Johann Sebastian Bach
Hohe Messe in h-moll
Mit der H-Moll-Messe hat Bach ein Werk hinterlassen, das die Geschichte der Komposition bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts noch einmal zusammenfaßt. Sie ist ein weiteres Beispiel für die stilistische Vielseitigkeit des großen Komponisten und besitzt darüber hinaus eine besondere Stellung in seinem Gesamtwerk: Die H-Moll-Messe ist Bachs einzige vollständige Vertonung des Messordinariums und die letzte große Komposition, die er vollenden konnte.
Gegen Ende seines Lebens stellte Bach verschiedene Werke, die er zwischen 1724 und 1749 komponiert hatte, zu einer Missa tota, einer vollständigen Messe, zusammen. Der Anlaß für diese Bearbeitung ist nicht bekannt, doch möglicherweise könnte die anstehende Einweihung der Dresdner Hofkirche der Grund gewesen sein. Eine Aufführung der gesamten Messe zu Bachs Lebzeiten ist nicht nachweisbar. Im November 1736 war Bach vom Kurfürsten in Dresden zum Hof-Compositeur ernannt worden und wollte vielleicht erneut auf sich aufmerksam machen. Vielleicht war er aber auch um eine Messe gebeten worden, denn immerhin hatte er angeboten, iedesmahl auf Ew. Königlichen Hoheit gnädigstes Verlangen, in Componirung der Kirchen Musique sowohl als zum Orchestre meinen unermüdlichen Fleiß zu erweisen. Das Kantorat an der Leipziger Thomaskirche bedeutete für Bach auch eine Abhängigkeit von seinen Vorgesetzten und schon bald nach seiner Anstellung strebte Bach nach weiteren Beziehungen. So war er bis 1728 Ehrenkapellmeister in Köthen und errang wenig später das gleiche Amt am Weißenfelser Hof. Schon in den Zwanziger Jahren orientierte er sich nach Dresden, dem bedeutendsten Hof des Landes. Für den Amtsantritt Friedrich August II. im Jahre 1733 komponierte Bach eine Missa brevis, die zwar nur die ersten beiden Teile des Ordinariums enthielt, aber aufgrund der Unterteilungen immerhin zwölf einzelne Sätze hatte. Diese Missa brevis übernahm Bach später als Kyrie und Gloria in die H-Moll-Messe.
Das Kyrie beginnt mit dem vollen Klang des vom Orchester begleiteten fünfstimmigen Chores, das Tempo ist getragen (Adagio) und die Harmonien sind spannungsvoll. Die Messe beginnt mit einer wirklichen Anrufung: "Kyrie eleison!" (Herr, erbarme dich! - Hörbeispiel 1) Schon nach vier Takten ändert sich der Charakter: Flöte und Oboe stellen das Thema der sich nun entwickelnden Fuge vor. Es ist eine große fünfstimmige Fuge mit dem Gestus eines Klagegesangs (Hörbeispiel 2). Das "Christe eleison" vertont Bach dagegen als Duett für zwei Soprane und verwendet lediglich die Violinen und die Baßgruppe zur Begleitung. Das von den Instrumenten vorgestellte Ritornell hat deutlich weltlichen Charakter und erinnert an die Brandenburgischen Konzerte. Diese ersten beiden Sätze der Messe trennt der Gegensatz von Gott (Kyrie) und Mensch (Christe). Der dritte Teil des Kyrie, bestehend aus einer vierstimmigen Fuge, ist wieder an Gott gerichtet und wird von Chor und Orchester gestaltet. Auffallend, weil besonders selten, ist die verminderte Terz im Themenkopf, die damals zusammen mit der Harmonisierung einen neapolitanischen Eindruck hervorrief. Der ausdrucksvolle, sogenannte Neapolitanische Sextakkord, der auf der zweiten Silbe des Wortes "Kyrie" erklingt, stammt aus der Opernmusik Italiens und war in der Kirchenmusik umstritten. Die Gemeinde sollte seelisch erbaut und nicht unterhalten werden. Hier die entsprechende Stelle in Bachs Autograph:

Beginn des Kyrie II - Partitur von 1733 (Hörbeispiel 3)
Portrait

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Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.
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