
Schumann, Robert - Concerto for cello and orchestra in A minor op.129
Märchenerzählung
Label/Verlag: Berlin Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine gesunde und wohlklingende Mischung aus Hell und Dunkel.
Verfolgt man den diskographischen Weg des Cellisten Jan Vogler, so fällt schnell auf, dass er mit Mainstream nichts am Hut hat. Er koppelt Kodaly mit Händel, er verbindet de Falla mit Weill. Kein Dvorak, kein Saint-Seans, kein Lalo. Auch Schumanns Cellokonzert führt auf den Podien und in den Plattenkatalogen eher ein Schattendasein. Also das richtige Werk für Jan Vogler: Er hat es jetzt mit dem Münchener Kammerorchester und Christoph Poppen bei Berlin Classics eingespielt, zusammen mit einer Weltersteinspielung: Jörg Widmanns ‚Dunklen Saiten' für Cello, Orchester und zwei Frauenstimmen, das in den Jahren 1999 und 2000 entstand und auf der Expo in Hannover seine Uraufführung erlebte.
Schumanns Cellokonzert, das so leicht als Virtuosenstück missbraucht werden kann, scheint der 35-jährige Vogler als Geschichte zu verstehen. Er übernimmt die Rolle des Erzählers, der das Märchen düster und leidenschaftlich beginnt, um dann die einzelnen Stränge der ‚Geschichte' mit wechselndem Ausdruck deutlich auf den Punkt zu bringen. Witzig, dass auch Jörg Widmann bei seinen im Booklet abgedruckten ‚Gedankensplittern zu Schumanns Cellokonzert' das Wort ‚Märchenerzählung' fallen lässt: ‚Spannung-Entspannung, Vorhalt-Auflösungen, Märchenerzählung; überhaupt: rhapsodischer Tonfall. Dabei: reinste Poesie, Erfindung, Fantasiestück.'
Mit seiner Sicht der Musik gelingt es Vogler, den von Schumann beabsichtigten heiteren Charakter des Werkes voll zu treffen ohne die stürmisch leidenschaftlichen Passagen, etwa das Hauptthema des ersten Satzes, mit zu wenig Schmackes und Verve zu nehmen. Diese Herangehensweise macht die Interpretation abwechslungsreich und interessant. Die komponierte Dominanz des Soloinstrumentes - des Erzählers - wird durch die glasklare und akzentuierte Begleitung des Münchener Kammerorchesters unter Christoph Poppen begünstigt. Leider auch etwas durch die Aufnahmetechnik, die das Cello fast zu weit in den Vordergrund zieht.
Vogler spielt ein Instrument von Andrea Guarneri aus dem Jahr 1712. Der Ton des Cellos ist neutral; eine gesunde und wohlklingende Mischung aus Hell und Dunkel - ja, fast tenoral, wenn man diese Lagenbezeichnung auf ein Streichinstrument überhaupt anwenden kann. Für Schumann und die federnd aufspielenden Münchner jedenfalls ein perfekter Klang.
Düster und depressiv beginnt Jörg Widmanns (geboren 1973) Komposition ‚Dunkle Saiten' für Cello, Orchester und zwei Frauenstimmen, die Jan Vogler gewidmet ist. 44 Minuten lang wird der Hörer von abgründigem Brummen und hysterischen Ausbrüchen heimgesucht.
Mache ich es doch mal umgekehrt. Schreibe ich, wie es Widmann bei Schumann tat, über seine Musik ‚Gedankensplitter':
Grollend
Wie der Beginn der Alpensinfonie
Kleine Aufhellungen im Cello, angedachte, schnell negierte Melodiebögen
Katzenmusik?
Sich um sich selbst windende, sich die Luft abschnürende Würgeschlangen
Oh, wie liebe ich Mozart!
