Aus dem Pressetext:
Gloria Höhepunkte Geistlicher Chormusik
Aus dem choros des antiken griechischen Theaters ist die Bezeichnung für eine Gemeinschaft von Singenden hergeleitet, die sich ab dem Mittelalter in Europa entwickelte. Aus der seit der Spätantike gesungenen lateinischen Kirchenmusik, die unter Papst Gregor I. als Gregorianischer Choral gesammelt und vereinheitlicht wurde, einem rein einstimmigen Gesang, entstand bald die erste Mehrstimmigkeit. Die Renaissance brachte komplexe Arten von mehrstimmigen a cappella-Sätzen hervor, die im Verlauf des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt in der Mehrchörigkeit erreichten, womit neuartige klangliche Erfahrungen durch die Gegenüberstellung mehrerer Chöre im (Kirchen)Raum ermöglicht wurden. Der Chor wurde zunehmend funktional vor allem in Oper, Kantate und Oratorium. Mit dem Spätbarock war dann jene Entwicklungsstufe erreicht, die das heutige Chorverständnis ausmacht: ein festes Chorensemble, deutlich abgegrenzt von dem Instrumentalensemble (dem Orchester); Werke vorwiegend geistlichen Inhalts mit lateinischen, immer stärker aber auch landessprachlichen Texten; zunehmend im repräsentativen Charakter. Durch die ersten bürgerlichen Chorvereinigungen des 19. Jahrhunderts Vorläufer der heutigen Philharmonischen Chöre standen Ensembles in einer Größenordnung zur Verfügung, die mit den sinfonischen Orchestern zu konkurrieren und zusammenzuarbeiten vermochten. Im Chorgesang konnten Inhalte geistliche und weltliche, nationale und ideale, reaktionäre und revolutionäre plakativ zum Ausdruck gebracht werden; in selbständigen Kompositionen, aber auch in den aus größerem Zusammenhang herausgelösten Chornummern. Die Kombination von populären, selten inhaltlich zusammenhängenden sondern vielmehr klangprächtig beeindruckenden Stücken (im musikalischen Kontext wird dies nicht als Anthologie, sondern öfters als Florilegium bezeichnet) kam im Verlauf der 19. Jahrhunderts auf und bestimmt bis heute die Konzertprogramme.
Der Chor des Bayerischen Rundfunks stellt sich hier mit den Höhepunkten Geistlicher Chormusik von der Barockzeit bis zur Moderne vor. Bachs und Händels große Oratorienchöre sind heute nach dreihundert Jahren so lebendig, lebensnah und packend, wie sie es damals waren. Haydn gelang es, dies für die Kirchenmusik der Epoche der Wiener Klassik zu bewahren, deren Höhepunkt mit Beethovens Missa solemnis erreicht wurde. Schuberts innige Messkompositionen stehen als Beispiel für die deutsche Frühromantik, Gounods Cäcilienmesse als eines für die französische und Dvořáks Stabat mater als eines für die böhmische Romantik des mittleren und späten 19. Jahrhunderts. Verdis berühmte Messa da Requiem bezeugt die enge Verbindung der italienischen Opern- mit der italienischen Kirchenmusik. Die unmittelbar vor Ende des Zweiten Weltkriegs geschaffene Messe des Ungarn Kodály ist noch ganz der spätromantischen Musiksprache verhaftet, während der estnische Komponist Pärt auch in seiner kurz vor Ausgang des 20. Jahrhunderts entstandenen Berliner Messe jenen charakteristischen tintinnabuli-Stil pflegt, der seine Arbeiten inspiriert und prägend bestimmt. Der Querschnitt aus bekannten und teils auch weniger bekannten Chornummern umspannt einen Zeitraum von nahezu dreihundert Jahren; er zeigt eindrücklich auf, was den besonderen Charakter, die besondere Aura der Chormusik ausmacht, was sich während der Zeitläufte geändert hat und was sich ähnlich blieb. Und er bezeugt die einzigartige Chorkultur des Chors des Bayerischen Rundfunks, den immer wieder in höchsten Tönen gelobten glasklaren Klang und die ungeheure Plastizität des Vortrags und eine höchste künstlerische Qualität der Interpretationen.
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