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Alain Altinoglu, © Marco Borggreve
Mahlers Dritte Symphonie mit dem RSB
Alle Lust will Ewigkeit!
Es gibt viele Dinge, die man an Mahlers Dritter Symphonie lieben kann. Denn dieses Riesenwerk von 1893-96 breitet in 95 Minuten Spielzeit einen ganzen Kosmos von Farben, Stimmungen, Klangreizen und Tonalitäten aus – von der eröffnenden Hörner-Fanfare und den wuchtigen Tutti-Schlägen, bis zum fast sakralen Erlebnis des schreitenden Finales, bei dem man sich vorkommt, als hätte man eine gigantische Kathedrale durchschritten. Dazwischen: das flirrende Erwachen Pans mit lüsternen Zügen durch einen imaginären Wald, exquisite Scherzi, ein existenzielles Nachtlied nach Nietzsche, Bim-Bam-Kinderchorlieder ... und alles so eklektisch wie möglich zusammenmontiert. Man staunt als Hörer über das zwischen Groteske und Erhabenheit changierende Werk, das immer von einer Art Misterioso umweht ist und gleichzeitig vom Orchester maximale Brillanz verlangt. Diese lieferte das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) am Sonntagabend, einerseits mit großartigen gleißenden Streicherklängen, vor allem aber mit atemberaubendem Blech- und Holzbläserspiel. Unter Leitung von Dirigent Alain Altinoglu zeigte das Orchester mit Lust, wozu es fähig ist. Das war imposant, keine Frage.
Trotzdem fehlte mir die ganze Zeit etwas. War es ein großer narrativer Bogen, speziell im ersten Satz, der mehrfach auseinanderzufallen schien? War es der Wille zum Geheimnisvollen, der in Altinoglus betont sachlicher Interpretation nicht deutlich erkennbar war? Oder war es der Mangel an Ekstase und die Furcht vor Sentimentalität, die die Musik manchmal neutral wirken ließen, statt sie mit maximaler Sinnlichkeit atmen und sich verströmen zu lassen? Etwas mehr Sensualismus hätte Mahler meiner Meinung nach jedenfalls gutgetan, ebenso mehr Mut zu Kontrasten, nicht nur dynamischen.
Nora Gubisch rief zwar mit imposanten Alt-Tönen 'O Mensch! Gib acht!', und sie sprach jedes T an Wortenden mit Überüberdeutlichkeit. Aber den eigentlichen Text – "Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit!" – konnte ich kaum verstehen. Und ihr ‚O Möööööönsch‘ hatte in der Vokalumfärbung fast etwas Komisches, was vermutlich nicht beabsichtigt war.
Was bleibt also? Trotz vieler exzellenter Details und einer insgesamt famosen Gesamtleistung des Orchesters war das keine außergewöhnliche Wiedergabe. Mit reiner Sachlichkeit kommt man dem Werk nicht bei - zumindest nicht für meine Ohren. Da muss mehr Zauber her, mehr Wille zum Abtauchen in den Mikro- und Makrokosmos Mahlers. Aber: Trotz aller Einwände ist das Ende dann doch erhaben. Und die Blechbläser wurden vom Publikum zu Recht gefeiert, inklusive Martin Wagemann für sein elegisches Posthornsolo.
Kritik von Dr. Kevin Clarke
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Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 3 d-Moll
Ort: Philharmonie (Grosser Saal),
Werke von: Gustav Mahler
Mitwirkende: MDR Rundfunkchor (Chor), Alain Altinoglu (Dirigent), Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (Orchester), Nora Gubisch (Solist Gesang)
Detailinformationen zum Veranstalter Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB)Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
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