Mayumi Hirasaki, voller konzertanter Vielfalt, ja Buntheit. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Bayerischer Polyphonist: Auf Paul Van Nevel und das Huelgas Ensemble ist Verlass: In Sachen sängerischer Qualität ebenso wie mit Blick auf die Erforschung zu wenig ausgeleuchteter Nischen im Repertoire. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Kontrapunktischer Eigensinn: Fabio Antonio Falcone gelingt eine eindrucksvolle Präsentation mit Werken von Jan Pieterszoon Sweelinck: Interpretatorisch wie im Blick auf das Repertoire. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Russische Cello-Raritäten: Marina Tarasova stellt hier zwei bemerkenswerte russische Cellosonaten des 20. Jahrhunderts vor. Weiter...
(Dr. Jan Kampmeier, )
-
Nicht verwandt und nicht verschwägert: Klaviermusik vom Mozart-Freund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Federleicht wie Träume: Aufbruch in die Klangwelten Salvatore Sciarrinos. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich