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Vladimir Jurowski, © Sheila Rock
Das London Philharmonic in Stuttgart
Souveräne Interaktion
Gewissermaßen zum "Inventar" der Stuttgarter Reihe "Meisterkonzerte" gehört das London Philharmonic Orchestra, das nun in diesem Rahmen wieder im Beethovensaal der Liederhalle zu Gast war. Unter Leitung seines inzwischen seit beinahe zehn Jahren amtierenden (und vor der Rückkehr nach Berlin stehenden) Chefs Vladimir Jurowski stand zunächst Glinkas 'Walzer-Fantasie' h-Moll auf dem Programm. Bereits darin kam die agogische Flexibilität des Klangkörpers zum Tragen. Mit viel Elan und Binnenspannung formte er elegant geschwungene, luftige und von sattem Streicher-Timbre geprägte Melodiebögen und erzeugte wirkungsvolle Crescendi.
Fehlende Wärme
Dass es nicht genug ist, Chopin technisch gewachsen zu sein und die richtigen Noten zu spielen, zeigte sich in dessen e-Moll-Konzert op. 11, für das der junge kanadische Pianist Jan Lisiecki am Flügel Platz nahm. Von Anfang an blieb sein Spiel sehr undifferenziert. Sowohl fülligen Akkorden als auch gehaltenen Einzeltönen fehlte häufig das Volumen, wie die Endungen mancher Passagen fielen sie teils regelrecht in sich zusammen. Selbst Legato-Phrasen wirkten immer wieder abgehackt und stellenweise fast schon staubtrocken – falls all das so beabsichtigt war, ging das Artikulationskonzept stilistisch weitgehend am musikalischen Inhalt vorbei. Zudem zog Lisiecki das Tempo Mitte des Kopfsatzes derart unvermittelt an, dass das Orchester Mühe hatte, die agogische Synchronität wieder herzustellen. Der Romanze fehlte es fast vollständig an Wärme, und im Finalsatz war es wiederum überwiegend das Orchester, das für dynamische Impulse und Abtönungen sorgte. Dass Lisiecki in dieser Form eine bedeutende Rolle in der Pianistenlandschaft der Zukunft spielen wird, erscheint – jedenfalls derzeit – kaum vorstellbar.
Emotionale Entladungen
Beim Namen Sergej Rachmaninow fallen einem auf Anhieb nicht unbedingt dessen Qualitäten als Symphoniker ein. Dass er diese dennoch besaß und zu farbreicher Orchestrierung in der Lage war, erwies sich in seiner Ersten, vergleichsweise selten zu hörenden Symphonie op. 13, in der das London Philharmonic Gelegenheit hatte, alle Register seiner klanglichen Möglichkeiten zu ziehen. Von der düsteren, von markantem Blech durchsetzten Schwere des Eingangsmotivs, über die nervöse Grundstimmung mit ihren beispielhaft akkurat intonierten Fugato-Passagen bis hin zu den meditativen Atempausen des Seitenthemas und dessen fein gesponnenen Dialog zwischen Streichern und Holzbläsern bildete es schon den Charakter des Kopfsatzes treffend ab. Auch im 'Larghetto' wurde der Kontrast zwischen introvertierter Stille und emotionalen Entladungen überzeugend dargestellt. Im Schlusssatz führte Jurowski die bis ins opulente Schlagwerk souverän interagierenden Instrumentengruppen zu einem brillant strahlenden Finale.
Kritik von Thomas Gehrig
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Meisterkonzerte Stuttgart: London Philharmonic Orchestra
Ort: Liederhalle,
Werke von: Michail Glinka, Frédéric Chopin, Sergej Rachmaninoff
Mitwirkende: Vladimir Jurowski (Dirigent), London Philharmonic Orchestra (Orchester), Jan Lisiecki (Solist Instr.)
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