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Solist am Klavier: Denis Matsuev, © Pavel Antono
Das RNYSO im Wiener Musikverein
Brillantes Debüt
Erst 2018 wurde das Russian National Youth Symphony Orchestra (RNYSO) gegründet, in wechselnder Besetzung spielt der aus landesweit ausgewählten und als Stipendiaten geförderten Nachwuchsmusikern bestehende Klangkörper seither zusammen. Sein Wiener Debüt gab das Orchester am gestrigen Abend im illustren Ambiente des Großen Musikvereinssaals, wiederholt am Pult auf der bevorstehenden Tournee hat Julian Rachlin die Violine gegen den Taktstock getauscht. Im Zusammenwirken mit der Wiener „Jeunesse“ wurde das Konzert ausgerichtet, kurzfristig aus Gründen der Zeitdauer bei nach wie vor geltenden Beschränkungen und fehlender Pause wurde die ursprünglich vorgesehene Ouvertüre zu Glinkas „Ruslan und Ljudmila“ gestrichen, übrig blieb somit ein reines Tschaikowsky-Programm.
Virtuose Lässigkeit
Als prominenten Solisten im b-Moll-Klavierkonzert op. 23 konnte das RNYSO Denis Matsuev gewinnen, Schon die berühmten Akkordfolgen der ersten Takte bringt er mit imposanter und impulsiver Klangwucht auf den Punkt. Auch im weiteren Verlauf hat sein Spiel genau das, was man für dieses Stück braucht: Einen präzise dosierten Pedalgebrauch, der absolut nichts verschluckt, glitzernde Diskant-Girlanden und technisch überlegene, virtuose Lässigkeit. Gepaart mit einem reichen Spektrum an Anschlagsnuancen, beherrscht Matsuev stilsicher beides: Wo nötig, packt er die pianistische Pranke aus, wo klangliche Sensibilität gefragt ist, setzt er feinste Diskant-Tupfer. Das RNYSO begeistert mit vollem orchestralem Volumen ebenso wie mit weichem lyrischem Timbre. Rachlins Dirigat sorgt für fast ausnahmslos perfekten Abgleich der Tempi und klanglich ausgewogene Balance zwischen Solopart und Orchester. Beispielhaft für die individuelle Klasse der jungen Musiker gelingt das Flötensolo zu Beginn des zweiten Satzes. Empfindsam schwebende Melodik verschmilzt mit quirliger Spielfreudigkeit Matsuevs und dessen filigraner Tongebung. Das Finale überzeugt durch zupackenden orchestralen Drive, Matsuevs Spiel besitzt feuriges Temperament, seine Unisono-Läufe versprühen fein geschliffenen Glanz.
Strukturelle Klarheit
Es folgt die Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64. Eindringlich gestaltet das RNYSO die allmählich aus der Introduktion entstehende agogische Entwicklung und überzeugt mit struktureller Klarheit sowie edel abgerundeten Phrasen. Dazwischen feuert es leuchtende Blechsalven ab, Rachlins Dirigat setzt die Partitur dauerhaft unter Starkstrom. Souverän gelingt das Horn-Solo zu Beginn des zweiten Satzes, wo im weiteren Verlauf ein Ton in der Hornstimme verrutscht – geschenkt, einem jungen Orchester muss man, zumal auf so hohem Niveau, kleine Fehler im Entwicklungsprozess allemal zubilligen. Expressive Kantilenen über sanft gefedertem Streicherpolster transportieren hier authentische Emotionen ebenso wie schneidende Schärfe im Blech. Ein wenig prägnanter könnten die Pizzicato-Akzente gesetzt werden. Mit eleganter Noblesse gelingen die wogenden Walzer-Wellen des dritten Satzes, im Finale schlägt die musikalische Fieberkurve noch einmal bis ganz nach oben aus. Zum Dank ans begeisterte Publikum gibt es als Zugabe den fulminant-funkensprühenden „Trepak“ aus Tschaikowskys „Nussknacker“ Am Ende bleibt festzuhalten: Dieses Projekt zählt sicherlich zu den derzeit vielversprechendsten in der Sparte Jugendorchester, die Mitglieder weisen ein beeindruckend hohes Niveau und Spielverständnis untereinander auf. Ideal passt es damit auch zur Philosophie der musikalischen Jugendförderung, die sich die „Jeunesse“ auf die verdienstvollen Fahnen geschrieben hat.
Kritik von Thomas Gehrig
Kontakt zur Redaktion
Russian National Youth Symphony Orchestra: Matsuev/Rachlin
Ort: Musikverein,
Werke von: Peter Tschaikowsky
Mitwirkende: Julian Rachlin (Dirigent), Denis Matsuev (Solist Instr.)
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