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Elbphilharmonie Hamburg, © Sarahhoa
Honeck dirigiert das NDR Elbphilharmonie Orchester
Überschwänge
Mahler und die Folgen, so hätte man dieses Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters unter Manfred Honeck wohl auch nennen können, das die Geburt der musikalischen Moderne aus der Wiege Kakaniens und ihren Weg bis weit ins 20. Jahrhundert eindrucksvoll nachzeichnete, oder besser, eine ihrer vielen Geburten. Erfreulicherweise folgte man im Großen Saal der Elbphilharmonie dabei nicht der starren Abfolge Ouvertüre, Konzert, Sinfonie, sondern widmete die erste Hälfte ganz dem Geiger Frank Peter Zimmermann, der sich mit gewohnter blitzsauberer Virtuosität durch gleich zwei Werke von Mahlers geistigen Nachfolgern schlängelte. In der „Rhapsodie Nr. 2 für Violine und Orchester“ aus dem Jahr 1929 von Belá Bartók (1881-1945) imitierte Zimmermann auf seiner Stradivari höchst gewandt den charakteristischen „Zigeunerton“, wie er für Bartóks der ungarischen Volksmusik abgelauschte Werke typisch ist. Auf rhythmisch irregulärem Boden warfen Solist und Orchester sich mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit absichtsvoll torkelnd die Bälle zu und inszenierten dabei ein Spektakel von ursprünglicher Dissonanz, das doch nicht konstruierter hätte sein können. Bei aller Kontrolliertheit und allem bewusst ‚schiefen polyphonen Nebeneinander‘ hätte man sich hier vielleicht doch noch einen Hauch mehr Überschwang gewünscht, noch ein bisschen weniger Kontrolle. Doch auch so war allen Beteiligten die Spielfreude anzumerken, die sich in Bohuslav Martinus (1890-1959) „Suite Concertante für Violine und Orchester“ in der zweiten Fassung noch einmal deutlich steigerte, einem wunderbar quirligen Viersätzer irgendwo zwischen neoklassizistischem Barockisieren, Jazz-Anflügen und tschechischen Volksliedern. Als Anwalt der Musik Martinus schaffte Zimmermann es auch hier wieder, den irre schweren Solopart mit spielender Leichtigkeit zu entschlüsseln, ob in der schwankenden Toccata, der wunderschön kantablen Aria, dem Wirtshaus-Scherzo oder dem grandios mäandernden Schluss-Rondo. Manfred Honecks umsichtiger Leitung war es zu verdanken, dass das hochkomplexe Orchestergewebe – alles andere als reine Begleitung – Zimmermann nie in die Quere kam, sondern alles sich zu einem schillernden Ganzen vervollständigte. Nach so viel moderner Hektik bildete die Zugabe, J.S. Bachs „Adagio“ aus der C-Dur-Sonate für Violine solo mit ihren in sich versunkenen Doppelgriffschluchzern eine Oase der Ruhe.
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Kritik von Dr. Aron Sayed
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Zimmermann, Honeck: NDR Elbphilharmonie Orchester
Ort: Elbphilharmonie,
Werke von: Béla Bartók, Bohuslav Martinu, Gustav Mahler
Mitwirkende: Manfred Honeck (Dirigent), NDR Elbphilharmonie Orchester (Orchester), Frank Peter Zimmermann (Solist Instr.)
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