Aaaahhhhh, endlich: hohe Streicher und Blech
Jetzt wird es spannend (so ab 7:00 im Track 4)
Märchenerzählung? Vielleicht: American Werwolf oder ‚Scream'
Das Klavier ist verstimmt. Aber das soll sicher so sein… hmmm
Noch 36 Minuten
Dabei sieht der Komponist doch so sympathisch aus…
Wieso soll man sich diese Musik anhören?
Extremste Avantgarde. Gab es da nicht inzwischen neue Ansätze?
Tremolo, Cello - Kontraste
Warum muss ein Cello so hoch spielen wie eine Geige?
‚Fragensplitter...'
Jörg Widmann: Ein Exzess-Stück, das den Rahmen eines Cellokonzertes (durch Einbeziehung von zwei Frauenstimmen) und den einer Kammerbesetzung sprengt (21 Streicher, Flöte, Klarinette, Trompete, Posaune, 4 Hörner, Klavier, Celesta, 3 Schlagzeuger).
Über ein Jahr habe ich immer wieder daran komponiert, verworfen, weitergeschrieben. Das Stück hat sich eine eigene sperrige Form gesucht und mir die Wanderung durch extremste emotionale Bereiche abgetrotzt/ermöglicht.
Die Funktion des Solo-Cellos ist die eines Gedicht-Ichs. Ununterbrochen singt, weint, kämpft es gegen immer größere orchestrale Gewalten, bis es nach etwa einer halben Stunde erschöpft aufgibt. Sein Gesang wird aufgespalten in zwei Frauenstimmen. Diese sind Illusion einer unendlichen Stimme, bis sie schließlich gewaltsam in entgegengesetzte Richtungen gezerrt werden und fortan gespalten agieren. Die gerufenen Geister der Dunkelheit verschwinden erst, als das Cello zurückkehrt und in lichtere Gefilde schwebt. […]
Und Jan Vogler? Er ‚spielt' die Musik. Wie? Keine Ahnung!
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Schumann, Robert: Concerto for cello and orchestra in A minor op.129 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
Berlin Classics 1 15.03.2001 65:35 2001 2001 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
0782124171421 0017142BC |
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Schumann, Robert |
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Berlin Classics Berlin Classics (BC) ist das Klassik-Label der Edel Germany GmbH. Es ist das Forum für zahlreiche bedeutende historische Aufnahmen, wichtige Beiträge der musikalischen Zentren Leipzig, Dresden und Berlin sowie maßgebliche Neuproduktionen mit etablierten und aufstrebenden jungen Klassik-Künstlern. Dazu zählen etablierte Stars, wie z.B. die Klarinettistin Sharon Kam, die Pianisten Ragna Schirmer, Sebastian Knauer, Matthias Kirschnereit, Anna Gourari und Lars Vogt, die Sopranistin Christiane Karg oder auch die Ensembles Concerto Köln, Pera Ensemble, sowie der Dresdner Kreuzchor und das Vocal Concert Dresden. Mehrfach wurden Produktionen mit einem Echo-Preis ausgezeichnet. Im Katalog von Berlin Classics befinden sich Aufnahmen mit Kurt Masur, Herbert Blomstedt, Kurt Sanderling, Franz Konwitschny, Hermann Abendroth, Günther Ramin, Peter Schreier, Ludwig Güttler, Dietrich Fischer-Dieskau, die Staatskapellen Dresden und Berlin, das Gewandhausorchester Leipzig, die Dresdner Philharmonie, die Rundfunkchöre Leipzig und Berlin, der Dresdner Kreuzchor und der Thomanerchor Leipzig. Sukzesssive wird dieses historische Repertoire für den interessierten Hörer auf CD wieder zugänglich gemacht, wobei die künstlerisch hochrangigen Analogaufnamen mit größter Sorgfalt unter Anwendung der Sonic Solutions NoNoise-Technik bearbeitet werden, um sie an digitalen Klangstandard anzugleichen. Mehr Info... |
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