> > > > > 26.05.2023
Samstag, 23. September 2023

Szenenfoto, Copyright: Thor Brodreskift

Szenenfoto, © Thor Brodreskift

Lise Davidsen debütiert als Tosca beim Bergen-Festival 2023

Konzertante Opernpracht

Am Tag nach ihrem Tosca-Debüt erscheint Lise Davidsen zum nachmittäglichen Publikumsgespräch. Nichts ist ihr anzumerken von der gestrigen Anspannung. Ganz natürlich, sympathisch offen, selbstreflektiert und auch witzig beantwortet sie die Fragen von Sverre Gunnar Haga über ihre Anfänge, ihre Karriere und ihr Leben als Opernstar.

Denn das ist sie mit gerade einmal 36 Jahren: eine der momentan weltweit gefragtesten Sopranistinnen im jugendlich-dramatischen Fach, gesegnet mit einer raumfüllenden Wunderstimme, die von Erfolg zu Erfolg eilt. Gerade hat sie an der Met ihr Rollendebüt als Marschallin gegeben, weitere große Partien folgen in den nächsten Monaten. Jetzt aber ist sie erstmal „Artist in Residence“ beim diesjährigen Bergen-Festival. Es ist gleichsam ein Heimspiel der Norwegerin, die in Bergen an der Grieg-Akademie studierte. Neben der Tosca singt Lise Davidsen hier im Verdi-Requiem, gibt einen Liederabend und eine Meisterklasse - beide mit James Baillieu am Klavier - und sie ist Mentorin eines von ihr moderierten Konzerts der „The Norwegian Soloists’Choir Academy“. Es erinnert an den Beginn ihrer Laufbahn, als sie selbst Mitglied dieses von Grete Petersen geleiteten fabelhaften Chores war. In den archaischen Håkanshallen singt er ein von ihr ausgesuchtes Programm vom Barock bis zur Moderne und besticht durch das Wechselspiel zwischen solistischen Einsätzen und homogener Gesamtheit und den faszinierenden Raumklängen durch immer wieder neue Positionen des Ensembles.

Vom a-capella Gesang und alter Musik hat sich die Künstlerin mittlerweile weit entfernt. Wagner, Strauss, Verdi stehen im Fokus und Puccinis „Tosca“ ist ein weiterer Schritt auf dem Weg in immer dramatischere Gefilde. Das Debüt findet im Rahmen einer konzertanten Aufführung statt, die - um es vorweg zu nehmen - vokal und orchestral imponiert. Lise Davidsen beeindruckt vor allem durch ihren opulenten Sopran und die intelligente musikalische Gestaltung. Ihr gelingt ein hochkonzentriertes Porträt, klangfarblich und dynamisch differenziert, mit hohen C’s von enormer Durchschlagskraft und immer textdeutlich. Ein Höhepunkt ist das wunderbar kantabel gesungene „Vissi d’arte“, bei dem der ganze Schmerz spürbar wird. Eine unverwechselbare Individualität besitzt Lise Davidsens Tosca jedoch noch nicht, dafür bleibt sie darstellerisch zu introvertiert, fast unnahbar, womöglich weil sie den vor ihr liegenden Klavierauszug stets im Auge behält. So vermisst man auch bei den Liebesduetten mit dem Cavaradossi von Freddie De Tommaso, mit dem sie bereits beide Duette auf CD eingespielt hat, Leidenschaft und Emphase. Der Tenor, gerade 30 geworden und selbst am Beginn einer vielversprechenden Karriere, punktet mit virilem Timbre und jugendlichem Feuer ganz ohne Schluchzer und Drücker. Die Vittoria-Rufe sind elektrisierend und sicher platziert, das „E lucevan le stelle“ ist ein Muster an passioniertem Gesang. Wie man singdarstellerisch eine Rolle ausfüllen kann, demonstriert am stärksten Bryn Terfel. Sein Scarpia ist ein Machtmensch mit sadistischen Zügen, die sich in Mimik und Gestik äußern. Im „Te Deum“, in dem auch der verstärkte Philharmonische Chor Bergen auftrumpft, reizt Terfel die Wucht seines Baritons auf das Äußerste aus. Die Szene ist an musiktheatralischer Dramatik nicht zu überbieten, danach tobt das Publikum in der ausverkauften Grieg-Halle. Edward Gardner, der überaus wache Chef des blendend disponierten Philhamonischen Orchesters Bergen, scheut keinen Effekt, entfaltet in den sinfonischen Passagen betörende Klänge und bleibt dabei immer aufmerksamer Begleiter. Diese auch in den Nebenrollen adäquat besetzte „Tosca“ endet mit Standing Ovations.

Kritik von Karin Coper

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