> > > > > 18.03.2023
Samstag, 3. Juni 2023

1 / 4 >

Szenenfoto, Copyright: Thilo Beu

Szenenfoto, © Thilo Beu

Die Oper Bonn macht sich für Giordanos "Siberia" stark

Auf den Spuren der Kindheit

Umberto Giordano nannte seine 1903 an der Mailänder Scala uraufgeführte Oper „Siberia“ ein Drama der Leidenschaften, im Sinne des Verismo, jener von naturalistischen Themen und hochemotionaler Musik bestimmten italienischen Stilrichtung um 1900, zu deren wichtigsten Komponisten er gehörte. Am bekanntesten und am meisten aufgeführt sind „Andrea Chenier“ und „Fedora“, doch immer öfter auch „Siberia“, wie jüngst als Starvehikel für Sonya Yoncheva. Doch das Stück bezwingt auch ohne ganz große Namen. So geschehen in der Oper Bonn, wo es als Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen Premiere feierte und den ausgefallenen Spielplan des Hauses um eine weitere Seltenheit bereichert.„Siberia“ handelt von der grenzenlosen Liebe zwischen der Edelkurtisane Stephana und dem Offizier Vassili, der nach Sibirien verbannt wird, als er einen früheren Verehrer Stephanas angreift. Sie folgt ihm und beide leben im Lager zusammen, bis ihr früherer Kuppler Gleby sie aufspürt. Aus Angst vor seiner Rache will das Paar  fliehen. Dabei wird Stephana erschossen.

Der Regisseur Vasily Barkhatov verlegt das Stück in die Zeit um die Oktoberrevolution und lässt es mit einem von ihm erdachten Vorspiel in Form eines Filmvorspanns beginnen: Eine ältere Frau begibt sich auf die Suche nach ihren Kindheitswurzeln. Von Rom aus fliegt sie nach St. Petersburg, dann nach Sibirien, im Gepäck die Urne mit der Asche ihres Bruders. In Rückblenden enthüllt sich ihr nach und nach das Schicksal ihrer Eltern, Stephana und Vassili. Die Tochter - die intensiv agierende Clarry Bartha - bleibt während der ganzen Zeit präsent, tritt auch in das Bühnengeschehen ein, etwa wenn sie sich im ehemaligen Petersburger Palais ihrer Mutter umschaut oder im Gulag-Archiv - ein Raum mit grauen Aktenregalen - nach Unterlagen sucht. Am Ende verstreut sie die Asche – nun wieder als Video – dort wo ehemals das Lager war und jetzt ein Häuserblock mit Kinderspielplatz steht. Barkhatovs Inszenierung changiert geschickt zwischen individueller Personenführung und opulenten Tableaus, unterstützt durch Christian Schmidts realistischer Ausstattung und den historischen Kostümen von Nicole von Graevenitz. Packend gerät der Abend auch wegen des starken Ensembles. Yannick-Muriel Noah ist eine passionierte Stephana, deren substanzreicher, höhenstarker Sopran auch im emotionalen Überschwang kantabel bleibt. In George Onianis Vassili hat sie einen Partner, der durch heldische Tenorkraft und stabile Spitzentöne überzeugt. Vorzüglich auch, wie nuanciert Giorgos Kanaris dem Bösewicht Gleby mit seinem virilen Bariton Kontur gibt. Der Chor, suggestiv insbesondere in den russisch inspirierten Volksliedern, und das prächtig aufspielende Orchester sind weitere Pluspunkte der von Daniel Johannes Mayr mit Gespür für Giordanos effektvolle Mischung aus Melodramatik, Lokalkolorit und illustrativen Zwischenmusiken geleiteten Aufführung. Sie ist als Ganzes ein starkes Plädoyer für die Oper „Siberia“.

Kritik von Karin Coper

Kontakt aufnehmen mit dem Autor

Kontakt zur Redaktion

Jetzt Tickets kaufen

Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel.

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.


Magazine zum Downloaden

Class aktuell (1/2023) herunterladen (5900 KByte) NOTE 1 - Mitteilungen (2/2023) herunterladen (5000 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Henri Bertini: Grand Trio op.43 in A major - Rondo. Allegro

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich