
Schumann, Robert - Das Paradies und die Peri op. 50
Religiöse Inbrunst und Bildkraft
Label/Verlag: Arts music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Was Robert Schumann in der Ballade des sündigen Engels, der die Seligkeit des verlorenen Paradieses wiedergewinnen will, mit melodischer Süße und strömendem Melos durchtränkt hat, formt der große Carlo Maria Giulini zur bezwingenden musikalischen Einheit.
‘Mich dünkt es das Herrlichste, was er je geschrieben. Er arbeitet auch mit Leib und Seele dran, mit einer Glut, die mir zuweilen bangt, es möchte ihm schaden…’, so kommentiert Clara Schumann ihre Eindrücke über das weltliche Oratorium ‘Das Paradies und die Peri’, das Ehemann Robert als eine Konzertkantate ‘nicht für den Betsaal, sondern für heitre Menschen’ 1843 vollendet hat. Selten genug findet das ganz aus romantischem Geist, aus poetischer Schwärmerei und Gefühlsseligkeit heraus empfundene Werk Eingang ins Repertoire der Chöre. Dabei handelt es sich um ein fesselndes Plädoyer für den Musikdramatiker Robert Schumann. Einer Popularisierung legen sich einige Stolpersteine in den Weg: so mutet der Text, den Robert Schumann dem Epos ‘Lalla Rookh’ des irischen Dichters Thomas Moore entnahm (ein Erlösungsmythos in orientalisch-indischer Bilder- und Gestaltenwelt) aus heutiger Sicht doch ein wenig verstiegen an.
Der Peri, einer Gestalt aus der persischen Mythologie, vergleichbar etwa mit der europäischen Nixe oder Fee, haftet von allem Anfang das Stigma der Erlösungsbedürftigkeit an. Das entsprach durchwegs den Zeitströmungen der vierziger Jahre im 19. Jahrhundert, die sich an der älteren Romantik orientierten, aber auch die Sehnsucht zum Orient zu einer ausgesprochenen Modeerscheinung machten. Dabei resultiert Schuld aber nicht aus einem konkreten Anlass, sondern entspringt kollektiver Verderbnis und unabwendbarer Schicksalhaftigkeit. Robert Schumanns dreiteiliges Werk reflektiert die drei Etappen der Erlösungsgeschichte: um Einlass in das Paradies zu erhalten, muss die Peri ‘des Himmels liebste Gabe’ darbringen. Diese sucht sie zuerst im Blut eines sich in der Schlacht opfernden Patrioten, im 2. Teil im Liebes- und Opfertod eines Mädchens für ihren pestkranken Geliebten und schließlich erfolgreich in der Träne, die ein Verbrecher beim Anblick eines unschuldigen Kindes aus Reue vergießt.
Nur zögerlich näherten sich die Phonographen bislang der für die damalige Zeit so kühnen und fantasiereichen Komposition. 1974 veröffentlichte die EMI das Oratorium in einer ‘Quadro-Einspielung’ mit den Düsseldorfer Symphonikern und Düsseldorfer Chören - sicher eine Wiedergutmachung für Robert Schumann, einem von Düsseldorf Enttäuschten. Leider fiel diese Aufnahme dem Rotstift zum Opfer. Im Augenblick stößt man in den deutschen Katalogen auf fünf Einspielungen, darunter auf die von Gustav Kuhn mit den Bamberger Symphonikern durchwegs sensibel, mit straffen Tempi ausgelotete Produktion (RCA). Einen musikalischen Edelstein legte John Eliot Gardiner l997 mit dem glänzend aufgelegten Orchestre Revolutionnaire et Romantique vor. Der Musikdramatiker Schumann wird in einer verschlankten Diktion interpretiert mit viel Gespür für die reizvollen poetischen Sphären. (DG Archiv l997).
Dass die Geschichte des gefallenen Engels musikalisch ein Juwel ist – kein anderer als der Gentleman unter den dirigentischen Altmeistern, der 2005 in Mailand verstorbene Carlo Mario Giulini, macht die religiöse Inbrunst und Bildkraft dieser liedhaft geschlossenen Chöre, Ensemble- und Solistenpartien suggestiv hörbar. Und man erfährt die sorgfältige Vorbereitung dieses ‘Giganten des Akkuraten’ (Corriere de la Sera), der den Weltabschied in Mahlers 9. Sinfonie mit dem Chicago Symphony Orchestra (DG) erschütternder wie kaum ein anderer Dirigent vermittelte. ‘Ich dirigiere ja nicht nur, weil ich Partituren lesen kann. Wenn ich ein Werk dirigiere, muss ich an jede Note glauben und sie lieben’. Und das tut er in der Tat. Carlo Mario Guilini beherrschte die Kunst des ehrlichen, integren Musizierens. Akkurat spürt er in Schumanns Oratorium die Details auf, spannt einen großen Bogen. Was Schumann mit lyrischer Innigkeit, melodischer Süße und strömendem Melos durchtränkt hat, bringt ‘Santo Carlo della Sinfonia’ zur zwingenden musikalischen Einheit.
Das Orchestra Sinfonica RAI di Roma musiziert in dieser live mitgeschnittenen Aufnahme homogen in allen Instrumentengruppen. Mit Feingefühl steuert Giulini die Ereignisse ohne aufdringliche luxuriöse Schwärmerei. Das gilt vor allem für die Schlussszenen ‘Es fällt ein Tropfen aufs Land Ägypten’ (Nr. 25) und das romantische Gefühle atmende ‘Freud’, ew’ge Freude, mein Werk ist getan…(Nr. 26). Im erwärmenden Timbre tönen Robert Schumanns musikalische Herrlichkeiten, wohl auch ein Verdienst der sauber deklamierenden Chöre aus Rom und der fabelhaften solistischen Leistungen. Margaret Price fasziniert mit ihrer leuchtkräftigen Stimme in der Partie der Peri. Mit den Damen Oliviera Miljakovic, Anne Howells, Marjorie Wright, den männlichen Stimmen von Werner Hollweg und Wolfgang Brendel, Carlo Gaifa und Robert Amis el Hage sind Protagonisten am Werk, die den schwärmerischen Romantizismen edlen Ausdruck verleihen.
Ein wenig merkt man der Aufnahme das Alter an. Die chorischen Partien könnten wohl präsenter klingen. Ansonsten gelingt die klangliche Balance schlüssig. Dass Margret Price im Jubelfinale das dreigestrichene c ein wenig mühsam herausschleudert, mag den positiven Eindruck ihrer mit viel Leuchtkraft dargebotenen Partie nicht schmälern. Warum blieb die Textredaktion die Spieldauer der Tracks schuldig? Für eine vergleichende Diskografie wären die Angaben wohl nützlich gewesen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Schumann, Robert: Das Paradies und die Peri op. 50 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Arts music 2 30.04.2007 |
Medium:
EAN: |
CD
0600554307626 |
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Fono Forum: ""an unexpected enrichment"" klassik.com: ""fabulous soloistic performances. Margaret Price fascinates with her colorful voice...."" Kleine Zeitung (Graz): ""a real trasure... Margaret Price, Werner Hollweg and Wolfgang Brendel are brilliant vokal soloists"" |
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