
Kühr, Gerd - Revue instrumentale et électronique
Revue des Imaginären
Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Gerd Kührs Revue instrumentale et électronique vom Steirischen Herbst in Graz ist mit dem Klangforum Wien bei Kairos erschienen. Eine Zeitschau zwischen Wirklichkeit und Imagination, Referenz und Reverenz einer veritablen Revue.
Der musikalische Charakter einer Revue wird gemeinhin mit der breiten Palette der Unterhaltungsmusik verbunden. In ihr tummeln sich Schlager, Tänze und Komisches um sich zu einem bunten Bild der Ausgelassenheit zu vereinen. Nun hat auch der österreichische Komponist Gerd Kühr eine Revue geschrieben. Seine Revue instrumentale et électronique wurde 2005 beim Steirischen Herbst in Graz mit dem Klangforum Wien und dem IEM Graz uraufgeführt. Formal gesehen ist das Werk eine Raumkomposition für Instrumentalensemble und Zuspielungen – fern also von den umherschwirrenden Gemeinplätzen, die der Form der Revue anhängen.
Mit dem Wort ‘Revue’ verbinden sich aber auch andere Assoziationen. Eine Rückschau will sie sein, mithin vielleicht Rêverie, Revelge, Tagtraum. So beginnt Kührs Werk mit unterschiedlichen Klangfiguren, die einzeln evoziert werden, eingeleitet von einer ganzen Batterie von Trommelsignalen. Diese Klangfiguren, die ganz verschiedenen musikalischen Bewusstseinsschichten zu entspringen scheinen, werden sich im Verlauf des Werkes zu einer ‘imaginären Sound-Machine’ vereinen, gekrönt von einem virtuosen Finale, dem Virtual Dance.
Im Raum positioniert befinden sich fünf Instrumentalgruppen: ein dunkel timbriertes Ensemble im Zentrum der Bühne, vier Trios im Raum verteilt und vier Schlagzeuger in den Eckpunkten. Ein Wechselspiel zwischen kammermusikalischer Intimität und raumübergreifendem Ensembleklang entsteht, und auch in seiner musikalischen Faktur ist Kührs Werk ein ständiges Changieren zwischen den Genres. So gelangt die Form der Revue zu ihrer Erfüllung, indem Techniken der Collage, des Überblendens und der Karikierung einen Zeitstrom verschiedener Gefühle schaffen.
Zu dem an sich schon komplexen Ensembleklang kommen verschiedene Zuspielungen, die aus bearbeiteten Liveaufnahmen des Instrumentariums bestehen. So wird der Ensembleklang erweitert, räumlich ausgeweitet und verdichtet. Die Zuspielungen liefern mal rhythmisch subtile Akzente, mal Flächen, die aus mehreren tausend Klangschichtungen bestehen. Das Publikum wird auf diese Art und Weise in einen Sog hineingezogen, in dem es eine Synthese von Orchesterklang und Elektronik erfährt, aber auch Klangprozesse wahrnehmen kann, die sich von einem Punkt im Raum in den unterschiedlichsten Formen über den Hörer ergießen.
Dem Hörer an der heimischen Stereoanlage wird dieses Erlebnis durch das Surroundformat der SA-CD möglich gemacht – der Stereoklang kann nur ein ungefähres Abbild dieser vielschichtigen Bewegungsprozesse liefern.
Das imaginäre Tanztheater zwischen schriller Aufgeregtheit und statischer Verinnerlichung wird vom Klangforum Wien unter der Leitung von Emilio Pomárico virtuos umgesetzt. Besonders in den Momenten präziser räumlicher Koordination entsteht ein brillantes Spektakel, eine Manege der unterschiedlichsten artistischen Darbietungen, die sich zu einem vielfarbig schillernden Kaleidoskop von Klängen zusammenfügen. Die äußerst fein ausgearbeiteten Zuspielungen fügen sich so wunderbar in den akustischen Kontext ein, dass ein veritables Gesamtkunstwerk von großer Schlüssigkeit entsteht. In einer Revue soll der Zuschauer etwas von der ihn umgebenden Alltäglichkeit vergessen und eine andere Welt – vielleicht eine bessere, oder zumindest den Hauch einer solchen – erfahren. Diese Evokation des Utopischen ist Gerd Kühr in jeder Hinsicht geglückt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Kühr, Gerd: Revue instrumentale et électronique |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Kairos 1 11.05.2007 |
Medium:
EAN: |
CD
9120010281174 |
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