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Elina Garanca, Mariusz Kwiecien, Chor der Bayerischen Staatsoper, © Wilfried Hösl
Donizettis 'La Favorite' in München
Eingespielte Höchstleistung
Am letzten Wochenende der Münchner Opernfestspiele kam erneut die Besetzung der ersten Spielzeitpremiere zusammen. Bereits im Oktober des letzten Jahres wurde die Neuinszenierung von Donizettis 'Favoritin' aus der Taufe gehoben. Regie führte Amélie Niermeyer, dem benachbarten Residenztheater eng verbunden und gerüchteweise Anwärterin auf die dortige Intendanz von Martin Kušej. Das hochkarätige Gesangsensemble zeigte eine exemplarische Interpretation, die vom Bayerischen Staatsorchester unter der Leitung von Karel Mark Chichon mit sensibler Dynamik und präziser Transparenz grundiert wurde.
Klangerlebnis Balkon
Das Münchner Nationaltheater hat so seine akustischen Finessen: Viele schwärmen vom ausdifferenzierten Klang auf den Partitur- und Stehplätzen in der Galerie, im Parkett wird es schnell dumpf, auf einigen Plätzen kommt die Musik sogar doppelt, zeitlich leicht versetzt – und im Balkon hat man schnell das Gefühl mitten im Orchester zu sitzen, ohne dass dabei je Einzelheiten des Instrumentariums herausplatzen oder übertönen. Ein besonderes Erlebnis, das Orchester und Dirigent zu ermöglichen wissen.
Tiefgreifende Höhenflüge
Nach dem sphärischen Mönchschor, der an die Ouvertüre anschließt, ertönt Mika Kares’ bestimmender Bass, der dem Prior des Klosters Santiago de Compostela, Balthazar, seine Stimme verleiht. Der warme Stimmklang hat stets den nötigen Anteil Metall und besticht mit bravourösen und selbstsicheren Höhen. Matthew Polenzani steht ihm als Fernand mit samtiger Stimme zur Seite, zeigt aber auch früh und ohne Schonung seine heldische Seite. Strategisches Sparen hat seine exzellente Konstitution an diesem Abend schlichtweg nicht nötig, und so gibt er am Spielzeitende noch einmal alles. Etwas verhalten tastet sich Elīna Garanča in ihre Rolle der Léonor, was aber auch dem Rolleprofil geschuldet sein kann. Gab sie in der konzertanten Aufführung an der Deutschen Oper Berlin Ende 2015 noch ihre Eigeninterpretation herrisch und unnahbar (klassik.com berichtete), gerät sie bei Niermeyer als Spielball zwischen die Fronten rücksichtsloser Männergewalt. Auch wenn sie sich immer aufs Neue fasst, um diesen Kräften tough entgegenzutreten, scheint jeder Rückschlag nur härter zu treffen. Ungebrochen bleiben die das Mezzofach überspannenden Ausflüge in die oberen Hilfslinien des Violinschlüssels. Ihre große Arie: zweifellos ein Höhepunkt des Abends.
Verwöhntes Königskind
Die Partie des König Alphonse XI. präsentiert Mariusz Kwiecień routiniert, stimmsicher und mit angemessener Größe. Seine Figur steht in dieser Deutung zentral für die herrschende männliche Willkür. Eine intelligent eingebaute Kino-Szene im Zwischenspiel zeichnet die Verhältnisse: Alphonse belustigt und unterhalten; neben ihm die unterworfene und resignierte Léonor, die er sich bald zur oralen Befriedigung greift. Der junge König bekommt, was er will. Menschen sind nicht mehr als ein Spielzeug, das er ungern teilt. In ebenso kindlicher Unverhohlenheit tritt er dem Klerus entgegen. Dieser wird durch Jesus und Madonnen vertreten, ausgezäunt in bewegbaren und bepflanzten Gitterkästen (Bühne: Alexander Müller-Elmau), die an den Rand gefahren weite Fläche schaffen, die Protagonisten aber auch mal sinnbildlich einengen. Ideales Mittel für reibungslose Übergänge, leider nicht konsequent genug einbezogen.
Unbarmherzige Umstände
Die Fatalität der Geschehnisse tritt klar hervor. Léonor steuert geradewegs auf die unaufhaltsame Katastrophe zu, endgültig durch ein schwarzes Trauerkleid prophezeit (Kostüm: Kirsten Dephoff). Inès, reizvoll und mit wachem Temperament von Elsa Benoit gegeben, und Don Gaspar - Joshua Owen Mills zeigt präsenten Klang - wirken lediglich wie Randnotizen pro und contra Léonor, kommentierend, ähnlich wie der Chor (gut balanciert und intonationssicher, rhythmisch teils ungenau; Einstudierung: Sören Eckhoff), ohne die schiere Möglichkeit einzugreifen. Der eigentliche Konflikt, den Niermeyer in den Fokus rückt, ist der zwischen Moral (auch religiöser), vertreten durch den etwas naiven Idealisten Fernand, und genussorientierter Willkür, die König Alphonse egomanisch auslebt. Letztlich ist in dieser Welt kein Platz für Fernands Ideale, und so wird der Rückzug ins Kloster zur Notwendigkeit. Léonor geht nicht zuletzt daran zugrunde, sich der als Schutz vor fremder Willkür dienenden Moral entledigt zu haben.
Die Weltklasse der Bayerischen Staatsoper wird durch musikalische Höchstqualität bewiesen. Niermeyers Inszenierung bleibt eher harmlos, arbeitet aber bedacht mit Details: Kluge Ideen wechseln mit nicht zu Ende geführten Ansätzen (die sakrale Symbolik etwa ist notdürftig eingeflochten). Lohnenswert ist der Besuch schon deswegen, weil die eher selten aufgeführte 'Favoritin' in einer Besetzung auf die Bühne gebracht wird, die ihresgleichen sucht.
Kritik von Theo Hoflich
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La Favorite: Opéra in vier Akten
Ort: Bayerische Staatsoper,
Werke von: Gaetano Donizetti
Mitwirkende: Karel Marc Chichon (Dirigent), Bayerisches Staatsorchester (Orchester), Elina Garanca (Solist Gesang), Matthew Polenzani (Solist Gesang), Mariusz Kwiencien (Solist Gesang), Mika Kares (Solist Gesang), Elsa Benoit (Solist Gesang)
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