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Dirigent Yoel Gamzou, © Christian Dbus
Spannendes 3. Philharmonisches Konzert im großen Saal der Bremer Glocke
Kontinent zu entdecken
Konzerte mit Yoel Gamzou versprechen oft etwas besonders zu werden. Und in der Tat, seine Sicht auf die farbenprächtige Sinfonietta op. 5, ein Geniestreich des erst fünfzehnjährigen Erich Wolfgang Korngold aus dem Jahre 1912, war erfrischend. Hier stimmte einfach alles: Die Tempi und die Flexibilität der Übergänge wirkten vollkommen natürlich, wie auch die Klangproportionen dieses gewaltigen Orchesterapparates, den Korngold hier vorschreibt. Vor diesem Hintergrund erhört man die vielschichtige Musik neu und bemerkt auf einmal, dass diese alles andere als spätromantisch ist, sondern in ihrer Vielschichtigkeit höchst modern. Dass dies so exzellent zu hören war, dafür sorgte Yoel Gamzou, der die glänzend präparierten Bremer Philharmoniker souverän durch die komplexe Partitur führte und dafür sorgte, dass die stellenweise polyphone Anlage auch hörbar wurde.
Deutlich wurde bei diesem Konzert auch, wie falsch die „einäugige“ Kritik Th. W. Adornos war, der diesem Komponisten in einer Kritik aus dem Jahre 1932 unverfroren das (musikalische) Existenzrecht absprach. Später sprachen die Nationalsozialisten dem österreichischen Juden das Existenzrecht ab. Als Korngold aus dem amerikanischen Exil nach einer erfolgreichen Karriere als Filmmusikkomponist wieder nach Europa zurückkehrte, blieben ihm die Türen verschlossen und er kehrte wieder verbittert nach Kalifornien zurück.
Es ist schon erstaunlich, wie vergleichsweise gering das Interesse an dem kompositorischen Schaffen von Karol Szymanowski ist. Noch immer gehört sein Schaffen zu den Raritäten im Konzertbetrieb, obwohl er in Polen zu den bedeutendsten Komponisten zu Beginn des letzten Jahrhunderts zählte. Das kompositorische Werk von Karol Szymanowski ist ein "Schwellenwerk" zwischen Spätromantik und der Moderne: aufregend abwechslungsreiche Melodik und Harmonik bei ideenreicher Verarbeitung, verbunden mit einer raffinierten Rhythmik. Clara-Jumi Kang erwies sich bei seinem Violinkonzert Nr. 1 op. 35 als bestens gewappnete Interpretin, die mit frischem Engagement den Notentext ergründete. Sie sorgte gemeinsam mit den Bremer Philharmonikern und dem sorgsam agierenden Dirigenten Yoel Gamzou für einen interpretatorischen Hochgenuss, voll tiefer Ausdruckskraft, jedoch ohne aufdringliche Subjektivität. Clara-Jumi Kang erwies sich als Geigerin, die in der Lage ist, die Klangwelt Szymanowskis mit ihren vielen Nuancen präzise zu veranschaulichen. Sie spielte die starken Spannungen dieser Musik aus, ohne ihrer Ekstatik zu erliegen. Dem Überschwang begegnete Sie mit außerordentlich variablem Ton und ausgeprägter Brillanz. Man erlebte das Wunder der Verbindung eines mühelos genauen Spiels mit sicherem Erfassen des Ausdrucks und - was bei diesem Werk noch wichtiger ist - der wechselnden Charaktere. Clara-Jumi Kang bewies die Fähigkeit zu einer überzeugenden klanglichen und dynamischen Differenzierung, blühender Schönheit des Tones auch in extremen Lagen.
Yoel Gamzou entwickelte ein leidenschaftliches, vorwärtstreibendes Pathos, das um so mehr überzeugte, da es nicht einer primär hitzigen Annäherungsweise entsprang. Besonnenheit und weiter Atem waren es, die die Formverläufe strukturierten und ihren Erlebnisgehalt bestimmten. Und die Bremer Philharmoniker musizierten mit ähnlicher Bestimmtheit und Hellhörigkeit für Nuancen. Als Zugabe gab es eine eindrucksvolle Interpretation von Johann Sebastian Bachs dritter Sonate BWV 1005 in C-Dur für Violine.
Kritik von Michael Pitz-Grewenig
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