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Klassik am Odeonsplatz, © Marcus Schlaf
Erster Tag von 'Klassik am Odeonsplatz'
Feste Institution
Erstmals im Jahr 2000 wurde, ursprünglich auf Basis der deutsch-französischen Aussöhnungsidee, die Idee eines Freiluftkonzerts am Münchner Odeonsplatz realisiert. Seither hat sich die Veranstaltung zu einer festen saisonalen Institution etabliert – steht und fällt allerdings alljährlich auch mit den meteorologischen Rahmenbedingungen, mit denen Open-Air-Events von Haus aus konfrontiert werden. Einige wenige Male kam es in der Vergangenheit vor, dass das Programm gekürzt oder das ganze Konzert gar abgesagt werden musste. Am gestrigen ersten der beiden Veranstaltungstage setzte der gefürchtete große Regen schon vor Beginn ein, infolge der niedergehenden Wassermassen hob Alan Gilbert erst mit ca. halbstündiger Verspätung den Taktstock am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks.
Lyrischer Zauber
Dessen Qualität und Spielfreude tat die Verzögerung indessen keinen Abbruch, schon die einleitende Polonaise aus Tschaikowskys 'Eugen Onegin' gelingt schwungvoll und mit der gewohnten stimmlichen Homogenität. Prominente Solistin des Abends ist Renée Fleming, sie unterstreicht mit natürlichem Timbre und strahlenden Höhen ihre Sopran-Klasse in gleich zwei ‚Briefszenen‘ – zunächst derjenigen aus nochmals selbiger Oper, danach aus Korngolds 'Die Kathrin'. Der eingestreute 'Pas de deux' aus Bernsteins Musical 'On the Town' zieht eigentlich immer, zumal wenn so griffig und mit so viel Pep gespielt wie hier. Populär geworden aus Flotows 'Martha' ist das Volkslied 'Tis the Last Rose of Summer' der Titelfigur, von Fleming ebenfalls mit einfühlsamer Schattierung und in allen Registern geschmeidigem Ton präsentiert. Stilistisch nicht so ganz ins Programm und zu Flemings Stimme passen das im Wandel der Zeit zur Fußball-Hymne avancierte 'You‘ll never walk alone' aus dem Rodgers/Hammerstein-Musical 'Carousel' und Gershwins 'Summertime' als eine von zwei Zugaben. Deren zweite, 'Glück, das mir verblieb' (nochmals Korngold, diesmal aus 'Die tote Stadt'), entfaltet wiederum eindrucksvoll ihren ganzen lyrisch-melancholischen Zauber.
Sternstunde
Nach der Pause spielt das BRSO Tschaikowskys Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64 und ruft bei mittlerweile endgültig stabilen Witterungsverhältnissen sein ganzes Potential ab. Als ‚Rolls Royce unter den Orchestern‘ hat dessen Chefdirigent Mariss Jansons es einmal bezeichnet, auf derart luxuriösem Niveau arbeitet es auch unter Gilbert die gegensätzlichen charakterlichen Abschnitte des Kopfsatzes (Andante/Scherzo) heraus. Schwelgerisches, auf weiche Streicherwolken gebettetes Pathos erzeugen die Münchner im zweiten Satz, der dritte (Walzer) besitzt charismatische Verve und rauschende Eleganz. Großartig angelegt ist die ausladende Dramaturgie des Finales, exemplarisch bedient der Edel-Klangkörper auch hier alle dynamischen Facetten der Partitur. Durchweg jedes Instrumenten-Solo ist glänzend besetzt. Mit nochmals Bernstein (Walzer aus dem 'Divertimento für Orchester') und Tschaikowsky (Walzer aus 'Eugen Onegin') als Encores schließt sich der kohärente programmatische Kreis und geht – trotz fehlender Klarsicht aufs Firmament – eine sommerabendliche orchestrale Sternstunde vor bewährt malerischer Kulisse zu Ende.
Kritik von Thomas Gehrig
Kontakt zur Redaktion
Klassik am Odeonsplatz I: BR-Symphonieorchester / Renée Fleming
Ort: Odeonsplatz,
Werke von: Erich Wolfgang Korngold, Peter Tschaikowsky, Friedrich von Flotow, Leonard Bernstein, George Gershwin
Mitwirkende: Alan Gilbert (Dirigent), Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Orchester), Renée Fleming (Solist Gesang)
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