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Szenenfoto, © Michael Bigler
Die Komische Oper Berlin spielt eine Bearbeitung der Fledermaus
Operettenseligkeit im Kleinformat
Wenn es an der Komischen Oper ein Jubiläum zu feiern gibt, ist „Die Fledermaus“ von Johann Strauss garantiert dabei. Denn mit der unverwüstlichen Operette wurde das 1947 gegründete Haus in der Inszenierung von Walter Felsenstein eröffnet, zum 50. Geburtstag feierte sie in der Regie von Harry Kupfer Premiere und natürlich steht das Stück in der 75. Saison erneut auf dem Programm, diesmal allerdings als Gastspiel. Angereist ist das Casinotheater Winterthur aus der Schweiz, im Gepäck sieben Aufführungen seiner Produktion „Die Rache der Fledermaus“ - so der ursprüngliche Titel - aus dem Jahr 2018. Die Ankündigung verspricht ein Grenzen sprengendes Spektakel im Taschenformat, dem die Fassung von Stefan Huber (Text und Regie) und Kai Tietje (Musik) mühelos gerecht wird. Auf allen Ebenen radikal reduziert räumt sie lustvoll mit Operettentraditionen auf, ohne das Original im Kern anzutasten. Gezeigt wird die Essenz des Klassikers ohne Plüsch, Samt und groß auffahrendes Orchester in einem alle Bereiche einschließenden Stilmix. Auf der Bühne stehen nur ein paar Sitzgelegenheiten aus verschiedenen Epochen, die sich auch in den Kostümen von Heike Seidler widerspiegeln.
Was man mit ungewöhnlichen Mitteln so alles aus der fast ungekürzten Strauss-Partitur herausholen kann, beweist Kai Tietje Nummer für Nummer. Gleich die Ouvertüre erzielt einen besonderen Effekt: sie wird a capella vom gesamten Ensemble gesungen mit einem Text, der die Vorgeschichte erzählt. Erst danach kommt die fünfköpfige Band zum Einsatz: Falk Breitkreutz und die schrille Damenkapelle „Zucchini Sistaz“ in grünen Hosenanzügen bedienen jeweils mehrere Instrumente und auch Tietje als musikalischer Leiter am Klavier greift mal selbst zum Akkordeon. Dabei entsteht ein origineller Sound mit schrägen, jazzig aufgepeppten Klangfarben und Tanzrhythmen quer durch Zeiten und Länder.
Mit der Rosalinde präsentiert sich Christoph Marti in einer für Berlin neuen Frauenrolle. Er singt die Sopranpartie in transponierter tiefer Lage, ist stimmlich wie darstellerisch herrlich exaltiert und im eleganten Hauskleid wie in einer Traumrobe als ungarische Gräfin auch ein Hingucker – eine verständliche Versuchung für den charmant-heuchlerischen Eisenstein von Tobias Bonn. Gabriela Rüffel bewegt sich als Powerfrau Adele lässig zwischen Musicalbelt und Operettenkoloratur, stets an ihrer Seite Nini Stadlmann als wienerisch nölende Schwester Ida. Alen Hozdovic als schmieriger Vorstadttenor Alfred, Stephanie Dietrich als gelangweilter Orlofsky und Max Gertsch als nachtragender Strippenzieher Frank vervollständigen das gekonnt seine Pointen setzende Kollektiv. Bleibt Stefan Kurt, der parallel als Zaza in „La Cage aux folles“ begeistert. Hier ist er als virtuos betrunkener Gefängniswärter Frosch in einer weiteren Paraderolle zu sehen und beweist dazu als Dr. Blind und ägyptischer Ballbesucher seine Wandlungsfähigkeit.
Ob „Die Rache der Fledermaus“ auf einer großen Bühne funktioniert, diese Frage stellte sich das Team im Programmheftinterview. Dem jubelnden Applaus zu Folge kann sie klar mit „Ja“ beantwortet werden.
Kritik von Karin Coper
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