> > > > > 26.05.2023
Samstag, 23. September 2023

NDR Elbphilharmonie Orchester, Copyright: Michael Zapf

NDR Elbphilharmonie Orchester, © Michael Zapf

Porgy and Bess in der Elbphilharmonie

Grenzsprengend

Da sage mal einer, der Große Saal der Elbphilharmonie eigne sich nicht für Vokalaufführungen. Diese konzertante Performance von George Gershwins (1898-1937) ungekürzter Jazz-Oper „Porgy and Bess“ unter der Leitung von Alan Gilbert geriet nicht nur zu einem musikalischen Triumph, sie bewies auch beeindruckend, wie kreativ sich die runde Weinbergstruktur dieses Saals musikdramaturgisch nutzen lässt. So erklang gleich zu Anfang das berühmte „Summertime“ von der 15. Etage herab, gesungen mit viel Opernvibrato von Nicole Cabel als Clara. Gleich die erste Szene erstreckte sich so über die Grenzen der Bühne hinaus in den Zuschauerraum hinein bis auf die Seiten der 13. Etage und den Bereich hinter der Bühne mit dem Chor. Diese kontinuierlichen neuen Positionierungen ließen die fehlende Opernbühne rasch vergessen, halfen sie doch für das Verständnis der Handlung und – noch wichtiger – entfalteten die packende Dynamik von Gershwins grandioser Musik im Zeichen des Raumklanges. So sangen die ebenfalls höchst dynamisch agierenden Akteure sich ein ums andere Mal gegenseitig zu, etwa wenn Lester Lynch als Crown dem Chor ein „Shut up!“ entgegen bellte oder das einzige weiße Ensemblemitglied an diesem Abend in Gestalt von Fjodor Olev in seinen Sprechrollen von außerhalb der Bühne agierte. Diese grenzsprengenden Bewegungen verführten sogar Alan Gilbert als Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters zu einem winzigen Sprechpart.

Wie viel Bewegung da überall drin war, sah man nicht nur am ansteckend lebendigen Schauspiel aller Akteure, dem beseelten Gospelchor des NDR Vokalensembles inklusive, der noch durch einige schwarze Stimmen verstärkt wurde, das konnte man vor allem auch hören. Mit welcher Inbrunst und traumwandlerischen Souveränität die Sänger im Verbund mit Chor und Orchester agierten, war ein ums andere Mal umwerfend. Kevin Short als Porgy verfügt über schier unerschöpfliche Stimmreserven und eine Autorität mit Wotan-Qualitäten. Neben dem Banjo stehend nahm er sein„I Got Plenty o' Nuttin“ recht zügig, während er sich im berühmten Duett „I Loves You Porgy“ gemeinsam mit Adrienne Danrichs Bess gebührend Zeit nahm. Danrich schmeichelte ein ums andere Mal mit raumgreifender gesanglicher Wärme und schillernder Farbgebung. Lester Lynch verstrahlte als gewalttätiger Konkurrent Crown darstellerisch wie stimmlich eine Wucht, dass man ihm die Rolle ohne Weiteres abkaufte. Dagegen verlieh Chauncey Parker der Rolle des Sporting Life eine ansteckende Komik und Leichtigkeit, die in „It ain't necessarily so“ sogar mit Tanzeinlage daherkam. Allen anderen die Show stahl jedoch Mary Elizabeth Williams als Serena in ihrer Trauerarie um Ehemann Robbins (Cameo Humes), die sie mit erschütternder Expressivität ausführte. Diese Porgy und Bess war bis in die kleinsten Rollen großartig besetzt. Davon gab auch das Solo der im Chor positionierten Ernestine Stuurman als Strawberry Woman beeindruckend Zeugnis. Nicht nur dafür gab es an diesem Abend reichlich Zwischenapplaus und am Ende stehende Ovationen. Allen voran der gebürtige New Yorker Alan Gilbert hielt die Fäden zwischen den vielen Bewegungen von Orchester, Chor und Gesangsensemble traumwandlerisch zusammen, ohne dabei jemanden je klanglich zu überdecken. Unter Gilbert klang des NDR Sinfonieorchester wie eine um Streicher und andere Instrumente erweiterte Big Band. Genau so muss sein.

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Kritik von Dr. Aron Sayed

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