> > > > > 27.08.2020
Freitag, 1. Dezember 2023

Das Tonkünstler Orchester und Arabella Steinbacher

Spielfreudiger Charme

Wie vielerorts in diesem Jahr stand auch die Durchführung des Grafenegg Festivals lange Zeit auf der Kippe. Generell geht Österreich bei der Realisierung kultureller Veranstaltungen unter besonderen Umständen an vorderster Front voran, prominentester Vorreiter waren die Salzburger Festspiele. Auch in Grafenegg hat man es parallel geschafft, mit den erschwerten Bedingungen kompetent umzugehen, aktuell geht das Festival in sein drittes Wochenende. Farbkategorien auf den Eintrittskarten sorgen dafür, dass das Publikum gruppenweise sicher und mit derzeit gebührendem Abstand ins Areal des Wolkenturms geleitet wird. Und auch heuer ist es Rudolf Buchbinder als künstlerischem Leiter und seinem Team trotz aller Unwägbarkeiten in der Planung gelungen, die klangvollen Namen der Musikwelt im malerischen Ambiente des Schlossparks zu versammeln. Orchester in residence ist das Tonkünstler Orchester Niederösterreich, das unter Leitung von Fabio Luisi den gestrigen Abend gestaltete.  

Entschlossene Phrasierung

Gemeinsam mit der Geigerin Arabella Steinbacher steht zunächst Mozarts A-Dur-Violinkonzert KV 219 auf dem Programm, die Tonkünstler treffen gleich zu Beginn des Kopfsatzes einen erfrischenden, luftigen Mozart-Tonfall. Steinbacher übernimmt mit rhythmisch federnder Geste, klarer Tongebung und entschlossener Phrasierung, es entsteht ein aufgeweckter Dialog zwischen Solopart und Orchester. Lediglich zum Ende des ersten Satzes kommt es zu einem kleinen Zwischenfall, nach einem zuvor schon unsauberen Ton muss Steinbacher ihre 1716er-„Booth“-Stradivari unvorhergesehen neu stimmen – vermutlich hat sich ein Stimmwirbel gelockert, die Ausführenden setzen beim vorherigen Abschnitt neu an. Für das kantable E-Dur-Adagio wird ein vergleichsweise rasches Tempo gewählt, darunter leiden ein wenig die gelegentlich etwas schlaff wirkenden melodischen Bögen. Besonders in der Durchführung gelingt Steinbacher aber dennoch ein expressiver Vortrag, schwungvoll und vital geht sie den Schlusssatz an, spannungsgeladen und rhythmisch straff gelingt der „Alla-turca-Abschnitt“ sowohl im Solopart als auch im Orchester mit den „coll‘ arco al rovescio“-Akzenten der Bässe. Als sei im Sinne dieses musikalischen Kunstgriffs Mozarts nichts gewesen, lässt Steinbacher nach dieser abrupt eingetrübten a-Moll-Episode die tänzerische Grazie des Menuett-Themas zum Ausklang mit spielfreudigem Charme nochmals aufblühen. Beim begeisterten Publikum bedankt sie sich technisch versiert mit dem fulminanten vierten Satz (“Les Furies") aus Eugène Ysaÿes a-Moll-Sonate op. 27/2 als Zugabe.

Gute Balance

Pausen sind derzeit nicht angesagt, nach kurzer Aufstockung des Personals geht es weiter mit Brahms‘ D-Dur-Symphonie op. 73. Mit präziser Intonation leuchten die Bläsersätze zu Beginn des „Allegro non troppo“. Den lyrischen Gestus des bekannten Seitenthemas arbeitet Luisi mit sauber ineinandergreifenden Streichergruppen emotional eindringlich heraus, makellos gelingt das Wechselspiel mit den Holzbläsern. Ein wenig mehr dynamische Spannung könnte Luisi stellenweise aufbauen, zum Ende hin holt er aber gekonnt nochmals zu gesteigerter Intensität aus. Akkurat meistern die Tonkünstler die kontrapunktischen Passagen. Dem langsamen Satz fehlt ein wenig die schwelgerische Wärme, die kompakten Bläser-Blöcke überzeugen aber auch hier, ebenso klug geformte Crescendi und eine insgesamt gute Balance zwischen gewichtiger Schwere und schwebender Leichtigkeit. Im dritten Satz kann sich die Solo-Oboe auszeichnen, Luisi kreiert ein statisch aufgeladenes Streicher-Rauschen, garniert mit griffigen Pizzicato-Spitzen. Mit zupackendem Elan und unwiderstehlichen agogischen Impulsen gestaltet er den bewegten Schlusssatz.

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Kritik von Thomas Gehrig



Kontakt zur Redaktion


Arabella Steinbacher: Tonkünstler-Orchester

Ort: Wolkenturm,

Werke von: Wolfgang Amadeus Mozart, Johannes Brahms

Mitwirkende: Fabio Luisi (Dirigent), Arabella Steinbacher (Solist Instr.)

Detailinformationen zum Veranstalter Grafenegg Festival

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