Franz Schubert
Die Winterreise
Was Schubert seinen Freunden als "Zyklus schauerlicher Lieder" vorstellte, stieß bei der ersten Darbietung auf wenig Anerkennung. Zu depressiv, zu hoffnungslos schienen die 24 Lieder, die von einem in der Liebe enttäuschten Mann und dessen ziellose Reise durch eine erstarrte Winterlandschaft erzählen.
Schubert wußte nur allzu gut, welchen Schmerz eine unglückliche Liebe auslösen kann. Er war nicht gerade der Typ, für den sich Frauen begeistern können: nur 157 cm groß, dazu pummelig, von seinen Freunden "Schwammerl" genannt - eine ganz und gar unsportliche Erscheinung. Noch dazu war der früh entwickelte, ernst gesinnte und oft melancholische Künstler kein unterhaltender Gesprächspartner und so sehr er sich auch nach Liebe sehnte, dieses Lebensglück blieb ihm zeitlebens verwehrt. Als Sechsundzwanzigjähriger schuf er mit Die schöne Müllerin seinen ersten großen Liederzyklus, in dessen zwanzig Liedern er seinen Liebesschmerz, ganz anders als in der Winterreise, aber auch auf bewundernswerte Weise auszudrücken wußte. Ein Leben ohne erfüllte Liebe mußten zwar auch Beethoven, Brahms oder Tschaikowsky führen, doch auf Schubert wartete ein besonders hartes Schicksal: Er erkrankte - gerade Mitte Zwanzig -an Syphilis. War dem jungen Mann in seinem Verlangen nach Nähe und Zuneigung nur die käufliche Liebe geblieben? Die heimtückische Geschlechtskrankheit war damals noch unheilbar, heute wird sie sehr wirkungsvoll mit (dem leider erst 1929 entwickelten) Penicillin behandelt und hinterläßt keine bleibenden Schäden mehr. Für Schubert bedeutete die Diagnose aber ein Todesurteil und obwohl ihm nur noch wenige Jahre blieben, arbeitete er trotz ständig wiederkehrender Ausschläge, starker Kopfschmerzen, Depressionen und Fieberschüben mit einem unbeugsamen Willen. Insgesamt brachte es Schubert auf 998 Werke, darunter sind etwa 600 Lieder und da die Bezeichnung "Lied" in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht wird, betone ich, dass es sich hier um Kunstlieder handelt, die in Schuberts Werken ein ganz neues künstlerisches Niveau erreicht haben. Schon in den frühen Goethevertonungen Erlkönig (op. 1) und Gretchen am Spinnrade (op. 2) setzte Schubert neue Maßstäbe und wurde dann auch zunächst als Liederkomponist geschätzt. Als er 1827 die ersten 12 Lieder der Winterreise zu seinem Verleger Haslinger bringen ließ, war er längst ein reifer Meister der Liedkomposition. Dennoch erhielt er als Entgelt nicht mehr als 1 Gulden pro Lied - zu wenig, um die wichtigen Arzneien bezahlen zu können. Schubert lebte (und starb) in bitterer Armut und leistete als Komponist dennoch Erstaunliches. Seine Kammermusik, die Kirchenmusik und die Orchesterwerke wurden erst nach seinem Tod von der Musikwelt entdeckt und es dauerte nicht lange, bis man vom Genie Schubert sprach. Zum Geniebegriff des 19. Jahrhunderts paßte aber die unehrenhafte Syphilis nicht, die ja offensichtlich der Grund für das frühe Ableben des Komponisten gewesen war. Schuberts Musik wurde Allgemeingut und in Schulen und Universitäten beschäftigte man sich mit dem großen Komponisten, über dessen Todesursache man nicht sprach oder zumindest den Begriff "Syphilis" vermied. Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist dieser Versuch einer "Ehrenrettung" zu beobachten. Man ging davon aus, dass die Syphilis (in der folgenden Kurzbiografie als "schwere tuberkulöse Erkrankung" bezeichnet) den Körper zwar schwächte, doch letztendlich nicht den Tod verursachte und somit nicht unbedingt erwähnt werden muß. Sehr oft findet man als Todesursache "Nervenfieber" angegeben. Dieser Begriff eignet sich als Ausflucht hervorragend, denn er ist medizinisch kaum festzulegen und kann vieles bedeuten.
Kurzbiographie Schuberts aus einem Schulbuch von 1958
Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich