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Dienstag, 28. März 2023

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Maxim Vengerov, Copyright: Diago Mariotta Mendez

Maxim Vengerov, © Diago Mariotta Mendez

Zubin Mehta und Maxim Vengerov in Salzburg

Italienische Matinee

Für die Salzburger Osterfestspiele hatte es zeitlich nicht mehr gereicht, rechtzeitig zu den Pfingstfestspielen konnte demgegenüber – anders als im vergangenen Jahr – das ersehnte grüne Licht für den Spielbetrieb gegeben werden. Nach dem schon bei den letztjährigen Festspielen bewährten Schachbrett-Sitzmuster findet man sich erstmals seit langem wieder in einem ansehnlich gefüllten Saal. Unter das Motto „Roma aeterna“ hat Cecilia Bartoli, seit 2012 als künstlerische Leiterin im Amt, die diesjährige Pfingstausgabe gestellt. Unter dem Übertitel „Poema sinfonico“ lag denn auch der programmatisch konsequente Schwerpunkt des Orchesterkonzerts am Samstagvormittag auf Repertoire mit italienischem Bezug. Altmeister Zubin Mehta leitet das Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino, als dessen langjähriger Musikdirektor und Ehrenbürger mit Wohnsitz in der toskanischen Hauptstadt hat er so etwas wie ein „Heimspiel“ in der Salzburger Fremde – künstlerisch zu Hause ist er dort wiederum ohnehin seit Jahrzehnten.

Mendelssohn mit Anlaufzeit

Zu Beginn brauchen die Ausführenden allerdings etwas Zeit, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Zwar trifft man im Kopfsatz von Mendelssohns A-Dur-Symphonie op. 90 („Italienische“) auf leuchtende Holzbläser und, etwa in der Fugato-Passage der Durchführung, eine klare Stimmführung. An dynamischer Differenziertheit und klanglicher Wärme fehlt es aber vorerst noch, beispielsweise im im Seitenthema. Das gilt auch für die folgenden beiden Sätze, die choralartige Melodie des „Andante con moto“ besitzt zu wenig kantablen Charakter. Die darunter liegende pochende Bassbewegung wirkt agogisch zu verhalten, die melodischen Bögen des dritten Satzes könnten stellenweise straffer gespannt sein. Erst im Schlusssatz findet der Klangkörper unter Mehta zu einer dynamisch nuancenreicheren Diktion, über einem fein gewobenen Streichernetz verspürt man hier erstmals echten Esprit.  

Solistischer Glanzpunkt

Prominenter Solist in Mendelssohns Violinkonzert e-Moll op. 64 ist Maxim Vengerov, der seine ganze Klasse von Anfang an ausspielt. Strahlend klar in hohen Lagen und wunderbar warm in der Tiefe präsentiert sich nicht nur der Klang seiner „ex-Kreutzer“-Stradivari, auch Vengerovs Tongebung ist von leuchtender Klarheit und weist ihn als Erbe der legendären „Russischen Schule“ aus, in deren Geist er u.a. bei Zakhar Bron, einem der letzten großen Vertreter jener pädagogischen Haltung in die Lehre gegangen ist: Leidenschaftlich auf die Musik fokussiert, mit allen Möglichkeiten des Instruments vertraut, formt er impulsive, romantisch emotional aufgeladene Phrasen. Das von Mendelssohn notierte „Molto appassionato“ ist hier klingendes Programm. Beides, sowohl Vengerovs über jeden Zweifel erhabene Technik als auch expressive Kantilenen kann man ungefiltert in der Kadenz bewundern. Mit beseelter Innigkeit gestaltet er das „Andante“, subtiler hat man den Übergang in den Schlusssatz selten gehört. Darin meistert er die virtuose Komponente des rasanten Passagenwerks ebenso mühelos wie die stilsicher beschwingt musikalische Geste. Vengerov setzt einen echten solistischen Glanzpunkt, ihm gelingt der schwierige Spagat, seine solistische Rolle selbstbewusst, aber eben nicht selbstdarstellerisch auszufüllen. Da fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, dass zum Ende des ersten und letzten Satzes das Tempo zwischen Orchester und Solist nicht ganz genau synchronisiert ist. Mehta stellt insgesamt eine ausgewogene Balance zum Solopart her. Mit der stimmlich glasklar artikulierten, klanglich überaus sensibel vorgetragenen d-Moll-Sarabande aus Bachs Partita Nr. 2 BWV 1004 bedankt sich Vengerov beim begeisterten Publikum.

Imposantes Klanggemälde

Zur Hochform läuft dann schließlich auch das Orchester in Respighis „Pini di Roma“ auf. Klangfarblich reich bebildert und mit rhythmisch geschärftem Profil gelingt der grell flimmernde erste Abschnitt. Abrupt changieren die symphonisch freigelegten Kräfte zu in den Streichern gedämpfter Grabesstille und angespannt in sich gekehrter Atmosphäre auf dem „Ianiculum“. Die individuelle Qualität der Musiker zeigt sich beispielhaft in den souverän intonierten Trompeten- und Klarinetten-Soli. Mit beeindruckender Klanggestik baut Mehta die unaufhaltsam auf kernigem Blech und pompösem Schlagwerk anrollende, gigantische Crescendo-Welle der „Pini della Via Appia“ auf und kreiert bis zum strahlenden Ausklang eine programmatische Dramaturgie, die alles aus den bis zu vierfachen Dynamik-Anweisungen der Partitur herausholt. So wird das Werk zum veritablen, klangmalerisch wortgewaltigen „Poema sinfonico“. Ohne eine Zugabe entlässt das Publikum auch den Florentiner Klangkörper nicht: Das „Intermezzo sinfonico“ aus  Mascagnis „Cavalleria rusticana“ – von Mehta persönlich als ein echtes, intimes Stück Italien anmoderiert und mit eleganter Grazie und lyrischer Noblesse als treffender Schlusspunkt dieser Italienreise gesetzt.

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Kritik von Thomas Gehrig



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Orchesterkonzert: Poema Sinfonico

Ort: Großes Festspielhaus,

Werke von: Felix Mendelssohn Bartholdy, Ottorino Respighi, Johann Sebastian Bach

Mitwirkende: Zubin Mehta (Dirigent), Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino (Orchester), Maxim Vengerov (Solist Instr.)

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