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Gil Shaham bei der Probe mit dem BRSO, © Astrid Ackermann
Das BRSO mit Gil Shaham und Lahav Shani
Ansteckende Begeisterung
Im Mai 2017 gab Lahav Shani sein Debüt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, in dieser Woche leitete er in der Münchner Residenz zwei Konzerte mit dem Klangkörper. Als Chefdirigent im feuilletonistischen Gespräch ist er derzeit bei einem anderen Klangkörper der Stadt – aber das ist ein anderes Thema.
Musikalische Spritztour
Eine so prägende Erfahrung war für den britischen Komponisten John Adams (*1947) die rasante Fahrt in einem italienischen Sportwagen, dass er das einschneidende Erlebnis musikalisch verarbeitet hat. „Short Ride in a Fast Machine“ lautet der bezeichnende Titel des kurzen, als Fanfare apostrophierten Stücks, Shani hat das blechlastig scharfkantig umrissene Beschleunigungsmomentum auf seiner Seite. Kaum hat man in dem PS-Monster Platz genommen, muss man allerdings leider auch schon wieder aussteigen – ganz so wie wohl auch Adams, der sich damals nach eigenem Bekunden gewünscht hätte, gar nicht erst eingestiegen zu sein. Als Hörer hätte man sich freilich gerne noch länger dem Geschwindigkeitsrausch hingegeben, zumal Shani das Steuer eines echten Luxusgefährts in der Hand hat: Unweigerlich fällt einem das geflügelte Wort von Mariss Jansons ein, der einmal sagte, für ihn sei es, als würde er einen Rolls-Royce fahren, wenn er das BRSO dirigiere. Etwas dynamische Luft nach oben wäre für Shanis Dirigat noch gewesen.
Fokussierte Präsenz
Noch weitaus länger kennen sich das BRSO und Gil Shaham, auch unter Mariss Jansons haben beide Seiten schon zusammengearbeitet. In Samuel Barbers Violinkonzert op. 14 gelingt Shaham ein klangschöner direkter Einstieg. Kantable Phrasen modelliert er auf seiner Stradivari ungleich schöner als vor Wochenfrist im Herkulessaal Leonidas Kavakos, auch technisch agiert er deutlich souveräner. Getragen von edel timbrierter Streicherwärme verschmelzen Solopart und Orchester zu einer echten Einheit. Auch im zweiten Satz spielt Shaham seine überlegte und überlegene Musikalität mit der gewinnenden Fülle seines Tons und seiner vielseitigen Ausdrucksmöglichkeiten voll aus. Selten merkt man einem Solisten die fokussierte Präsenz so deutlich an wie Shaham, dessen sicht- und spürbare Musizierbegeisterung unmittelbar ansteckt. Mühelos hält er die Spannung bis in den langgezogenen Schlusston des Mittelsatzes. Souverän besteht er im dritten Satz den Virtuositätstest, durch den der ursprüngliche Widmungsträger seinerzeit durchgefallen war. Shaham sucht und findet beständig den Kontakt zum Orchester, überzeugend vollziehen er und das BRSO auch den radikalen stilistischen Bruch im Verhältnis zu den Einführungssätzen. Auch Shahams Bach-Spiel ist im „Allegro“ der Violinsonate Nr. 2 a-Moll BWV 1003 als Zugabe weitaus stringenter und musikalisch aussagekräftiger als das von Kavakos bei seinem Encore in der Vorwoche.
Klingende Choreografie
In Rachmaninows „Symphonischen Tänzen“ op. 45 findet Shani auf Anhieb den motorischen Impetus des ursprünglich als Ballettmusik konzipierten Werkes. Rhythmisch zupackend, mit gestochen scharfer Holzbläser-Sequenz und breit ausgemalten Streicherflächen gestaltet er den ersten Abschnitt von Rachmaninows letztem vollendetem Werk. Sinnliche Wärme strahlt der rauschhafte Walzer-Duktus des Mittelteils mit seinen immer wieder aufbrandenden Streicherwogen aus. Auch im Schlusssatz gelingt Shani mit massivem Schlagwerk und einer eindringlichen Darstellung der bizarr verzerrten, bedrohlich verdunkelnden Wolken des „Dies Irae“-Motivs eine überzeugende klingende Choreografie, zu der man sich den Ballettbezug ohne Weiteres vorstellen kann. Ungeachtet der aktuellen Schlagzeilen und dessen, was er in Zukunft macht, zeigt der Abend: Shani ist einer, der musikalisch etwas bewegen kann.
Kritik von Oliver Bernhardt
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