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Wolkenturm Grafenegg, © Alexander Haiden
Die Wiener Philharmoniker in Grafenegg
Romantischer Saisonauftakt
Erst vor wenigen Tagen hatten die Wiener Philharmoniker unter Herbert Blomstedt ihr letztes von insgesamt fünf Programmen in Salzburg gespielt, unter seiner Leitung haben sie gestern auch ihre neue Saison beim Grafenegg Festival eröffnet. Verhältnismäßig spät, erst 2011 hat Blomstedt erstmals mit den Wienern zusammengearbeitet, längst ist daraus eine dauerhafte künstlerische Liaison mit der Ernennung zum Ehrendirigenten im Jahr 2019 geworden. Brahms und Honegger hatten in Salzburg auf dem Programm gestanden, ein rein romantisches Programm gibt es passend zum romantischen Ambiente rund um den Wolkenturm zum Auftakt ihrer bevorstehenden Europa-Tournee bzw. des vierten und letzten Festival-Wochenendes.
Gute Balance
Am Beginn steht Schuberts h-Moll-Symphonie D 759. Präzise intoniert erklingt das einleitende Hornmotiv, aus sonoren Basstiefen erhebt sich das Eingangsthema des Kopfsatzes. Noch nicht exakt alle Fäden laufen in der Exposition zusammen, die Abstimmung zwischen Tutti und Blech stimmt noch nicht ganz. Das legt sich aber spätestens in der Wiederholung, motivische und dynamische Konturen treten von da an deutlich hervor. Die drei exponierten Akkordschläge nach der signifikanten, musikalisch auf den Punkt gebrachten Generalpause haben pathetisches Gewicht. Generell nicht einfach ist bei Open-Air-Konzerten die Ausbalancierung des Klangbilds im Zusammenspiel mit technischer Verstärkung. Letztere ist verhältnismäßig gut ausgesteuert, Blomstedts Dirigat trägt zudem den örtlich-akustischen Gegebenheiten Rechnung. Er lässt Phrasen Zeit zum Atmen und begeht nicht den Fehler, sie zu dicht aneinanderzureihen. Eine lupenrein vorgetragene Horn-Passage eröffnet den zweiten Satz, die verwobenen Bläserstimmen greifen in der Folge transparent ineinander. Exzellent vorgetragen ist auch das zentrale Klarinettensolo, in den Streicherstimmen herrscht hohe Pizzicato-Genauigkeit.
Bruckner-DNA
Nach der Pause gibt es Bruckners Es-Dur-Symphonie WAB 104 in der Fassung von 1878/80. Mehr Bruckner-Tradition als die der Philharmoniker geht kaum, sie selbst haben das Werk 1881 in Wien unter Hans Richter aus der Taufe gehoben. Wiederum eröffnet ein charismatisches Horn-Solo, das Bruckners Vortragsanweisungen („immer deutlich hervortretend“ bzw. später „sanft hervortretend“) treffenden Ausdruck verleiht. Ein wenig kräftiger könnten die markant notierten Akzente nach dem Seitenthema hervortreten. Bruckners opulente, bis zu dreifach notierte Dynamik entfaltet ihre volle Sogwirkung. Zu Beginn des zweiten Satzes können die Streicher aus dem Vollen ihrer homogen abgemischten, wunderbar warmen Farbpalette schöpfen, filigranes Pizzicato zeichnet feine chromatische Linien. Die jagdartigen Fanfaren des „Scherzo“ blitzen mit kerniger, rhythmisch prägnanter Blech-Schärfe, musikalisch ein wenig ausgefeilter ließe sich das "Trio" gestalten. Mit dramaturgischem Weitblick spannt Blomstedt die großen thematischen Bögen des „Finales“, tragende Klangschichten und „Poco a poco“-Crescendi bauen die Philharmoniker ebenso gekonnt auf wie atmosphärisch dichte Pianissimo-Spannung mit stilsicher angebrachten Ritardandi. Zusammen mit Christian Thielemann spielen die Philharmoniker derzeit einen Bruckner-Zyklus ein, die „Vierte“ ist noch nicht erschienen. Der Intensität und Kompetenz jener bisherigen Aufnahmen steht diese Interpretation mit ihrer quasi „eingebauten“ Bruckner-DNA des Orchesters in nichts nach.
Kritik von Thomas Gehrig
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Wiener Philharmoniker: Herbert Blomstedt
Ort: Wolkenturm,
Werke von: Franz Schubert, Anton Bruckner
Mitwirkende: Herbert Blomstedt (Dirigent), Wiener Philharmoniker (Orchester)
Detailinformationen zum Veranstalter Grafenegg FestivalDieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
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