
Schubert, Franz - Sinfonie Nr. 8 in C-Dur
Dramatische Auskostung des Epischen
Label/Verlag: Tudor
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Abschluss des Schubert-Projekts der Bamberger Symphoniker mit Jonathan Nott könnte besser nicht ausfallen: Eine wunderbare, in allen Belangen überzeugende Einspielung der ‘Großen C-Dur-Sinfonie’. Interpretatorisch und klanglich auf höchstem Niveau.
Mit der Aufnahme der ‘Großen C-Dur-Sinfonie’ (D 944) Franz Schuberts beschließen der englische Dirigent Jonathan Nott und seine Bamberger Symphoniker ihr Schubert-Projekt, das nicht nur die Gesamtaufnahme der Sinfonien Schuberts beinhaltete, sondern auch ein überaus hörenswertes Kompendium kreativer Auseinandersetzung zeitgenössischer Komponisten mit Franz Schuberts Musik (‘Schubert Dialog’ und ‘Schubert Epilog’, beide ebenfalls bei Tudor erschienen). Die bisher zu verzeichnenden Steigerung von der ersten Veröffentlichung (Erste, Dritte und eine ziemlich enttäuschende ‘Unvollendete’) über die Zweite und Vierte, dann Fünfte und Sechste, führt Nott mit der Einspielung der Achten fort: Diese Interpretation ist zweifellos der Höhepunkt der Schubert-Gesamteinspielung, eine in allen Belangen überzeugende Aufnahme.
Nicht nur ‘himmlische Längen’
Nott scheint in seiner Interpretation die Quadration des Kreises zu gelingen: die perfekte Synthese aus dem Epischen, den von Schumann so geschätzten ‘himmlischen Längen’, und einem dramatischen Zugang insofern, als hier die spannungsvolle Anlage (in der Entwicklung der Form, der Dynamik, des Pulses, etc.) des Werks voll ausgereizt wird. Und das, obwohl Nott das in der Achten angelegte Epische zur Gänze ausspielt, etwa in den Expositionswiederholungen der Ecksätze, die sonst kaum beachtet werden (auch nicht von dem pariturtreuen Günter Wand, zu dessen schwer zu übertreffender Einspielung Nott hiermit eine ernst zu nehmende Alternative bietet). Dadurch freilich wächst der Satz zu der Länge von 16 Minuten an, präsentiert sich aber wohltuend anders als gewohnt. Die Durchführung nimmt gegenüber der mächtigen Exposition (mit langsamer Einleitung) eine weniger bedeutende Position ein; es wird vielmehr deutlich, wie Schubert sein Material, um den einleitenden Hornruf herum gebaut, bereits im ersten Teil des Satzes entwickelt.
Dass dem Hörer bei dieser epischen Breite keinen Moment langweilig wird, liegt an der famosen Gestaltung der Bamberger Symphoniker unter ihrem Chefdirigenten Jonathan Nott. Wie bei kaum einer anderen Einspielung hört man hier das dichte Orchestergeflecht Schuberts klar und transparent; aus dem, was sonst oft nur Klang ist, wird hier gestalteter Ablauf, Stimmengewebe. Dass die Bamberger Symphoniker in großer Besetzung zu solcher Durchsichtigkeit und exzellenter Balance fähig sind, verdient höchstes Lob – an Orchester wie Dirigent. Die einzelnen Instrumentengruppen sind bestens miteinander abgestimmt, die Phrasierung ist sehr plastisch und subtil gestaltet. Nott hält seine Musiker streng an der Leine, so dass der Sound nie zu dick wird, auch das Blech wird streng am Zügel geführt, was dem Gesamtklang sehr gut tut. Dennoch nutzt Nott die dynamischen Kontraste wirkungsvoll aus, schafft spannungsvolle Steigerungen und auch wuchtige Klangentladungen mit der nötigen Prägnanz im Blech (aber immer abgestimmt mit den anderen Gruppen). Damit gelingt ihm eine hinreißende Darstellung der ‘Großen C-Dur-Sinfonie’, die alles zu bieten hat: melodische Wärme, kontrapunktische Durchsichtigkeit, schlanke, schlackenlose Phrasierung, hervorragende Klangbalance, Kontrastreichtum im Dynamischen, große Bögen und effektvolle Steigerungen. Dazu schlägt er durchweg ein ziemlich flottes Tempo an, was der Musik bestens bekommt.
Glänzende Klangqualität
Wie schon bei den vorliegenden Aufnahmen mit Nott und den Bamberger Symphonikern führte die Zusammenarbeit von Bayerischem Rundfunk und dem Schweizer Label Tudor zu einer klanglich außerordentlichen Aufnahme, die das dunkle Timbre der Bamberger ebenso gut eingefangen hat wie dynamische Schattierungen und Kontraste und die meisterliche Klangabstimmung innerhalb der Orchestergruppen.
Neben den Aufnahmen mit historisch orientierter Stoßrichtung bietet Nott mit den Bamberger Symphonikern in der ‘traditionellen’ Sparte damit eine Aufnahme, die mit den besten konkurrieren kann. Ein glanzvoller Abschluss des Schubert-Projekts an der Regnitz wie man ihn sich besser nicht vorstellen könnte.Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Schubert, Franz: Sinfonie Nr. 8 in C-Dur |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
Tudor 1 02.03.2007 61:47 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
SACD
7619911071448 Tudor 7144 |
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