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Kathrin Zukowski, Anton Kuzenok, Matteo Loi, © Hans Jörg Michel
Zu 'La scuola de' gelosi' von Antonio Salieri
Wenn sie einen anderen wählt
Im Staatenhaussaal 3 der Oper Köln kann man momentan das von Jean Renshaw spritzig unterhaltsam inszenierte Dramma giocoso 'La scuola de‘ gelosi' ('Die Schule der Eifersucht') von Antonio Salieri erleben. Antonio Salieri? Weltbekannt wurde der nur sechs Jahre ältere Zeitgenosse Wolfgang Amadeus Mozarts u. a. in Miloš Formans Film 'Amadeus' mit seinem Geständnis, er habe aus Neid, Hass und Eifersucht das Genie Mozart vergiftet. Eine äußerst unwahrscheinliche These, wenn man sich die abwechslungsreiche Mischfassung des Dramma giocoso vor Augen führt, die eines der Ergebnisse des Forschungsprojektes 'Opera buffa in Wien (1763–1782)' ist und als Originalproduktion des Theaters an der Wien in der Kammeroper 2017 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Große Erfolge
Das Libretto von 'La scuola de‘ gelosi' schrieb Caterino Mazzolà. Ursprünglich wurde das Werk 1778 im Teatro San Moisè in Venedig uraufgeführt, traf den Zeitgeist und entwickelte sich schnell zum internationalen Erfolg. Da war Salieri gerade mal 28 Jahre alt. Vier Jahre zuvor ernannte ihn Joseph II. zum Opernkapellmeister und Kammercompositeur am kaiserlichen Hofe in Wien. Dann wendete sich die kaiserliche Kulturpolitik. 1776 gründete Joseph II. das Deutsche Nationaltheater und entließ kurze Zeit später das Ensemble der italienischen Oper. Salieri reiste daraufhin nach Italien, wo er – künstlerisch überaus erfolgreich – in Mailand, Venedig und Rom neue Werke komponierte und präsentierte. 1780, auf den Wink des Kaisers, kehrte er nach Wien zurück, wo 1782 im Burgtheater Mozarts 'Entführung aus dem Serail' erstmalig aufgeführt wurde. Und doch gründete Joseph II. erneut ein italienisches Sängerensemble, stellte auf Empfehlung Salieris den Librettisten Da Ponte ein und feierte im April 1783 die Wiedereröffnung der italienischen Oper im Burgtheater mit einer unter Mitarbeit von Da Ponte entstandenen Neufassung von 'La scuola de‘ gelosi'.
Und Überraschung! An zahlreichen Stellen erinnert auch die Musik von 'La scuola de‘ gelosi' an Mozarts Da-Ponte-Opern, die erst später uraufgeführt wurden. In seinem Programmheftbeitrag schlussfolgert der musikalische Leiter Arnaud Arbet: ‚Man bewundert die Schlichtheit und Robustheit des Aufbaus, das Pittoreske der Szenen und eine Geschwindigkeit des Tons, die Rossini erahnen lassen, man genießt den Humor, der Salieris Handschrift trägt – eben jene eines genialen Komponisten, der das Pech hatte, an einem Ort und zu einer Zeit zu leben, in der ihn ein noch viel größeres Genie in den Schatten stellte.‘
Die Geschichte ist bekannt. Der notorisch eifersüchtige, reiche Getreidehändler Blasio schreckt nicht davor zurück, seine schöne, kontaktfreudige Ehefrau Ernestina einzusperren, um sie vor den Augen möglicher Verführer zu schützen. Herzensbrecher Graf Bandiera bändelt mit jeder an, aber die berechtigten Vorhaltungen seiner Frau bringen nur sie zum Weinen. Er hat sich in Ernestina verliebt und stellt ihr nach – auch um die Wette mit dem Leutnant zu gewinnen. Die Dienstboten Lumaca und Carlotta leben die freie Liebe. Es kommt zu verwirrenden, immer ins Leere laufenden Begegnungen. Mal sind die Frauen die Leidtragenden, mal die Männer. Jeder und jede glauben, betrogen zu sein. Schließlich klärt der Leutnant die Beteiligten auf, die Liebeleien von Blasio und der Gräfin absichtlich angezettelt zu haben. Ob alle ihre Lektion gelernt haben?
Musik und Bewegung
Jean Renshaw, die für die feinsinnige, abwechslungsreiche, kömödiantisch clowneske Inszenierung verantwortlich zeichnet, stellt Musik und Bewegung in den Mittelpunkt. Passend zum ersten, kraftvollen, kurzen Orchesterakkord der Sinfonia fällt Tänzer Martin Dvořák als neu eingeführte Figur Carosello Dubbio im weiten Sprung auf die Bühne, blickt sich um, sucht, schaut ängstlich tastend um die Ecke. Er wird immer mal wieder als parodierendes Nachtgespenst das turbulente Geschehen konterkarieren und kommentieren.
Perfekt auf das bewegte Bühnengeschehen abgestimmt erklingt das Gürzenich-Orchester Köln unter der Leitung Arnaud Arbets. Die Musiker spielen in Kammerbesetzung leicht, federnd und orientieren sich im dynamisch artikulatorischen Ausdruck an der rhetorischen Vielfalt historischer Interpretation. Humorvolle Akzente und Kommentare in den Rezitativen setzt Luca Marcossi am Hammerflügel.
Die jungen, hervorragend besetzten Gesangssolistinnen und -solisten sind bis auf Matteo Loi als Getreidehändler Blasio Mitglieder des internationalen Opernstudios der Oper Köln. Alle wechseln mit solch eindrücklicher, perfekter Selbstverständlichkeit zwischen schauspielendem Gesang und tänzerischer Bewegung und Gesang, als wenn ihre gewöhnlichen Alltagskommunikation aus nichts anderem bestünde. Hier stimmt jede Miene, jede Geste, jede Haltung. Ob sie sich in individuellen Verstrickungen in den langen Armen der Zwangsjacken ver- und entwuseln und singen, ob sie in unmöglichen Positionen freezen oder in rasanten Tempi singen; ob sie sich verbrüdern, sich listenreich mit kleinen, nicht immer harmlosen Boshaftigkeiten behakeln – Musik, komödiantisches Spiel und virtuose Gesangsdarbietung sind ein perfekt einstudierter, abwechslungsreicher, humorvoller Genuss!
Wundervolle Koloraturen
Arnheidur Eiriksdóttirs verkörpert mit einem wundervollen Rock aus Staubwedeln das Kammermädchen Carlotta und eröffnet mit vollmundigem Sopran den Arienreigen mit einem Lehrstück über die Eifersucht als Tochter der Liebe und des Hasses. William Goforth verkörpert mit edlem, farbenreich schillerndem Stimmklang den Grafen Bandiera und singt einen an Leporellos Registerarie erinnernden Schaulauf seiner Eroberungen in Schlafanzug und Morgenmantel. Kathrin Zukowski wechselt in der ihrer virtuosen Wutarie der Gräfin ausdrucksstark zwischen Furor und zärtlichen Empfindungen. Alina Wunderlin glänzt mit wundervollen Koloraturen als Blasios Ehefrau Ernestina.
Kritik von Ursula Decker-Bönniger
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La scuola de' gelosi: Dramma giocoso von Antonio Salieri
Ort: Oper,
Werke von: Antonio Salieri
Mitwirkende: Gürzenich-Orchester Köln (Orchester)
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