Szenenfoto, © Ronny Küttner
Das Eduard-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz eröffnet die Spielzeit mit der posthumen Uraufführung von Alberto Franchettis 'Don Buonaparte'
Späte Wiedergutmachung
Das kleine, schmucke Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz ist immer für Überraschungen gut. Unbekanntes gehört hier zum Standard, das war in der Intendanz von Ingolf Huhn so und das ist bei seinem Nachfolger Moritz Gogg nicht anders. Man denke nur an „Falstaff“ von Balfe oder die Benatzky-Operette „Der reichste Mann der Welt“. Auch die diesjährige Saisoneröffnung fällt aus dem Rahmen, es gibt sogar eine veritable Uraufführung. Nichts Zeitgenössisches, nein, eine posthume Premiere. Gespielt wird die 1939 entstandene musikalische Komödie „Don Buonaparte“ von Alberto Franchetti, die wegen der jüdischen Abstammung des Komponisten im faschistischen Italien Aufführungsverbot hatte. Dies galt auch für seine drei wichtigsten Opern „Asrael“, „Cristoforo Colombo“ und „Germania“, mit denen er zwischen 1888 und 1902 weit über die nationalen Grenzen hinaus Furore machte. Sie gerieten darüber in Vergessenheit – bis der kürzlich verstorbene Musikdramaturg Andreas K. W. Meyer das Trio an seinen Wirkungsstätten Kiel, Berlin und Bonn aus der Versenkung holte. Franchetti lebte von 1860 bis 1942. Er gehörte wie Puccini oder Mascagni zur Generation nach Verdi, doch galt seine stilistische Neigung nicht wie die seiner Kollegen dem Verismo, sondern war geprägt von Wagner, von historischen und mythologischen Sujets. Mit seinem letzten Werk allerdings, eben jenem „Don Buonaparte“ knüpfte er an die Tradition der musikalischen Komödie an.
Die Titelfigur ist ein liebenswerter Pfarrer, Seele eines beschaulichen Dorfes in der Toscana und: er ist der Onkel Napoleons. Der, gerade zum Kaiser gekrönt, möchte den Verwandten nach Paris holen und zum Kardinal ernennen, was alle in Aufregung versetzt. Buonaparte aber, verwurzelt in der Heimat, sagt ab. Er verzichtet auf Rang und Ehren, denn zu Hause hat er genug zu tun. Hier kann er Streit schlichten, Liebespaare zusammenbringen und überhaupt als Fels in der Brandung die Menschen unterstützen. In seiner Schlussansprache plädiert er für Frieden und Humanität. Solche Botschaften tun gut in einer Welt des Unfriedens, zumal wenn sie in einer liebevollen Inszenierung verpackt sind. Schon die vom Regisseur und Ausstatter Lev Pugliese entworfenen pittoresken Kulissen - die mit vielen Details eingerichtete Stube von Don Geronimo und der Dorfplatz - sind ein Labsal fürs Auge. Idyllische Naturszenen und pastorale Impressionen, während der Ouvertüre und der Intermezzi auf Prospekte projiziert, unterstreichen die bukolische Atmosphäre. In diesem Ambiente inszeniert Pugliese eine pralle, temporeiche Komödie mit präzis gezeichneten Charakteren. Jede Rolle ist typengerecht besetzt, im Mittelpunkt zieht Lászlό Varga als Don Geronimo alle vokalen und darstellerischen Register und gibt einen Menschenfreund par excellence. Neben ihm demonstrieren der bassgewaltige General von Jinsei Parks, die reizende, sopranfrische Mattea von Sophia Keiler, der tenorschlanke Dorftölpel von Corentin Backès und die resolute Mutter von Bettina Grothkopf, um nur einige zu nennen, beispielhaften Ensemblegeist. Der überträgt sich auch auf den verstärkten Chor, der durch Homogenität glänzt und zudem außerordentlich spielfreudig agiert. Generalmusikdirektor Jens Georg Bachmann hält alle Zügel in der Hand, lässt die Erzgebirgische Philharmonie Aue kraftvoll musizieren und gibt den lyrischen Melodiebögen genügend Raum, sich zu entfalten. Die späte Wiedergutmachung von „Don Geronimo“ ist in jeder Beziehung gelungen. Das Publikum in der dritten, sehr gut besuchten Vorstellung weiß sie zu würdigen und feiert sie ausgiebig.
Kritik von Karin Coper
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