
Olga Neuwirth, © Riccordi, Harald Hoffmann
Kirchenlied muss aus Partitur gestrichen werden
Erbengemeinschaft erzwingt Änderung in Olga Neuwirths Oper Orlando
Wien, . Knapp einen Monat nach der Uraufführung von Olga Neuwirths "Orlando" an der Wiener Staatsoper werden Änderungen in der Partitur notwendig. Die Rechtsinhaber des Liedes, die Erbengemeinschaft Martin Gotthard Schneider sowie der Gustav Bosse Verlag Kassel, distanzierten sich von der Verwendung des Liedes und der Form der Darstellung. Das Lied werde in Neuwirths Oper Orlando in einer karikierend-entwürdigenden Form dafür verwendet, die Bigotterie in der Gesellschaft darzustellen, u. a. den sexuellen Missbrauch von Kindern. Die Verwendung des Liedes "Danke für diesen guten Morgen" in diesem Kontext entspreche in keiner Weise den Intentionen des Komponisten Martin Gotthard Schneider. Der zuständige Ricordi-Verlag hat daraufhin das Lied aus allen Ton- und Bildaufnahmen des Werkes entfernt. Die Wiener Staatsoper, die "Orlando" basierend auf dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf uraufgeführt hatte, sprach bezüglich des Schneider-Stückes von einer vorläufigen Genehmigung für die Uraufführung. Eine Wiederaufnahme ist zurzeit nicht geplant.
Martin Gotthard Schneider wurde am 26. April 1930 in Konstanz geboren. Er studierte evangelische Theologie und Kirchenmusik in Heidelberg, Tübingen und Basel, danach arbeitete er ab 1958 in Freiburg. Während seiner Arbeit als Vikar und Religionslehrer schrieb er eigene Kirchenmusik, nebenberuflich war er auch als Bezirkskantor tätig. 1958 wurde er beim Improvisationswettbewerb Haarlem ausgezeichnet, drei Jahre später gewann er mit "Danke für diesen guten Morgen" den Liedwettbewerb der Evangelischen Akademie Tutzing. 1961 gründete er in Freiburg die Heinrich-Schütz-Kantorei, welcher er bis 2009 leitete. Nachdem er 1970 zum Kirchenmusikdirektor ernannt worden war, hatte er bis 1995 die Kantorenstelle an der Ludwigskirche und der Pauluskirche in Freiburg inne. Zusätzlich war er von 1973 bis 1995 Landeskantor in Südbaden. Von 1963 bis 1997 war er außerdem an der Staatlichen Hochschule für Musik Freiburg angestellt, 1980 erhielt er eine Professur. Martin Gotthard Schneider starb am 3. Februar 2017 in Konstanz.
Olga Neuwirth wurde am 4. August 1968 in Graz geboren. Neuwirth zählt zu den bedeutendsten Komponistenpersönlichkeiten der Gegenwart. Als Tochter des Jazz-Musikers Harry Neuwirth und Nichte des Musikwissenschaftlers und Wiener-Schule-Spezialisten Gösta Neuwirth wuchs sie in der Tradition beider Musikformen auf. Ein Unfall machte ihren ursprünglichen Plan, Jazz-Trompeterin zu werden, zunichte und so begann sie bereits mit 15 Jahren mit dem Komponieren. Sie studierte Komposition an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst und am Elektro-Akustischen Institut, beide in Wien. Weitere Studien folgten in San Francisco und Paris. Wesentliche Anregungen gingen zudem von Komponisten wie Adriana Hölszky, Tristan Murail und Luigi Nono aus. 1991 wurde sie mit den beiden Mini-Opern "Der Wald – Ein tönendes Fastfoodgericht" und "Körperliche Veränderungen" nach Texten von Elfriede Jelinek international bekannt. Neue Medien und alte Instrumente sind für Olga Neuwirth keine Widersprüche. 2003 erfolgte beim „steirischen herbst“ in Graz die Uraufführung des Musiktheaters "Lost Highway" nach dem gleichnamigen Film von David Lynch. Bei den Salzburger Festspielen wurde ihr Trompetenkonzert von den Wiener Philharmonikern uraufgeführt. 2002 war sie Composer in Residence bei den Luzerner Festwochen, 2007 nahm sie an der documenta 12 mit der Klanginstallation "...miramondo multiplo..." teil, 2016 beim Lucerne Festival, wo ihr für Martin Grubinger geschriebenes Schlagzeugkonzert uraufgeführt wurde. Sie erhielt für ihr Schaffen mehrere Auszeichnungen, etwa den South Bank Show Award und den Großen Österreichischen Staatspreis. 2006 wurde sie Mitglied der Akademie der Künste Berlin und 2013 Mitglied der Akademie der Künste München.
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